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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Braun, Joseph: Ein Kölner Nadelmaler des XVII. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0173

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307

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10 .

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meist in Gold, doch auch in einer Art von
Lasurtechnik und Seide ausgeführte Bossage-
stickereien, die in schroffem Kontrast zu der
Zartheit der das Kreuz und den Vorderstab
füllenden Flachstickereien stehen, derbe, breite,
akanthusähnliche Barockranken, untermischt mit
Früchten, denen sich als Vertreter der animalen
Motive ein naturalistisch gezeichneter Papagei
zugesellt hat. Die Art und Weise, in der diese
Ornamente gearbeitet sind, ist dieselbe, in
welcher die Stickereien der vorhin besproche-
nen und oben abgebildeten Kasel ausgeführt
sind, die scharf betonten, dunkelroten Konturen
mit einbegriffen.

Das bedeutendste Stück von allen ist übrigens
das Antependium (Abb. 3 u. 4). Für den Hoch-
altar bestimmt, hat es bei einer Höhe von ca.
1 m eine Länge von ca. 372 m- Wie aus der
Abbildung erhellt, ist es mit einer Folge von fünf
rundbogigen Arkaturen geschmückt, deren jede
eine Heiligendarstellung in offener Landschaft
enthält. Unter dem Bogen in der Mitte sieht
man die Gottesmutter mit den Jesuskind auf
einem Throne sitzend; unter denen zur Rechten
knien St. Franziskus und St. Stanislaus, unter
denen zur Linken St. Ignatius und St. Aloysius.
Die Pfeiler, auf denen die Bogen ruhen, sind
mit karyatidenartigen Engelgestalten geschmückt,
die auf einem mit Widderköpfen und einer
Girlande verzierten Sockel stehen. Den Raum
oberhalb der Arkaturen füllen in steter Wieder-
holung schwere Girlanden und mächtig vor-
springende Fruchtbüschel, die von einer einen
geflügelten Engelskopf aufweisenden Kartusche
herabhangen. Über den Girlanden, welche
über den seitlichen Bogen angebracht sind, ge-
wahrt man als Symbol des Himmelslohnes und
der Himmelsherrlichkeit der darunter darge-
stellten Heiligen eine Krone in Verbindung
mit einem Palm- und einem Lorbeerzweig, über
der mittleren dagegen eine Taube als Symbol
des hl. Geistes. Den Abschluß an den beiden
Enden des Antependiums bildet ein auf dem
Schlußpfeiler sitzender Engel, der an einem Band
einen Baldachin und an diesem ein Frucht-
büschel trägt. Karyatiden, Engel, Girlanden,
die Krone mit Palme und Lorbeer, die Taube,
die Bogenumrahmungen und Konsolen, die
karyatidenartigen Engel auf den Pfeilern erheben
sich in stärkst bossiertem Hochrelief über dem
Goldfond des Antependiums, dagegen sind,

ähnlich wie bei dem eben beschriebenen Kasel-
kreuz, die figürlichen Darstellungen mit alleiniger
Ausnahme der feinen, in leichter Bouillon-
stickerei gearbeiteten Goldornamente auf der
Kasel der hl. Ignatius und Franziskus durchaus
in Flachstickerei ausgeführt und zwar ist bei der
Landschaft, dem Himmel, den Wolken und den
Fleischpartien der Atlasstich, bei den Bäumen,
Gesträuchen und Blumen der unregelmäßige
Plattstich oder Flammenstich, bei der Gewan-
dung endlich der Köperstich und eine Abart
der Lasurtechnik, die sogen. Abdecktechnik, zur
Anwendung gekommen.2) Ungemein harmo-
nisch und stimmungsvoll ist die Farbengebung
der Bilder; selbst im ursprünglichen Zustande,
als die Farben noch nicht so verblichen waren,
als sie es jetzt sind, muß die Wirkung eine
sehr befriedigende gewesen sein, trotzdem keine
modernen abgeblaßten, gemischten Farbentöne,
sondern recht kräftige und reine Farben ge-
braucht worden sind.

Hervorgehoben zu werden verdient, daß
bei den Reliefstickereien des Antependiums
ein dreifacher Goldfaden angewendet ist —
eine Eigentümlichkeit, die allerdings nicht ihm
allein zukommt, sondern auch bei den Gold-
stickereien der übrigen Paramente wieder-
kehrt, zunächst der gewöhnliche dicht mit
Lahn umsponnene Faden, dann ein Faden, der
halbdicht mit ihr umwickelt ist und endlich
ein Faden, bei dem die Spiralen der Lahn
wenigstens um die Breite der letzteren von-
einander abstehen. Da bei den beiden letzten
Arten des Goldfadens die farbige Seele mehr
oder weniger zwischen und neben dem Gold-
riemchen zutage tritt, erhalten die mit ihnen
ausgeführten Stickereien das Aussehen von
Lasurstickereien, das in einzelnen Fällen so
täuschend wirkt, daß man sie nur beim ge-
nauen Zuschauen von wirklicher Lasurstickerei
unterscheiden kann. Eine ähnliche Wirkung
wurde bei der Verwendung von dicht um-
sponnenen Goldfäden dadurch erzielt, daß man
die Stichreihen abwechselnd in farbiger Seide
und in Gold ausführte.

Als Fond des Antependiums und ebenso der
Kapelle diente vor der Wiederherstellung hell-
blauer Taffet. Er war indessen nicht mehr der ur-
sprüngliche. Reste, die sich bei der Restau-

2) Vergl. J. Braun, »Winke zur Anfertigung und
Verzierung der Paramente« S. 139.
 
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