Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

DOI article:
Kisa, Anton Carel: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [8]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0114

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
195

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

196

telten Blattwerkes von Blümchen und Halmen.
Die Pinselführung ist eine sorgsam vertreibende,
mit braunen, ziemlich kräftigen Schatten. Die
wenigen Lokalfarben, einige Töne von Rot,
dann Grün und Dunkelblau, sind ernst und
voll, das Lackrot sogar sehr frisch und feurig.
Die Zeichnung aber ist unsicher, nur Christus
und Augustinus stehen fest auf den Beinen,
während die anderen Gestalten im Nachklange
an die spätgotische geschweifte Linie sich
wankend zurückbiegen. Neben überzierliche
Handbewegungen, wie Augustins gestreckter
kleiner Finger, kommen die krüppelhaften, aber
gleichfalls aus mißverstandener Eleganz hervor-
gegangenen Fußbildungen. Den ziemlich ein-
förmigen Gesichtstypus kennzeichnen große und
dicke, manchmal stark gekrümmte Nasen mit
zwei harten, senkrechten Falten an der Wurzel
zwischen den Brauen, große, braune Rundaugen
mit schweren Lidern, von welchen besonders
die unteren rund und stark beschattet hervor-
treten, breite Lippen, die manchmal fletschend
die Zähne entblößen, wobei die Unterlippe in
leichtem Bogen emporgezogen wird.

Aldenhoven weist das Bild einem Lütticher
iMeister von der Mitte des XV. Jahrh. zu, der
nach Köln ausgewandert sei. Firmenich-Richartz
bezeichnet den Urheber im Düsseldorfer Kata-
loge als „Meister von Lüttich um die Mitte
des XV. Jahrh.", während Scheibler, der das
Bild schon in den 80er Jahren auf einer Auk-
tion in Berlin gesehen hatte, damals einige Be-
ziehungen zum Kölner Meister der Verherr-
lichung feststellte, im ganzen jedoch des unbe-
kannten Künstlers Art altertümlicher fand. Diese
Ansicht hat er auch mir gegenüber bei Besuchen
des Aachener Museums und bei seiner Bespre-
chung der Altdeutschen und Altniederländer der
Düsseldorfer Ausstellung im »Repertorium f. K.«
1904, S. 529 aufrecht gehalten. Aldenhoven er-
klärt die Beziehungen zu dem genannten kölni-
schen Meister aus dem Umstände, daß dieser seine
Lehrlingsjahre in Lüttich zugebracht habe.1; Viel-
leicht mit dem in Aachen geborenen Goedart
Butgyn identisch, könnte er sehr wohl in seinen
frühen Wanderjahren in der benachbarten Bi-
schofsstadt Halt gemacht haben, die mit Aachen
politisch und religiös aufs innigste verbunden,
auch die Interessen des Handels und Gewerb-
fleißes mit der alten Kaiserstadt teilte. Die künst-
lerischen Beziehungen zwischen beiden Städten

J) Aldenhoven,
schule«, S. 197, Anm.

»Geschichte der Kölner Maler-
332.

reichten bis in die Tage der Dinandiers hinauf
und waren stärker als die zwischen Aachen und
Köln. Um 1460 kam Goedart von Lüttich
oder Aachen aus nach Köln, wo er im An-
schlüsse an Stephan Lochner sein Künstlertum
in vollem Glänze zu entfalten begann und die
zweite fruchtbarere Hälfte seines Lebens zu-
brachte. Auf seinem Hauptbilde, der Ver-
herrlichung Mariens im Kölner Museum, hat
er im Hintergrunde die Maaß zwischen Namur
und Dinant mit ihren phantastisch zerklüfteten
Felsufern dargestellt, etwa so, wie sie später
der aus Dinant gebürtige Patinir und Herri Bles,
der Sohn des gewerbefleißigen Städtchens Bou-
vignes, schilderten, aber auch der unbekannte
Maler des Aachener Bildes auf der Glaskugel in
Christi Hand. Aldenhoven hält sie für eine Rhein-
landschaft, ein Irrtum, der bei der Kleinheit
der Darstellung leicht erklärlich ist, unter der
Lupe jedoch sofort verschwindet. Diese Glas-
kugel ist kein spielender Einfall des Künstlers,
eigentlich auch gar keine Vollkugel, sondern
ein starker Konvexspiegel und als solcher ein
unentbehrliches Requisit für perspektivische
Darstellungen. Sie hat denselben Zweck wie
die in runde oder achteckige Rahmen ge-
faßten Konvexspiegel, die nicht selten auf
flandrischen Bildern an der Wand hängen
und den ganzen Innenraum, auch die darin
befindlichen Menschen von der Rückseite ver-
kleinert wiedergeben. Jan van Eyck brachte einen
solchen Spiegel im Hintergrunde seines Bild-
nisses des Ehepaares Arnolfini an und wieder-
holte in ihm das ganze idyllische Interieur in
kleinstem Maßstabe. Petrus Cristus gibt ihn
auf seinem Bilde in der Galerie des Barons
von Oppenheim in Köln dem heiligen Gold-
schmiede Eligius als ein Stück seines Hand-
werkszeuges. Joseph Kern stellt in seiner Disser-
tation über die Perspektive der Eycks eine Reihe
solcher Abbildungen zusammen.2) Die Spiegel
dienten den Malern zum Zusammenfassen von
Raumdarstellungen, von Wohnräumen, Archi-
tekturen und Landschaften, und ersparten ihnen
langwierige und langweilige geometrische Kon-
struktionen, auch dann noch, als die Gesetze
der Linienperspektive schon festgelegt und
jedem zugänglich waren. Ein Künstler wird
wohl gewöhnlich lieber das Spiegelbild frei auf
die Leinwand übertragen, als mit Richtscheid
und Zirkel gewirtschaftet haben.

2) Joseph Kern, »Die Grundzüge der linear-per-
spektivischen Darstellung in der Kunst der Gebrüder van
Eyck und ihrer Schule«, Leipzig 1904, S. 27 f.
 
Annotationen