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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0115

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197

190.').

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr.

198

Außer der Landschaft enthalten auch die
Typen auf dem Gemälde der Verherrlichung
Elemente, die sowohl der kölnischen, wie der
flandrischen Schule fremd sind: längliche
Köpfe mit großen, runden Augen, die leicht
verblüfft dreinschauen können, hochgespannte
Brauen, dicke Nasen mit rundem Knorpel, die
weiche, im Bogen emporgezogene Unterlippe
und vorspringendes Kinn. In der Farbe tritt
an die Stelle der reichen Lochnerschen Palette
mit ihren feurigen Tönen und zarten Misch-
farben eine ernste und nüchterne Stimmung,
Blau vom kühlen Blaugrau bis zu tiefem Indigo,
Rot von Zinnober bis zu dunklem, bräunlichem
Lack. Für die Annahme, daß diese Elemente
wallonischen Ursprunges sind, haben wir vor-
läufig nur einen Kronzeugen, ein Altarbild in
St. Paul, der Kathedrale von Lüttich, das ein-
zige Werk der Lütticher Schule, das mit
Sicherheit in die Mitte des XV. Jahrh. versetzt
werden kann. J. Heibig hat es in seinem
Buche über die Lütticher Malerei abgebildet
und beschrieben, eine andere, bessere Repro-
duktion bringt das große Werk Max J. Fried-
länders über die Brügger Ausstellung von 1903.3)
Es ist ein Andachtsbild in steifen, konventio-
nellen Formen. In der Mitte sitzt Maria auf
einem reichen spätgotischen Throne, dessen
Rücklehne von einem schwarz-goldenen Brokat-
stoffe gebildet wird, und reicht dem Kinde
einen Schmetterling zum Spiele dar. Eine
Gruppe kleiner Engel schwebt teils singend,
teils sie bekrönend über ihr. Zu beiden Seiten
stehen die Apostelfürsten, vor ihnen kniet
einerseits Magdalena, andererseits der Stifter,
Peter van der Meulen, Dechant von St. Paul,
•dessen Todesjahr 1459, zugleich das Datum
der Stiftung, auf dem Bilde angegeben ist.
Den Hintergrund bildet auch hier noch Gold,
belebt durch ein nüchternes schwarzes Gitter-
muster. In den Lokalfarben überwiegt Dunkel-
rot, Lackrot, Braun, Grün, Blaugrau und Dun-
kelblau. Das von Aldenhoven beobachtete
dunkle Blaugrün ist nicht beabsichtigt, sondern
auf eine chemische Veränderung von Dunkel-
blau zurückzuführen. Ebenso wie die Farben
stimmen im allgemeinen auch die Typen mit
der Kölner Verherrlichung überein: Marias
länglich ovaler Gesichtsschnitt mit den braunen

3) J. Heibig, »Hist. de la peinture au pays de
Liege«, 1873, Seite 81 mit Tafel in Heliogravüre.-—•
Max J. Friedländer, »Ausstellungswerk«, Tafel ,r>
«nd »Repert. f. K.« 1903, Seite 4.

Rundaugen, den braunen Schatten, dem brau-
nen, hellgestrichelten Haar, die langen, hageren
Glieder des Kindes und die Form der Nasen
und Lippen u. a. Abweichungen sind ja in
der Zeichnung ganz offenkundig, aber sie liegen
weniger im Stil als in der Qualität, ganz ab-
gesehen von den gewaltigen Fortschritten in
der Komposition. Heibig will die Lütticher
Madonna wegen der Schwäche der Zeichnung
nicht einmal ein Werk zweiten Ranges nennen,
Friedländer bezeichnet sie als derb und pro-
vinziell zurückgeblieben. In der Tat macht sie in
ihrer ganz schematischen Haltung den Eindruck,
als ob sie vor den Brüdern van Eyck gemalt wäre,
denn man merkt kaum etwas von Naturstudium
und Individualisierung. Der Stifter und die
Heiligen sind über einen Leisten geschlagen.

Das Kunstleben Lüttichs, der Hauptstadt
des Wallonenlandes, war im XV. Jahrh. im Ver-
gleiche zu den flämischen Gebieten sehr dürftig.
Aus archivalischen Quellen erfährt man nur
einen Künstlernamen, den des Meisters Antoine,
der für mehrere Kirchen Lüttichs und Namurs
arbeitete und wahrscheinlich auch das Gemälde
der Ausgrabung der Leiche des hl. Hubertus
schuf, das sich in der Londoner Nationalgalerie
befindet. Die wallonischen Gesichtszüge, sowie
die treue Wiedergabe der Lokalität, der Kirche
von St. Peter in Lüttich, lassen an dem Lütti-
cher Ursprünge dieses Bildes nicht zweifeln.4)
Die Vermutung, daß von Antoine, dem ein-
zigen bedeutenderen Maler der Zeit, auch
das Votivbild van der Meulens in St. Paul her-
rühre, liegt nahe. Er war vielleicht der Lehrer
des Aacheners Goedart Butgyn, der das Aachener
Bild zu einer Zeit malte, als er noch ganz unter
dem Einflüsse jenes unbedeutenden Meisters
stand, kurz vor seiner Übersiedelung nach Köln
etwa. Darauf deutet die nahe Verwandtschaft in
den Typen und im Kolorit, welches freilich we-
niger reich ist als das seines Lehrers. Während
einerseits die Maaßlandschaft in der Weltkugel
Christi seinen Aufenthalt in der Maaßgegend
beweist, deutet andererseits die Darstellung eines
so spezifisch niederrheinischen, in der Kunst
der Niederlande unbekannten Volksheiligen wie
des St. Quirinus von Neuß auf die nieder-
rheinische Abstammung des Künstlers.

Godesberg. A. K i s a.

*) Mit dem Meister Antoine beschäftigt sich

Pinchart im »Messager des sciences hist.« 1861,

S. 85 und 1868, S. 313. — Vergl. auch Ernst

Förster, »Denkm.« II, S 82.
 
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