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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0149

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261

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

262

den Kunsthändler Seligmann in Paris fiel. Im
Gegensätze zu Molinier, der für Limoges ein-
sät, hielt man in Deutschland das Prachtstück
'Ur niederländische Arbeit vom Ende des
XV. Jahrh.,2) eine Annahme, welche durch das
Aachener Bild bestätigt scheint. Vielleicht steht
dessen Urheber mit demjenigen, der dem Gold-
schmiede den Entwurf lieferte, in sehr naher
Persönlicher Beziehung, denn bei genauem Zu-
sehen findet man das aufsteigende Rankenwerk
des Bechers, in welchem Affen umherklettern,
zwar nicht auf dem Gefäße der Herodias, wohl
aber auf deren — Haube wieder, so daß man
jenen etwas vordatieren
müßte, in den Anfang
des XVI. Jahrh., etwa
um 1510.

Das Bild ist auf das
zierlichste und sorgfäl-
tigste in allen Einzelheiten
durchgebildet. Aber ob-
gleich der Meister in den
verwickelten Mustern der
Stickerei, im Schmucke
des Bechers förmlich
schwelgt, das Laub der
Bäume peinlich tipfelnd
aufträgt, im Brokatge-
wande jeden Faden, im
härenen Gewände des
Täufers fast jedes Haar
für sich wiedergibt, stört
er dadurch nicht die Ge-
schlossenheit der Stim-
mung, die Einheitlichkeit
der Darstellung. Die
leidenschaftslose Kühle,
das Pflegma des Ausdruckes stimmt vortieff-
lich zu dem matten , ruhigen Kolorit, auf
welchem ja auch hier vorzugsweise die
seelische Wirkung beruht. Es sind feine, ge-
brochene Töne, die der Meister im Gegensatze
zuderEyckschen Schule anwendet. Die Vorherr-
schaft hat schon hier die für die Holländer
kennzeichnende Skala vom kühlen Gelb bis
zum warmen Braun, belebt durch verschiedene
Arten von Blau, darunter ein besonders vor-
nehm wirkendes Lichtblau. Leidenschaftliche

Becher in der Hand der Herodias.

2) Siehe Katalog der Sammlung Thewalt, Tafel
XIV, Fig. 989, Text S. 67.

Farben, wie Rot und Rotgelb, welche die Ruhe
der Komposition stören könnten, sind fast ganz
vermieden.

Mit dem Bilde beschäftigte sich in der Lite-
ratur zuerst Franz Dülberg in seiner 1898 er-
schienenen Dissertation über die Leidener
Malerschule. Er schreibt es, wohl auf Max
J. Friedländers Anregung hin, bestimmt dem
Cornelis Engelbrechtsen zu, dem Hauptmeister
der Leidener Schule im ersten Viertel des
XVI. Jahrh. und Lehrer des bedeutendsten
Renaissancemeister von Holland, des Lukas von
Leiden. Dagegen ist Scheibler mehr für Lukas
und hat seine gewichtige
Stimme noch vor kurzem
in diesem Sinne abge-
geben, nachdem er mir
gegenüber schon vor sechs
Jahren mündlich, dann
1903 in der Denkschrift
des Aachener Museums-
vereines seine abweichen-
de Anschauung begründet
hatte.3) Während er die
gleichfalls im Aachener
Museum befindliche, be-
deutend geringere Kreuz-
abnahme, die Engelbrecht-
sens gewöhnliche derb-
knochige, etwas bunte
Art zeigt, immer für ein
echtes Werk des Meisters
hielt, schien ihm das
Herodiasbild gerade gut
genug, um seinem weit
bedeutenderen Schüler als
vortreffliche Leistung zu-
geschrieben zu werden. Trotz der großen
Unterschiede, die man bei Engelbrechtsens
Schöpfungen sowohl im Stile, wie in der
Qualität findet, sei ihm doch ein Bild, das so
ganz auf der Höhe von Lukas' besten Arbeiten
stehe, bei jenem noch nicht vorgekommen.

Nun scheint aber doch das Aachener Bild,
in welchem Engelbrechtsen fast seinen Schüler
erreicht, zwar in der Qualität vereinzelt, im
Stile aber nicht ganz unvorbereitet zu sein.
Die Darstellung aus der Legende der Kreuz-



') Im Repertorium f. K. 1904, S. 5S2. Aachener
Denkschrift S. 30.
 
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