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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0137

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239

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 8.

24 0

tritt auf der Brust eine viereckige Verzierung
hervor, welche nur das Rationale sein kann,
wie ein Vergleich mit den Statuen der Kathe-
drale zu Reims beweist.8) An den beiden
unteren Ecken ist es mit kleinen, kugelförmigen
Troddeln versehen. In der Mitte der Platte
scheint eine Anzahl kostbarer Steine gruppiert
zu sein, wie es z. B. in Reims der Fall war;
möglicherweise ist es aber auch ein ,Agnus
Dei'. Ob wir es hier mit einem metallischen
oder stofflichen Ornatstücke zu tun haben,
läßt die Abbildung nicht genau erkennen, in-
des wird man es sich wohl als metallisch zu
denken haben analog dem Rationale zu Reims,
das aus einer mit kost-
baren Edelsteinen be-
setzten Goldplatte be-
stand. Die Art der Be-
festigung ist nicht sicht-
bar, anscheinend ist es
mit einer Schnur oder
mit einer goldenen Kette
um den Hals gehängt.9)
Man hat geglaubt,10)
und ich selbst habe
früher, freilich nicht
ohne Bedenken, diese
Ansicht geäußert,11) das
agraffenförmige Rationale
lasse sich in Paderborn
noch auf verschiedenen

anderen Monumenten ' SV»

nachweisen, so auf den

Siegeln der Bischöfe Bern- A

hard III. (+1223), Bernhard IV. (f 1247) und Si-

8) Bock, »Geschichte der liturgischen Gewänder«
II, 196 Taf. VI.

9) Auch das Reimser Rationale wurde an einer
goldenen Kette getragen. Vergleichungsweise setze
ich die Beschreibung dieses Rationale aus einem
alten Inventar v. J. 1470 hierher: Est unum magnum
et pretiosum rationale de puro auro, in quo sunt
duodecim lapides pretiosi diversorum colorum incussati,
in duodecim circulis aureis, in quibus scripta nomina
duodecim filiorum Israel et pendet ipsum rationale
cum una catena de auro circumdante humeros praelati,
in cuius catenae duobus lateribus instant admodum
pulchri duo lapides, dicti camayeux, incussati in auro
et a parte posteriori unus sat grossus cristallus.
Cerf, 1. c. p. 251.

10) Tumbült, »Die westfälischen Siegel des
Mittelalters? (Münster 1885) II, 1, 11. — »Zeitschrift
für christl. Kunst«, a. a. O. S. 103.

u) K lein seh m id t, »Das Rationale« (Separat-
Abdr.) S. 37.

monl. (+1277). Von ortskundiger Seite wurde
namentlich ein Hinweis meinerseits vermißt auf
einige Statuen im Südportale des Domes, im sogen.
Paradies, die ich bezüglich unserer Frage einer
wiederholten Prüfung unterzogen habe. Es
kommen hier vornehmlich drei Statuen in
Betracht, die hll. Liborius, Kilian und Mein-
werk (?), von welchen zwei auf der Brust
über der Kasel eine agraffenförmige Verzierung
tragen. Die Statuen machen einen fast archa-
istischen Eindruck; nach den Untersuchungen
Beißeis sind sie im dritten Viertel des XIII.
Jahrhunderts entstanden,12) während Nordhoff
die Frage aufgeworfen hat, ob wohl »einige
höchst eigentümliche un-
ter diesen Figuren noch
auf Mein werks Dom (1009
bis 1015) zurückgin-
gen.«18) Mag man sich
für die eine oder andere
Ansicht entscheiden- —
tatsächlich spricht sehr
viel gegen Nordhoff —
in jedem Falle wird es
mir schwer, in der frag-
lichen Verzierung ein
Rationale zu sehen. Zur
Zeit Meinwerks war das
Bistum noch nicht im
Besitze des Rationale, wie
hätte man also die Bi-
schofsstatuen mit dieser
Verzierung schmücken
1- können? Im dritten Vier-

tel des XIII. Jahrh. aber hatte nach Ausweis der
Siegel in Paderborn das Rationale die Form des
Schulterbandes. Es bliebe allerdings noch eine
andere Möglichkeit, die früher von mir und be-
sonders für die westfälischen Bistümer von Tum-
bült als Wirklichkeit bezeichnet worden ist, näm-
lich der gleichzeitige Geb rauch des me-
tallischen und stofflichen Rationale, das
letztere in der Form des erzbischöflichen Palliums.
Wie wir uns diese Verbindung zu denken haben,
veranschauliche ich durch die Abbildung des
Siegels Bischofs L u d o 1 f von Münster v. J. 1227
(Abb. 2). Ähnlich sind die bereits obenge-
nannten Siegel einzelner Paderborner Bischöfe.
Auf der Brust trägt Bischof Ludolf oberhalb

la) Beißel, in: »Stimmen aus Maria-Laach« LXV
(1903) 319. — Vergl. auch Reiche, »Das Portal des
Paradieses am Dom zu Paderborn«, Münster 1905-

13) »Bonner Jahrbücher« LXXXIX (1890) 1821.
 
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