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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Atz, Karl: Hochgotischer Marienaltar in Stams
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0181

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Abhandlungen.

Hochgotischer Marienaltar in Stams.

(Mit Tafel X.)

|ls ausschließlich auf Maria be-
| zogenes Altarwerk ist dieses
| in Stams (Nordtirol) befind-
| liehe Flügelbild,') das innen
wie aussen nur Gemälde
bietet, ein treffliches Ana-
logon zu den in dieser Zeit-
schrift besprochenen „De-
fensoria inviolatae virginitatis b. Mariae". Wir
machen auf dieses alte Kunstwerk um so
lieber aufmerksam, weil es einer der bisher
in deutschen Ländern bekannten ältesten Ver-
suche ist: „die Jungfräulichkeit Maria" durch
mehrere, zur Zeit allgemein bekannte Symbole
in eigenartiger Zusammenstellung näher zu be-
leuchten. Die anderen Bildwerke ähnlichen
Inhalts z. B. zu Nürnberg (St. Sebald und Lo-
renzkirche), Neuwerk bei M.-Gladbach, zu
Gandau bei Breslau u. s. w. gehören erst der
zweiten Hälfte des XV. Jahrh. an, während
der Altar im Zisterzienserkloster Stams den
ersteren Dezennien derselben Kunstepoche an-
gehört, der die kleine Tafel des Bonner Pro-
vinzialmuseums (»Zeitschrift f. christl. Kunst«
1903, S. 355 ff.) entstammt. Der Klosterchronist
P. Kassian Primisser berichtet nämlich in seinen
„Additiones ad Annales Stamsenses", tom. IV.,
c. XXVIII, p. 47:

Eodem anno (1426) parentes Fratris Christo-
phori Heuperger, Monachi et Sacerdotis in
Stambs tabulam artificiosam „in defensionem
virginitatis B. Mariae" pingi curarunt et super
altare s. Martini collocarunt. Genus matris est
incognitum. (Scuta duo appixta, alterum sepem
et post eam duos personas stantes et orantes
referens, certo Heupergicum; alterum exhibens
unum pedem aquilae vel alterius avis, haud
dubie maternae familiae fuit.) Floruit inter ce-
teros fratres, vel potius prae caeteris fratribus,
F. Christophorus Heuperger eximius B. Virginis
amator; hie in eius virginei partus laudem et
defensionem haec hieroglifica exeogitavit, quae
postmodum — sive per se ipsum sive per
alium nescio — picturis fuerunt illustrata, ut

') Auf die zuvorkommendste Weise stellte uns
Abt Mariacher selbst alle möglichen Notizen und
Photographien zur Verfügung".

patet ex sequentibus litteris tabulae (quae nunc
in altari s. Martini visitur) exaratis.

„Anno Domini MCCCXXVI."
,,Hanc per figuram noscas castam genitutam,
quae portenta atiimalium est manifesta."

Et retro:

„Per Fr. Christophorum Heuperger in Stams pro-
fcssum hec est conscripta tabula et comparata, et in Vi-
gilia Annunciationis Mariae completa." l)

Bemerkenswert ist, daß eine Tafel der
Galerie zu Schleißheim im wesentlichen da-
mit übereinstimmt. Es kehren dieselben Dar-
stellungen wieder. Im Mittelbild finden wir
aber nur einen Engel und diesen nicht „Gloria
in excelsis" singend, sondern einen Teppich
hinter der heiligen, das Kindlein bewundernden,
nicht anbetenden, Jungfrau haltend. Die Ver-
| kündigung fehlt gänzlich; außerhalb des Stalles
wandelt nur ein Mann (Hirt?) über eine lieb-
liche Landschaft dahin. Die ganze Tafel ist
überhaupt mehr landschaftlich, unter starkem
niederländischen Einfluß behandelt und verrät
sofort ihre spätere Ursprungszeit. Die einzelnen
Darstellungen sind nicht durch Rahmen abge-
teilt, sondern hart und unmittelbar aneinander-
gereiht, was hier und da nahezu stört. An
den Charakter eines Flügelaltars erinnert hier
nichts mehr.

Bei näherer Betrachtung der Größenverhält-
nisse des Stamser Altars nach beigefügtem Schema
ergibt sich, daß er sehr schlank gebaut ist; 1 m
Breite steht einer Höhe von 2,50 m gegen-
über; infolgedessen konnten auch die Flügel
nur sehr schmal ausfallen. Die Haupttafel hat
unten und oben der Quere nach eine Abtei-
lung, deren Höhe der Hälfte ihrer Breite gleich-
kommt und jede derselben zerfällt in drei
gleiche Felder. Der übrig gebliebene Mittel-
raum zeigt ein übereck gestelltes Parallelo-
gramm für das Hauptbild. Die Nebenflächen
zwischen Parallelogramm und Außenumrah-
mung zerfallen in vier größere und vier klei-
nere Abteilungen oder Felder, und diesen ent-
spricht auch die Einteilung der Flügeltüren.

') Die Inschrift auf der Rückseite der Mitteltafel
wird heute leider durch einen späteren Überzug mit
Ölfarbe ganz verdeckt. — Die Familie Heuberger
war in Hall bei Innsbruck ansässig und ließ den
Altar wahrscheinlich durch einen Maler der Umge-
bung ausführen. Näheres über den Meister ist leider
noch nicht bekannt worden.
 
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