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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0136

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237

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

238

eite des rechtmäßigen Papstes gestellt hatten.

°n den geistlichen Fürsten des Landes waren
■s die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg,
°>e Bischöfe von Osnabrück, Paderborn,
Halberstadt, Havelberg und einige Äbte, im
ganzen eine Schar von 1500 Rittern.5) Bischof
von Paderborn war damals Bernhard I., ein
energischer und tatkräftiger Mann. Der Zug
war von Erfolg gekrönt. Dankerfüllt krönte
Jnnozenz den König Lothar am 4. Juni 1133
'm Lateran zum Kaiser und verlieh mehreren
geistlichen Fürsten besondere Auszeichnungen.
Dem Bischof Bernhard gewährte er am 5. Juni,
wie es in der Verleihungsurkunde ausdrücklich
heißt, für seine durch so manche Dienste
bewiesene treue Anhänglichkeit an den
römischen Stuhl den Gebrauch des
Rationale. Seit jener Zeit, nunmehr also
bald 800 Jahre, tragen die Bischöfe von
Paderborn den liturgischen Ehrenschmuck des
Rationale.6)

b) Giesebrecht, »Deutsche Kaiserzeit« IV, 88.

6) Die Originalurkunde (0,31 m breit, 0,37 lang)
befindet sich heute im Staatsarchiv zu Münster.
Pflugk-Hartung bezeichnet sie als Mittel bulle,
d. h. als solche, welche die Rota und das Monogramm
nicht aufweist, wohl aber die Unterschrift und die
für sich bestehende Datierung. Vergl. »Historisches
Jahrbuch« V (1884) 545. Wegen ihrer Bedeutung
für die Geschichte des Rationale sei hier der wesent-
liche Inhalt mitgeteilt: Innocentius Episcopus Servus
Servorum Dei venerabili fratri Bernardo Padelburgensi
episcopo eiusque successoribus canonice promovendis.
Sicut omne datum Optimum et omne donum perfectum
desursum est et a patre luminum descendere scripturae
sacrae auctoritas protestatur, ita procul dubio nostram
gloriam atque laetitiam fore credimus, si fratres nostri
digni honore inveniuntur, et pro sua probitate
atque scientia de magnis honoribus ecclesiasticis ac
dignitatibus ad altiora provehi promerentur. Hoc
profecto intuitu, quoniam mulla de tuae devotionis
erga Beatum Petrum studio, venerabilis frater Ber-
narde episcope, nostris sunt auribus nuntiata et hoc
ipsum certis indiciis comprobavimus, aequum est, ut
pro impenso obsequio a Sede Apostolica amplius
honoreris, et ut de caetero fraternitatem tuam nobis
magis obnoxiam statuimus tarn temporaliter quam
spiritualiter gratum emolumentum Domino cooperante
recipias. Et quoniam tamquam Aaron ad pontificalis
dignitalis fastigium divina Providentia te credimus
evocatum, et loco Moysi ad regimen es et principatum
christiani populi constitutus, eorumque quoque dignitatis
te principem constituimus, et usum Rationalis tibi
tuisque successoribus ex Apostolicae Sedis benignitate
concedimus. Hoc videlicet sancientes, ut eodem his
diebus per parochiam tuam infra ecclesiam dumtaxat
utamini, qui in praesentis scripti pagina perscribuntur,
id est Coena Domini, Pascha, Acensione, Pentecoste,
natale b. Joannis B., festivitatibus beatorum Aposto-

2. Bekanntlich war die Gestalt und Form
des Rationale nicht nur in verschiedenen
Kirchen sehr verschieden, selbst in derselben
Kirche hat es seine Form häufig gewechselt;
in dieser Hinsicht nimmt es unter den litur-
gischen Gewändern und Insignien gradezu eine
einzigartige Stellung ein. Im allgemeinen lassen
sich drei Grundtypen unterscheiden: entweder
erscheint es nämlich als stofflicher Schulter-
kragen (Collier) oder als Schulter band,
ähnlich dem erzbischöflichen Pallium, oder in
der gänzlich abweichenden Form einer metalli-
schen Brustplatte, welche einer rechteckigen
Agraffe gleicht und durchaus an das alttesta-
mentliche Rationale erinnert, während die
beiden ersten Formen wohl in Beziehung stehen
zu dem alttestamentlichen Superhumerale,
wenigstens führen sie zuweilen in den alten
Inventarien und bei den Liturgikern diesen
Namen. Die dritte Art ist mit Sicherheit in
Reims durch mehrere Jahrhunderte zu ver-
folgen,7) während sie in Deutschland und
Italien nur in vereinzelten Fällen nachzu-
weisen ist.

Merkwürdigerweise sind in Paderborn alle
drei Formen üblich gewesen; ein Zweifel
könnte allenfalls nur bezüglich des agraffen-
förmigen, metallischen Rationale herrschen, da
mir keine zweite Kirche bekannt ist, welche
von dem stofflichen zum metallischen Rationale
(und umgekehrt) übergegangen wäre. Letzteres
müßte aber in Paderborn der Fall gewesen
sein, wenn dort alle drei Formen zeitweise
üblich waren. Wenden wir uns zunächst daher
dieser dritten Form zu, obgleich sie in der Pader-
borner Kirche nicht die älteste ist. Über ihren
Gebrauch läßt das hier abgebildete Siegel711) des
Bischofs Bernhard III. v.J. 1215 wohl keinen
ernsten Zweifel aufkommen (Abb. 1). Deutlich

lorum Petri et Pauli, solemnitatibus B. Mariae, et
Omnium Sanctorum, natale Domini et Epiphania; in
consecrationibus quoque ecclesiarum infra tuam paro-
chiam necnon etiam ordinationibus clericorum, in
anniversario dedicationis Padelburgensis ecclesiae, et
in festivitate S. Liborii. — Vergl. Schaten, »Annales
Paderborn, ad. an. 1133«. Finke, »Westfälisches
Urkundenbuch« Nr. 42.

7) Cerf, »Dissertation sur le rational en usage
dans l'eglise romane et dans l'eglise de Reims«
(publiziert in »Travaux de l'academie de Reims«, 83
[1889] p. 240).

7a) Für die Erlaubnis, die fünf Siegel-Abbildungen
hier reproduzieren zu dürfen, bin ich Herrn Provinzial-
Konservator Ludorff zu Dank verpflichtet.
 
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