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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Tafel 2
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Cremer, Franz Gerhard: Ein Rückblick auf die "moderne Kunst", [2]: in der internationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0024

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25

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

26

Und brauchen will die Welt, was du für sie
ersannst.1*
(I. Stufe; Einkehr, 14.) Friedr. RUckert:
»Die Weisheit des Brahmanen«, I.

Doch gehen wir weiter, um zu vernehmen,
was uns die Sura, die mündliche Überlieferung
Mohammeds kündet. Aus den siebentausend
bewahrten Aussprüchen hat uns Joseph von
Hammer den Zehent ausgewählt und in den
„Fundgruben des Orients" (Wien, 1800) zu-
gänglich gemacht. Wir brauchen hier nur
Blatt um Blatt zu wenden, um erneut zu
hören, was wir, wie schon mitgeteilt, eben
allenthalben gefunden haben. Artikel 6 be-
spricht Mohammed die Süfsigkeit und Not-
wendigkeit des wahren Glaubens. Artikel 12
heifst dann wörtlich: „Die Scham kommt
vom Glauben." Eingehend befafst er sich
mit der Pflege des Unterrichtes und der Ver-
breitung der Wissenschaft, und wie er ihre
Vernachlässigung straft, so wird andererseits
ein fast rührendes Lob den Lehrern zuteil,
wie er auch die Vertreter der Wissenschaft (39)
für wahrhaft beneidenswert erklärt. Denn,
sagt er Art. 43, 44 und 45: „Wo die Unwissen-
heit herrscht, da wird alles in Unruh und
Verwirrung sein; und wo die Wissenschaft
fehlt, da irren die Menschen und leiten andere
irre. — Er gemahnt dann Art. 234 zur Vor-
sicht, damit der Teufel nicht in die Herzen
Versuchung streue, und sagt (239) mit allem
Nachdruck: „Alle Maler werden am Tage
des Gerichts zu strenger Rechen-
schaft gefordert. Es wird ihnen ge-
sagt: Gebet dem, was euere Hände ge-
macht, Leben." —

Noch deutlicher und bestimmter treffen
wir aber Weisungen und Ziel für den höher
strebenden Künstler in Talmud und Midrasch.24j

-*) Da lesen wir Talmud Kiduschin S. 30 a, von
den „Pflichten der Väter" ; Baba Mezia, S. 33 a.
Mischna, von der ..hohen Achtung, die wir den Leh-
rern schulden, und von den unantastbaren Rechten,
welche sie besitzen". Ja wir hören Talmud Baba
Mezia S. 85 a das Wort: „Wer das Volk unterrichtet,
dessen Gebet wird so mächtig sein, daß es die gött-
lichen Gerichte zum Guten wendet." Wir vernehmen
aber darum auch von der „Ausdauer" (Talmud Sanhe-
drin, S. 99 a), von der „Bescheidenheit im Studium"
(Talmud Erubin, S. .">4 a, Baba Mezia, S. 35 b und
Abot), hinwiederum aber auch von der „Größe der
Weisen" (Talmud Horioth, S. 13 a) reden. Wir hören
aber nicht weniger nachdrücklich von „unfruchtbarer
Weisheit" (Talmud Rosch haschana, S. 20 a), von
der „Verderbnis des Gemüts" (Talmud Joma, S, 29 a)
und den „Leidenschaften der Menschen" (Talmud

Es ist überflüssig, anzuführen, was von der
Notwendigkeit des Glaubens gesagt wird, aber
wiederholen wollen wir, welche Pflichten uns
zwar einerseits auferlegt, welcher Lohn jedoch
dafür uns andererseits verhelften wird.

Und wie diese heiligen Urkunden des
traditionellen Judentums eingehend alles be-
rühren: tadeln und mahnen, strafen und loh-
nen, so schweigen sie auch nicht über die
„Schamhaftigkeit", und wir vernehmen die
Worte: „Die Schamhaftigkeit führt zur Furcht
vor der Sünde", (Nedarim S. 20 a), „Die Scham-
haftigkeit ist ein schöner Schmuck des Men-
schen" (ebendaselbst), und weiterhin heifst es
(Taanith S. 15b): „Schäme dich vor dir selbst
mehr noch als vor andern."25) „Glücklich,
wer stirbt, wie er geboren wird, in der Rein-
heit der Unschuld" (Baba Mezia, S. 107 a,
Koheleth Rabba, S. 86 a). — Auch den Weg
finden wir hier sicher vorgezeichnet, auf dem
wir zu allem Diesem sicher gelangen sollen,
und erfahren dazu, wer es ist, dem wir die
von Aristoteles schon so dringlich begehrten
frühen Weisungen und die so notwendige
zeitige Angewöhnung zu danken haben. Denn
Rabbi Janai sagt: „Bei wem findest du die
religiöse Wissenschaft? Bei dem, der eine
gute mütterliche Erziehung genossen." (Talmud
Berachot, S. 63b).L";)

Mit diesem einzigen Ausspruche gelangen
wir aber zu jenem Punkte, von dem Künstler
und Dichter aller Zeiten sich in kühnem Auf-
fluge zum Höchsten erhoben haben. Denn
wer erschöpfte wohl die sich in unseren Her-
zen regenden Empfindungen und beseligenden
Erinnerungen, die sich mit dem einzigen
Worte: „Mutter" verbinden?! Erinnerungen
und Empfindungen, denen Mnemosyne —
das Gedächtnis, die Erinnerung — und Mneme
— das bleibende Andenken — Form und Ge-
staltung geben. Wer teilte nicht die Empfin-

Sukka, S. 52a und b); wir hören von „Ehren und
Ehre" (Taanith, S. 21 b), „Frechheit und Verläum-
dung" (Sanhedrin, S. 10öa und Talmud Erachin,
S. 15b) wie vor „Großem Lärm um Weniges" (Tal-
mud Baba Mezia, S. 85b) warnen.

25) Und Aboth, Kap. 2 heißt es: „Bis zum letz-
ten Augenblicke des Todes mil.itraue dir selbst."

2f') Parabeln, Legenden und Gedanken aus Tal-
mud und Midrasch, gesammelt und geordnet von
Professor Giuseppe Levi, aus dem Urtexte ins Deutsche
übertragen von Ludwig Seligmann, weil. Bezirks-
Rabbiner zu Kaiserslautern. III. vermehrte Aufl.
(Leipzig, Oskar Leiner. 5029.)
 
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