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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Falke, Otto von: Meister Nicolaus von Verdun und der Dreikönigenschrein im Kölner Domschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0098

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165

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

166

höhen, so gut wie ein Bildhauer der Antike.
Diese Erkenntnis der künstlerischen Bedeutung
des Faltenwurfes lag noch außerhalb des Ge-
sichtskreises der Meister von S. Pantaleon.

Mit dieser Entwicklungstufe der getriebenen
Metallplastik in Köln während des vorletzten
Jahrzehnts des XII. Jahrh. sind die Propheten
und Apostel in keiner Weise vereinbar; sie
können unmöglich aus der damaligen Kölner
Schule hervorgegangen sein.

Das Bild ändert sich auch nicht sehr wesent-
lich, wenn wir die Wende des XII. Jahrh. über-
schreiten. Als
Vergleichs-
gegenstand
bietet sich
aus dem An-
fang des
XIII. Jahrh.
der im Jahre
1215 vollen-
dete Karl-
schrein in
Aachen dar.7)
Man darf ihn
mit gutem
Gewissen
heranziehen,
weil er aus-
geführt wur-
de unter der
Leitung des
Meisters des

Benignus-
schreins, der

vorher in
Köln und
auch am Dreikönigenschrein gearbeitet hatte.8)
Nun bedeuten die Figuren der deutschen
Kaiser und Könige am Karlschrein ohne
Frage einen merklichen Fortschritt gegen-
über den Reliefbildern der beiden Sarkophage
in der Schnurgasse. Die Gewandung, bei der
das Unterkleid und der Mantel mit guter Wir-
kung in Kontrast gesetzt sind, ist ohne viel
Abwechslung, aber mit künstlerischer Absicht
gefaltet. In der Detaillierung freilich ist das
Stadium der konventionellen Parallelfalten nur
wenig überschritten. Obwohl die gestellte Auf-

\bb. 1. Relief vom Dach des Maurinusschreins

') Abgebildet in »Deutsche Schmelzarbeiten des
Mittelalters«, T. 94, 95, 96.

8) Vgl. »Deutsche Schmelzarbeiten«, S. 99.

gäbe, Bilder bestimmter deutscher Herrscher
zu schaffen, zur Individualisierung auffordern
mußte, ist dieses Ziel doch nicht erreicht wor-
den ; wir sehen vielmehr einen noch ziemlich
leblosen Kopftypus mit starrem Blick einheit-
lich beibehalten. Die Figuren der älteren Seite
des Aachener Marienschreins9) halten sich in
denselben stilistischen Grenzen; erst mit der
Maria und den Aposteln der jüngeren, vor
1238 vollendeten Seite des Marienschreins und
noch mehr mit dem plastischen Schmuck des
ebenfalls der Aachener Schule angehörigen

Elisabeth-
schreines in
Marburg10)
(um 1219 ge-
arbeitet) wird
eine Stufe der
Stilentwick-
lung erreicht,
die an die
Figuren des
Dreikönigen-
Schreins her-
anreicht. Den
großen Vor-
zug der letz-
teren, das
leidenschaft -
liehe Tem-
perament des

Künstlers,
sucht man
auch an den

Marburger
Silberfiguren
vergebens.

Wenn also der Plastiker des Domschreines
dem Einflußkreise der Kölner Goldschmiede-
kunst, zu dem ich Aachen in dieser Periode
hinzurechne, angehört hätte, so müßte man bis
auf die Mitte des XIII. Jahrh. heruntergehen,
um auf die Entslehungszeit seiner Figuren zu
gelangen. Wie höchst unwahrscheinlich es ist,
daß man ein Schaustück ersten Ranges wie
den Dreikönigenschrein ein halbes Jahrhundert
lang ohne die zu seiner Wirkung ganz unent-
behrliche plastische Ausstattung hätte stehen
lassen, liegt auf der Hand.

9) Abgeb. »DeutscheSchmelzarbeiten«, T 9< —• 100-
10> Abgeb. »Revue de l'art ehret. 1892«, pl. XI

und XII.
 
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