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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Atz, Karl: Hochgotischer Marienaltar in Stams
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0184

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327

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

328

18. Zwei gleiche Vögel, von denen einer
tot am Boden liegt, der andere mit dem
Schnabel sich das Gefieder ordnet, nachdem
er neues, schönes Gefieder wunderbarerweise
wiedererlangt hatte. Inschrift: In libris de na-
turis animalium st. Albertus cap. XXIV.

Isida (Hispida?) si mortua sc replumare valet,
Cur absque viri copula virgo non generare t? )
Es erübrigt noch, die Figuren mit den
großen Inschriften auf den Ecken der Flügel-
türen in Betracht zu ziehen. Hier sind vier
heilige Schriftsteller dargestellt, welche be-
sondere Bedeutung für die Lehre der Mensch-
werdung Christi beanspruchen: der Evangelist
Johannes, St. Ambrosius, Thomas von Aquin
(wahrscheinlich wegen seines Tractatus de in-
carnatione) und Augustinus.

I. Über der Heiligenfigur steht: Marcus
evang. Der Text lautet: Lucas II, 19: Maria
cotiservabat omnia verba hec. Glossa.....Jo-
hannes. In principio erat verbum et verbum caro
factum est.

II. Text: Ambrosius in exaemeron libro V,
capite XX: Quid aiunt (dicuntj qui solent nostra
ridere (irridere) mysteria, cum audiunl, quod
virgo generavit et impossibilem innuplae, cuius
pudorem mala viri consuetudo temerasset, existi-
mant partum {cur) impossibile putatur in dei
matre, quod in vulturibus possibile non negatur,
avis sine masculo parit et nullus refellit, et quia
desponsata viro {virgo) Maria peperit, pudoris
eius faciunt quaestionem.

III. Über der Heiligenfigur: Augustinus.
Text: Augustinus libro tertio de mirabilibus
sacre scripture capite secundo.2)

Quamvis contra cunctorum hominum con-
ceptionis consuetudinem absque 7>iri semine et
carnalis oblectamento voluptatis virgo concepit et
sine dampno sue virginitatis peperit, hec res
tarnen sine exemplo nature nova, id est in crea-
turis nondum erat, nam multa animalia absque
parentum coitu propignere coinquam.

') Albertus magnus 1. c. no. 57 scribit: Hispida
avis est pulchra, quae germanice Isvogel vocatur; in
dorso colorem habet medium inter viridem et caeru-
]eum, qui cum radius solis incidit, saphirini coloris
esse videtur; in pectore colorem habet carbonum
ardentium ... de hoc dicunt, quod pellis eius de-
tracta et parieti infixa mutat pennas annis singulis ;
sed probavi in quibusdam verum non esse. Die
Farbe der Vögel stimmt auf unserem Bilde; vielleicht
liegt am Boden nur der Balg.

2) Dieses Buch wird bekanntlich nur fälschlich
dem hl. Augustin zugeschrieben, findet sich jedoch
in älteren Ausgaben seiner Werke.

IV. Über der Heiligenfigur: Thomas de
Aquin. Text vermutlich: Ausculta o amator
beatissime dei genetricis marie mira et stupenda
a mundi philosophis contestari. admirare, vir-
giuem concepisse a spiritu sancto atque iniusli-
tiam illorum et inalitiam pariter pensa, qui hoc
negant de potentia dei immensa, quod confiteri
non verentur de avium et aliorum animalium
communi nascitura. sie apes sine parentum coitu
ex matrum corporibus tarnen creseunt {naseuntur ?).
Die Außenseite einer jeden Flügeltür zer-
fällt in drei gleiche Felder. Die zwei obersten
und einander gegenüberstehenden sind mit
Cherubim bemalt. Diese zeigen lieblich schöne,
mit dem Nimbus versehene Köpfe, feine, aber
wenig schattierte Gesichtszüge. Die Hände
sind zur Anbetung gefaltet, treten aber hinter
den Flügeln unbedeutend vor. Von einem
Engel sind auch die Füße noch sichtbar und
stehen auf einem Rade, welches vielleicht an-
deuten sollte, daß dieser Engel zur Ordnung
der Throne zu zählen sei. Die Flügel beider
Himmelsgeister hat P. Chrystophorus Heuperger
überreich mit Inschriften versehen. Zu oberst
eines jeden der sechs Flügel steht ein Titel,
der zu den Schriften stimmt, welche auf den
scharf angedeuteten Federn stehen. Es sind
eine Art Wahlsprüche zu einem frommen
Mönchsleben. Z. B. Titel: Dilectio. Darunter
stehen folgende Sinnsprüche: Omnia propter
dominum relinquere. Proprie voluntati renun-
ciare. Aliena non coneupiscere. Ab/ata restituere.
Im dritten Felde links (für den Beschauer)
folgt eine Abbildung von Johannes Ev. und
neben ihm kniet ein Zisterziensermönch mit
dem Pilgerstabe, daran die Pilgerflasche hängt.
Dieser Mönch dürfte wohl P. Christophorus
Heuperger selbst sein, auf dessen Bitte seine
Eltern den Altar anfertigen ließen. Gegenüber
im vierten Felde finden wir Johannes d. T. als
Patron von Stams. Das fünfte Feld enthält
das Bild der hl. Agnes mit dem Lamme; links
von ihr kniet ein Edelmann (?) und hält ein
Spruchband, worauf zu lessn ist: Ora pro nie
saneta Agnes quia dulcis et clemens. Die sechste
Abteilung zeigt uns die hl. Barbara mit dem
Kelch; rechts neben ihr ist ein Mönch in der
Cuculla abgebildet und hat gleichfalls ein
Spruchband in der Hand; die Worte auf dem-
selben lauten: Ora clemens Barbara ut mereas . . .
Die Bemalung der Außenseite zeigt, daß es
sich um einen Votivaltar handelt.

Terlan. Karl Atz.
 
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