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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Schnütgen, Alexander: Die romanischen Wandmalereien der Rheinlande
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0050

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!905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

78

meist ohne dem notwendigen Verständnisse zu
begegnen.

Gewiß haben auch die alten Wandmaler
es an Mißgriffen, zufälligen, wie gewohnheits-
mäßigen, nicht fehlen lassen. Einzelne ihrer
Ornamente sind schwer und schwulstig, manche
ihrer Figuren sind verzerrt und klobig, ihre
Farbentöne zuweilen hart und schreiend. Aber
trotzdem darf für ihre Verzierungen, mögen
sie die Flächen beleben oder die Wulste be-
decken, mögen sie als Friese die Bögen ein-
fassen, die Leibungen markieren, die Zonen
scheiden, eine gewaltige Phantasie, eine wunder-
bare Mannigfaltigkeit der Linienführung, ein
staunenswerter Farbensinn in Anspruch ge-
nommen werden, so daß kaum eine andere

die leicht einzelne Partien als Löcher er-
scheinen lassen, sind durchweg vermieden, und
bei den Ornamenten wie bei den Figuren be-
währt sich die selbständige Künstlerhand in
der Freiheit, mit der die Linien gezogen, die
Lichter herausgeputzt sind. Auf diese Weise
ist trotz der bescheidenen Farbenskala eine
mannigfaltige Wirkung erreicht, und es bedurfte
nicht des alles versöhnenden Goldes, um Har-
monie zu schaffen. ,

Nirgendwo treten diese Vorzüge stärker
und geschlossener zutage, als in den romani-
schen Wandmalereien der Rheinprovinz; man
braucht sie nur mit den in den nördlichen
Ländern zahlreich erhaltenen, zumeist hand-
werksmäßigen Erzeugnissen, sowie mit manchen

Abb. 4—5. Details der Aufsenbemalung an der Stiftskirehe zu Carden.

Epoche der Kunstgeschichte über einen so
reichen, zugleich so einheitlichen Formenschatz
verfügt, als gerade die romanische, besonders
die Übergangs-Periode. Auch den figürlichen
Schöpfungen dieser Zeit darf nicht nur ein
ernster Inhalt, sondern auch ein großer, deko-
rativer Wert zuerkannt werden: vortreffliche
Eingliederung in die Architektur, freie Be-
wegung, erhabener Ausdruck. Die Farben
sind hinsichtlich der Technik dem landesüb-
lichen Steinmaterial, hinsichtlich der Töne den
allgemeinen wie den lokalen Lichtverhältnissen
angepaßt, klar und bestimmt, systematisch und
doch nicht schablonenhaft, so daß ungesunde
Mischungen kaum begegnen, trotz aller Ver-
schiedenheiten. Auf lichte Wirkung sind die
Farben durchweg berechnet, daher die Lasur-
töne bevorzugt, die den Zusammenhang mit
der Wand wahren. Deckende Lokalfarben,

süddeutschen Überresten zu vergleichen, um
ihre grundsätzliche Superiorität zu erkennen.
Es ist daher als ein besonderes Glück zu be-
trachten, daß gerade sie in ungewöhnlicher
Anzahl sich erhalten haben, dem Wesen nach
auf ein Jahrhundert sich beschränkend (etwa
1150—1250), aber doch bis ins IX. Jahrh.
zurückreichend (wie bis zum Ende der goti-
schen Periode vorschreitend, die indessen dem
II. Bande reserviert sind).

Solche Fülle des Stoffes im Bunde mit
dem künstlerischen Werte jedes einzelnen
Gliedes ist ein anvertrautes Gut, das Pflichten
auferlegt wie der Erhaltung, so der Mitteilung,
die zugleich Fruktifizierung bedeutet. Diese
bisher gewiß nicht verkannten, aber doch nur
teilweise erfüllten Pflichten finden jetzt mit
einem Schlage ihre Lösung durch ein Werk,
das einzig ist in seiner Art, indem es die
 
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