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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0139

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243

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8,

244

Abb. 2). Es liegt als schmales Band auf den
Schultern, vorn hängt es bis über den Saum
der Kasel als langer, schmaler Behang fast bis
auf die Füße herab. Diese Länge zeigt deutlich,
daß es sich nicht etwa um einen Besatzstreifen
der Kasel handelt. Das erzbischöfliche Pallium,
mit dem es in der Form vollständig überein-
stimmt, kann es ebenfalls nicht sein, da diese
Auszeichnung dem Bischof Evergis nicht zu
teil geworden ist. Daß es der liturgische
Ehrenschmuck der Paderborner Bischöfe, das
Rationale, ist, darf man um so mehr annehmen,
da es auch anderswo in dieser Form auftritt, z.B.
in Würzburg und Toul.
Von einer genauem
Beschreibung der zwei-
ten Form des Schulter-
band - Rationale können
wir absehen, da wir sie
dem Leser auf dem Sie-
gel des Bischofs Will-
brand v. J. 1227 im
Bilde vorführen (Abb. 3).
Es ist auch hier ein
Schulterband mit Brust-
behang, letzterer ist aber
um die Hälfte gekürzt;
es gleicht fast dem mo-
dernen Pallium, von dem
es sich besonders durch
die fünf medaillonartigen
Verzierungen auf Brust
und Schultern unter-
scheidet. Diese runden
Verzierungen dürfte der
Siegelschneider durchaus der Wirklichkeit
nachgebildet haben, da sie uns mehrfach auf
mittelalterlichen Rationalien begegnen. Ich ver-
weise hier besonders auf das schöne Siegel
des Ludgerus-Stiftes zu Münster v. J. 1279
(Abb. 4), auf dem der hl. Ludgerus ein ähnliches
Ornatstück trägt wie Bischof Willbrand. Hiermit
will ich freilich nicht behauptet haben, die
Bischöfe von Münster seien eine Zeitlang im
Besitze des Rationale gewesen. Es wäre eine
dankbare Aufgabe für die Lokalforschung, dieser
Frage näher zu treten.19)

19) Außer den Siegeln der Bischöfe Werner
(t 1151), Ludolf (t 1248) und Werner (f 1260),
»Westfälisches Siegelbuch« Taf. I3, 43*, 443, käme
auch wohl in Betracht die Grabplatte des Bischofs
Hermann (f 1203) in Marienfeld (Abbild, bei Nord-
hoff, Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Kreises
Warendorf [1886] S. 144), womit zu vergleichen

Abb. 8

Die dritte Form des Schulterband-Ratio-
nale zeigt das Siegel des Bischofs Bernhard IV.
v. J. 1236 (Abb. 5); es ist eines der schönsten
Rationalien, die mir aus Abbildungen bekannt
sind. In gefälligen, fast zierlichen Linien die
Brust des Bischofs zierend, ist es selbst durch
reichen Schmuck ausgezeichnet. In Nachahmung
des alttestamentlichen Superhumerale sind die
zu den Schultern aufsteigenden Bänder an der
untern Seite mit kleinen Schellen versehen,
wie wir sie noch heute am Rationale im Dom-
schatze zu Regensburg sehen. Die Verbindungs-
stelle der beiden Schulterbänder trägt ein Me-
daillon, das mit einem
Agnus Dei verziert ist.

Dieses schöne Siegel
bietet uns meines Wis-
sens die letzte Darstel-
lung des Rationale zu
Paderborn im Mittel-
alter. Wir müssen volle
vierhundert Jahre voran
gehen, bis wir überhaupt
einerNachricht von unsrer
Insignie begegnen. Sie
stammt aus der Zeit des
großen Fürstbischofs Fer-
dinand IL von Fürsten-
berg. Dieser bat am
letzten Tage des Jahres
1665 den Papst Alexan-
der VII. um die Bestäti-
gung des uralten Privi-
legs und zugleich um die
Gunst, es an einigen Ta-
gen tragen zu dürfen, die in der Verleihungs-
urkunde nicht verzeichnet seien. Am 13. März
antwortete Alexander VII. und gewährte unter
Lobsprüchen auf die Tüchtigkeit des Bischofs
die doppelte Bitte; am 2. April sprach der Fürst-
bischof dem Papste für die gewährte Gunst
seinen Dank aus. Beide Briefe Ferdinands fand
ich im Vatikanischen Archiv, wo ich auch die
Bulle Alexanders kopieren konnte. Da beide
Briefe meines Wissens noch nicht publiziert
sind, bringe ich sie hier zum ersten Male in
der Anmerkung zum Abdruck

-"

)

wäre eine Miniatur des hl. Blasius vom Ende des
XII. Jahrhunderts bei Forrer, »Unedierte Miniaturen
des Mittelalters« 1902. Taf. 3.

20) Der erste Brief Ferdinands lautet: Beatissime
Pater. Singularis Sanctitatis Vestrae erga me et
Ecclesiam meam benignitas certam mihi fiduciam,
ut eius compos fiam, quod ad divinum cultum et
 
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