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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die gravierten Metallschüsseln des XII. und XIII. Jahrhunderts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0167

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295

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

296

weichend von den genannten Exemplaren, ein-
zelne Sünden durch handelnde Personen ver-
anschaulicht. Die erste Szene zeigt einen
Mann im Profil auf einem Thronsessel mit
verbundenen Augen und einer Narrenkrone,
wie auf einer der Genter Schüsseln. In der
Rechten schwingt er eine Hellebarde in der
Form des XII. Jahrh. Bezeichnet idolaitia.
Daneben zwei Männer an einem Tische, auf
welchem Teller und ein Fußbecher mit spitzem
Deckel stehen. Die Männer sind in Streit ge-
raten, der eine schwingt ein Beil, der andere
eine Keule. Beide tragen Narrenkronen. Die
Formen der Stühle deuten auf das Ende des
XI. und den Anfang des XII. Jahrh. Es ist
aber nicht ausge-
schlossen, daß die
Schüssel einige Jahr-
zehnte später ent-
standen ist, da die

Goldschmiede und

Kupferschläger oft
ältere Muster nach-
bildeten. Bezeichnet
ebrielas. Die dritte
Szene schildert den
Zweikampf von Rittern
mit Topfhelm, ovalem,
in eine Spitze aus-
gehendem Schilde und

breitem Schwerte.
Beide stehen dicht
einander gegenüber.
Vielleicht Darstellung
der ira oder invidia. Außerdem ist die Mittel-
figur in Verkleinerung am Rande zweimal als
Trennung der Szenen wiederholt. Hie und da
regelloses Pflanzenornament. Die Arbeit ist
sehr schlecht. Für die Herkunft der Schüssel
ist die Tatsache von Belang, daß Guben im
frühen Mittelalter vom Niederrhein aus be-
siedelt wurde.

In der besprochenen Gruppe von Schüsseln,
welche mit Ausnahme der letzten auf das
Schema frühromanischer Kelchpatenen zurück-
gehen, finden wir demnach solche, bei welchen
die Rose in Gestalt eines doppelten Vier- bis
Sechspasses deutlich entwickelt ist und andere,
bei welchen das Rosettenschema aufgegeben
und nur die Mitte durch Umrahmung hervor-
gehoben ist. Daß diese Art aus ersterer ent-

Abb. 6

standen ist, liegt auf der Hand. Die Rosette
ist entweder aus ein- oder mehrfachen Zirkel-
schlägen gebildet (Fig. 2, 3) oder aus Strick-
reifen (Fig. 4). Das Ornament in den äußeren
grösseren Blättern ist botanisch kaum zu be-
stimmen. Jeder Zwickel enthält zwei langge-
stielte, aus Blättern hervorwachsende Blumen-
kelche, welche tulpenartig oder dreilippig oder
fächerförmig ausgebreitet, in allen Fällen aber
senkrecht gestrichelt sind. Bei den verhältnis-
mäßig besser gearbeiteten Exemplaren mit
linearen Kreisumrahmungen stehen zwischen
den Rosenblättern kleine lanzettförmige hervor,
welche die äußeren Deckblätter darstellen (Fig. 2,
3). Bei anderen tritt an ihre Stelle ein den
ganzen Zwischenraum
füllender, fächerförmig
ausgebreiteter Blumen-
kelch in Profilansicht.
(Fig. 4). Der Rand ist
glatt, mit Grasbüscheln
oder gepunzten Punk-
ten verziert.

In der Auswahl der
Tugenden und Sünden
tritt keinerlei System
hervor,auch nicht etwa
eine direkte Gegensätz-
lichkeit zwischen bei-
den weder auf den
Gegenstücken noch
auf den beide Arten
vereinigenden Exem-
plaren. Die drei gött-
lichen Tugenden sind viermal vereint ge-
nannt, freilich mit Zusatz einer vierten Tu-
gend (München, Ofen-Pest, Lübeck, Lund),
von den Kardinaltugenden drei vereinzelt:
iustitia, fortiludo, prude.ntia (Gent, Lübeck,
Aachen). Dagegen sind die sieben Todsünden
vollständig vertreten. Dazu kommen einerseits
allgemeine Bezeichnungen, wie peccatum und
dolus, gleichwertig mit bestimmten Sünden
gebraucht, andererseits eine Reihe von Vor-
zügen des Geistes und der Seele, die von
keinem Kirchenlehrer zu den Tugenden im
strengeren Sinne gerechnet werden. Die
Namen sind auf allen Exemplaren dieser Gruppe
in spätromanischen Kapitalbuchstaben ausge-
führt, wobei A und G bereits an die Gotik
anklingen, B und 6 abwechselnd gebraucht,
 
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