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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Falke, Otto von: Meister Nicolaus von Verdun und der Dreikönigenschrein im Kölner Domschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0096

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Abhandlungen.

Meister Nicolaus von Verdun und der
Dreikönigenschrein im Kölner Dom-
schatz.

(Mit 6 Abb. u. Tafel V.)
flegt man den mächtigen
Reliquienschrein des Köl-
ner Domes, der die Ge-
beine der heiligen drei
Könige und der Heiligen
Nabor und Felix um-
schließt, als das glänzendste
Denkmal der deutschen
Goldschmiedekunst romanischen
Stils zu bezeichnen, so kann man
dieses Urteil schon allein durch
den monumentalen Aufbau, den
reichen Schatz edelster antiker
Gemmen, durch die Fülle und
Schönheit des Schmelzwerks und
des Filigrans ausreichend begrün-
den. l) Aber nicht in dieser
prunkvollen Dekoration liegt der Schwer-
punkt seiner künstlerischen Stärke. Es sind
vielmehr die in Silber getriebenen und vergol-
deten vierundzwanzig Figuren der Pro-
pheten und Apostel an den Langseiten des
Schreines, welche durch die ausdrucksvolle In-
dividualisierung der Köpfe, durch die lebendige
und doch würdige Haltung, durch den ebenso
kunstvoll gegliederten, wie naturwahren und
zwanglos fließenden Faltenwurf der Gewandung
den Dreikönigenschrein weit über alle ver-
wandten Denkmäler dieser Zeit hinausheben.
Gerade diese Figuren von unvergänglicher
Schönheit aber sind ein kunstgeschichtliches
Rätsel.

Ein maßgebender Kenner der rheinischen
Plastik wie P. Clernen2) hat seine Äußerung
über die Figuren in der Form einer Frage ge-
halten: „Wo kommen die Meister her, die am
Dreikönigenschrein arbeiten, woher kommen

1) Der Schrein ist abgebildet bei Falke u. Frau-
berger: »Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters«,
Tafel 61, 62, 63, 64.

2) Clernen, »Die rheinische und die westfälische
Kunst auf der kunsthistor. Ausstellung zu Düsseldorf
1902«, »Zeitschrift für bild. Kunst« (1903), V und
als Separatdruck bei E. A. Seemann (1903), S. 28.

diese prachtvollen monumental aufgefaßten Pro-
pheten, die leidenschaftlich bewegten Apostel?
Der Stil weist nach dem Westen, aber wo sind
die Verwandten und die Vorfahren dieser Fi-
guren zu finden?"

Auf den ersten Teil der Frage, soweit sie
sich auf die Werkstatt bezieht, der wir den Ent-
wurf des Schreines, seine Dekoration und das
Schmelzwerk verdanken, habe ich eine aus-
führliche Antwort in den »Deutschen Schmelz-
arbeiten des Mittelalters« zu geben versucht,
und ich darf, da begründete Einwendungen
gegen die dort festgestellten Ergebnisse nicht
erhoben worden sind, mich hier auf eine
kurze Wiederholung der Schlußfolgerungen
beschränken. Danach ist also der Dreikönigen-
schrein um 1180 begonnen und bald nach 1200
im wesentlichen vollendet worden. In seiner
Form, in der Gliederung des Dekoration-
systems, in der Art des Schmelzwerks und son-
stigen ornamentalen Teilen bezeichnet er den in
Schritt für Schritt nachweisbarer Entwicklung
erreichten Höhepunkt der Pantaleonswerkstatt
in Köln. Deren dritter Leiter, von Eilbertus
an gerechnet, ist auch der Leiter des Dom-
schreines, ein Anonymus zwar, dessen Art und
Können uns aber der Annoschrein von 1183
und der Albinusschrein von 1186 veranschau-
schaulichen. Seine Mitarbeiter am Schrein der
hl. Dreikönige waren unter anderen der Meister
des Benignusschreins, der später nach 1200
den Karlschrein in Aachen ausführte und am
Aachener Marienschrein noch beteiligt war, und
ein Kölner Schmelzwirker, der die von Fride-
ricus unfertig hinterlassene Rückseite des Mau-
rinusschreines aus S. Pantaleon vollendete.

Die Frage nach dem Meister der getriebenen
Silberfiguren war in dem genannten Werk offen
gelassen, weil sie in einer der Geschichte des
Kupferschmelzes gewidmeten Untersuchung
nicht unumgänglich notwendig erschien. Diese
Unterlassung nachzuholen unter Berichti-
gung der damals ausgesprochenen Vermutung,
daß die Silberfiguren erst ziemlich spät im
XIII. Tahrh. dem im übrigen vollendeten Schrein
zugefügt worden seien,3) ist der Zweck dieser
Zeilen. Wenn sie eine befriedigende Antwort

8) »Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters«,
S. 55 und 50.
 
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