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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die gravierten Metallschüsseln des XII. und XIII. Jahrhunderts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0168

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297

1905.— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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einzelne Buchstaben in bloßen Haarstrichen,
die meisten mit Verdoppelung, wenn nicht
Verdreifachung der Schattenstriche dargestellt
werden. Dies, sowie die Trachten, Waffen
und Rüstungen deutet auf einen Zeitraum von
der Mitte des XII. bis zur Mitte des XIII.
Jahrh. Größe und Gestalt der Schüsseln zeigen
nur ganz geringe Abweichungen voneinander,
die Technik, insbesondere die der Gravierung,
schwankt zwar in der Qualität, aber nicht im
Charakter. Bei allen mit dem Rosettenschema
versehenen Stücken sind die Kreise zu Beginn
der Arbeit mit leicht ritzender Zirkelspitze
vorgezogen und dann mit dem Grabstichel
teilweise verstärkt. Die Figuren sind mit
spitzer Punze und Hammer ausgeführt, zumeist
tiefer als die Umrahmung und das Zwickel-
ornament, welches in leichten Strichen ohne
sonderliche Berechnung hingeworfen ist. Bei
vielen Stücken zeigt sich Unsicherheit und
Mangel an Übung, während andere bei aller
Derbheit eine flotte und energische Hand ver-
raten. Es scheint, daß die ganze Gruppe an
einem und demselben Orte und wenn auch
nicht aus einer Werkstätte, so doch aus solchen
stammt, die neben- oder kurz nacheinander
nach gleichen Mustern arbeiteten. Die Ver-
fertiger stehen künstlerisch etwa auf derselben
Höhe wie die Graveure der etruskischen Spiegel,
d. h. es sind mehr oder minder geschickte
Handwerker, welche eine geringe Auswahl von
Motiven stets aufs neue wiederholen.

Das Material ist entweder reines Kupfer
oder Bronze, d. h. Kupfer mit Zusatz von
Zinn und manchmal noch mit kleinen, viel-
leicht zufälligen Beimengungen anderer Metalle,
worunter auch einmal Zink festgestellt ist. Die
ursprüngliche Vergoldung ist bei den meisten
Stücken noch heute nachweisbar.

Aus der Gruppe von Schüsseln mit Dar-
stellungen von Tugenden und Sünden hat sich
eine andere, sehr zahlreiche entwickelt, welche in
Material, Größe, Gestalt und Bearbeitung mit
ersterer übereinstimmt, im Dekorationsmotiv
aber bis zur Bedeutungslosigkeit herabgesun-
ken ist. Einige Exemplare vermitteln zwischen
beiden. Auch sie zeigen Brustbilder, fünf,
manchmal nur vier an Zahl, das Mittelbild,
welches sich von den seitlichen in nichts unter-
scheidet, mitgerechnet. Die Zeichnung ist von
kindlicher Naivetät. Die Köpfe sind sämtlich

im Profil und mit einer Art Schiffermütze
versehen, die aus der ungeschickten Behandlung
des Haares auf den Schüsseln der früher ge-
schilderten Gruppe hervorgegangen ist. Sie
hat ja auch neuere Erklärer zu Mißverständ-
nissen (Kopf binde, Turban) verleitet. Die Ge-
stalten, an deren Schultern das Gewand wie
ein weiter, senkrecht gestreifter Kragen herab-
hängt, haben Flügel an den Schultern, die fast
wie Fahnen aussehen (Fig. 5, C). An Stelle
der Kreislinien und Strickreifen treten ge-
flammte Zickzackbänder, an Stelle der früheren
Zwickelfüllung ausschließlich jene fächerartigen
Gebilde, die wir schon auf der Schüssel von
Lund (Fig. 4) kennen gelernt haben, in Ver-
bindung mit Strahlenkombinationen. Zumeist
aber sind die Brustbilder ohne jede Vermittlung
zusammengeschoben, woraus sich ein trotz
allen Ungeschickes sehr originelles Ornament
ergibt, das uns ganz modern vorkommt.25)
Die meisten Schüsseln dieser Art werden im
Osten Deutschlands und in den russischen
Ostseeprovinzen gefunden. Bisher sind fol-
gende bekannt geworden:

Schüssel im Gewerbemuseum zu Lübeck,
mit der früher erwähnten gefunden. Sie steht
der ersten Gruppe mit ihrem deutlich ent-
wickelten Vierpaß aus Zickzackkreisen am
nächsten (Abb. 5). Am Rande Grasbüschel.24)

Zwei Schüsseln im schlesischen Museum
für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau.
Gefunden 1891 auf dem Zobtenberge.25) Eine
Schüssel war in die andere hineingestellt.
Bronze (Kupfer und Zinn, mit etwas Blei und
Eisen) vergoldet. Die eine ist ganz ähnlich
der vorigen. In den Zwickeln auseinander-
gehende Strahlenbüschel. Die andere zeigt
nur einen Dreipaß mit vier Flügelgestalten.
Die mittlere ist mit einem doppelten Strickreif,
die seitlichen durch leichte Zirkelschläge ein-
gefaßt. Auf dem Zobtenberge stand seit 1108 ein
Kloster der Augustiner-Chorherren, welches von
Arrovaise in Flandern aus besiedelt worden ist.

fs) Es ist kein Zufall, dass sich die moderne
Kunst, die losgelöst von der Überlieferung, naiv
schaffen will, oft mit der primitiven berührt. Man
denke nur an die Malerei der Skandinavier und Finn-
länder, an Gerhard Munthe, Valgreen,
Torop u. a.

24) Grempler a. a. O.

25) Ders., »Schlesiens Vorzeit« V, Abb. Tafel II.
 
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