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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Atz, Karl: Hochgotischer Marienaltar in Stams
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0182

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323

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

324

Jede Abteilung wird nur durch schmale rote
Einfassungsleisten, die mit gelben Sternen be-
setzt sind, gebildet; unten und oben werden
die Haupttafel, wie die Türflügel auch auswärts
durch breitere Leisten eingefaßt, die mit
größeren, verwandten Blumen verziert sind.

Das Hauptbild A. in der Mitte der Tafel
stellt Maria dar, wie sie das neugeborene Kind-
lein demütig anbetet. Weil die heilige Jung-
frau nicht allein dargestellt ist, sondern zugleich
mit ihrem Kinde, so beschränken sich die
Vorbilder und Tierbilder nicht ausschließlich
auf ihre Jungfrauschaft, sondern suchen ebenso
die Würde ihres Sohnes zu versinnbilden, dem
die Mutter ihre Unversehrtheit verdankt. Sie
kniet vor demselben in möglichst aufrechter
Haltung des schlanken Kör-
pers, die Hände gefaltet,
das fein gerundete Haupt
ein wenig vorgeneigt, von
einem ziemlich hochgezoge-
nen Nimbus umgeben. Die
von einem Bande zusammen-
gehaltenen Haare fließen
weich geordnet weit über
die Schultern hinab. Die
ganze Figur wird von einem
weiten Mantel blauer Färbung
mit gelber Bordüre so um-
hüllt, daß das Kleid kaum
vorne an den Ärmeln sicht-
bar ist. Das unbekleidete
Kindlein ruht in der Krippe
in einer von Strahlen umgebenen Mandorla.
Die Szene geht im Stalle zu Bethlehem vor
sich, dessen Dach auf vier schlanken Balken-
stützen ruht. Unter dem Dache ist bereits
eine Unzahl von Engeln erschienen, um das
Gloria in excelsis anzustimmen, wie auf einem
Spruchbande angeschrieben steht. Außerhalb
des Stalles schwebt eine liebliche Engelgestalt
hernieder und bringt den Hirten die frohe
Botschaft von der Geburt des Heilands. Zwei
der Hirten hat der alte Meister abgebildet in
der Stellung, wie sie in eifrigem Gespräche
bereits zur Krippe eilen.

Die Hauptmomente aus dem alten Bunde
für Mariens Jungfräulichkeit treten in den
vier Ecken neben dem Parallelogramm auf:
a) Aaron sacerdos, mit dem blühenden Man-
delzweig, den Mantel über das ehrwürdige
Haupt geworfen. Auf dem Spruchband in
seiner Rechten steht zu lesen: Numeri XVIUt:

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Schema des Stamser Altars

Germinabit virgo eins quem e/egero et amydala
produi (et), b) Gegenüber sehen wirGedeon
victor, im Halbprofil mit helmarti^er Kopf-
bedeckung, um ihn als Krieger, und in reich-
gesticktem Kleide, um ihn als Anführer zu
bezeichnen. Vor ihm liegt das ausgebreitete
Lammfell. Mit beiden Händen hält er sein
Spruchband, worauf die Worte stehen: Des/endet
sicut pluvia in vellus et sicut slillicidia. In der
Höhe zeigt sich eine Wolke, den herabfallenden
Tau zu versinnbilden.

Unten links c) ist die Ecke mit der majestä-
tischen Gestalt des Heerführers Moses aus-
gefüllt. Wie vornehmes Kleid zeichnet ihn
auch tiefernster Gesichtstypus aus, wozu der
Haarwuchs an Bart und Haupt in Verbindung
mit den förmlichen Hörnern
nicht unwesentlich beiträgt.
Mit ausgebreiteten, einladen-
den Händen erscheint vor
ihm der Herr im brennenden
Busche. Das dem Ganzen
beigefügte Schriftband besagt
folgendes: Capitulo III libri
exodi: Vadam et videbo visi-
onem hanc magnam rubi.
Auf der vierten Ecke, d) weist
Prophet Ezechiel mit der
Rechten auf einen ver-
schlossenen Turm, den er in
der Linken hält, und erklärt
dessen Bedeutung auf dem
Spruchbande mit den Worten:
Ezechiel XLIIII: Porta clausa erit et non
aperielur et vir non intrabit. Des großen
Sehers Haupt gab der Künstler noch großartiger
wieder, als er dies bei Aaron anstrebte.

In den vier kleineren freien Flächen um
das Hauptbild werden ohne beigefügte In-
schriften dargestellt:

1. Der Phönix, der sich verbrennt, aber nicht
zugrunde richtet, sondern neu belebt.

2. Der Pelikan, seine [Jungen mit dem
eigenen Herzblut ernährend.

3. Das Einhorn, das in den Schoß der
Jungfrau sich geflüchtet hat und bei ihr Schutz
sucht.

4. Ein Löwe, seine toten Jungen anhauchend,
um sie neu zu beleben.

Auf die obersten Symbole übergehend be-
gegnet uns zunächst

5. Der Vogel Carista, in Flammen
stehend; der darüber stehende Text ist nur
 
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