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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Witte, Fritz: Romanische Dekoration in der Kilianskirche zu Lügde bei Pyrmont
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0199

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355

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

356

Romanische Dekoration in der Kilianskirche zu Lügde bei Pyrmont.

(Mit 3 Abbildungen.)

i man in neuerer Zeit unter der
großen Zahl neuer Kirchen häufig
wieder auf solche in romanischem
Stile stößt, wird es freudig zu be-
grüßen sein, wenn irgendwo abseits von der
großen Heerstraße unter schützender Tünche
alte romanische Wandmalereien entdeckt wer-
den, die uns in unserer oft nicht geringen
Hülflosigkeit Fingerzeige bieten, wie die Aus-
schmückung solcher Kirchen anzufassen ist.
Wandmalereien größeren Umfanges aus der
romanischen Periode sind in genügender An-
zahl weitesten Kreisen bekannt, wir erinnern
an Hildesheim, Soest (St. Patrokli, Nikolai,
Maria zur Höhe) usw.,
kleinere Kirchen aber,
die wirklich brauch-
bare Vorbilder abgeben
könnten, dürften weni-
ger bekannt sein. —
Fünf Minuten von dem
Städtchen Lügde,ganz in
der Nähe des bekannten
Badeortes Pyrmont, steht
auf einem kleinen Hügel,
umgeben von regellos
daliegenden Grabstei-
nen und Kreuzen, die
überaus malerische Ki-
lianskirche, ein Bau aus
der Blütezeit der romanischen Periode (1150).
Wie edelste Musik klingt es, was einem dort
schon von weitem entgegenwinkt; der mit jahr-
hundertealtem Efeu dicht bewachsene Turm
mit seinen gekuppelten Bogenfensterchen und
dem schlichten Satteldach, das altersgraue Ge-
mäuer und die liebliche Hügellandschaft im
Hintergrunde, das alles klingt zusammen zu
einer wahrhaft herzerquickenden Melodie (Fig. 1).
Obgleich schlicht und klein, ist die Liigder
Kilianskirche speziell für Westfalen insofern
von Bedeutung, als sie einen bestimmten west-
fälischen Bautypus des früheren Mittelalters
darstellt, nämlich den der Basiliken mit Stützen-
wechsel. Kirchen dieser Art sind nicht gerade
zahlreich auf uns gekommen, keine von ihnen
gibt auch das System des Stützenwechsels
klarer wieder, wie die Kirche in Lügde. Zu-
dem hat sie den großen Vorzug, daß ihre Er-
bauung in die Blütezeit des romanischen Stiles

Fig. 1

fällt, in den Anfang des XII. Jahrh, Basiliken
mit Stützenwechsel aus der Übergangsperiode
weist Westfalen noch eine ganze Reihe auf
(Billerbeck, Coesfeld, Legden, Langenhorst,
Münster), keiner dieser Bauten fällt aber vor
das Jahr 1200. In Lügde haben zweifellos die
Kirchen des nicht zu weit entfernten Hildes-
heim Patenschaft geleistet, Baudisposition und
Detailformen weisen dorthin. St. Kilian ist im
gebundenen romanischen System aufgeführt,
so daß auf je ein Mittelschiffquadrat zwei Qua-
drate in den Abseiten kommen. Die beiden
Kreuzarme und das Chorquadrat haben genau
die Größe der quadratischen Vierung und nach
Osten hin halbkreisför-
mig ausgebaute Apsiden.
Sämtliche Joche des
Mittel- und der Seiten-
schiffe, sowie des Quer-
armes und des Chores
sind mit rippenlosen
romanischen Kreuzge-
wölben eingedeckt, in
den Seitenschiffen ohne
Gurten, im Mittelschiff
mit Quer- und Längs-
gurten, in den übri-
gen Teilen nur mit
Quergurten. Die zwei
Joche des Langhauses
sind mit Rücksicht auf die Arkaden bedeutend
höher gezogen wie die übrigen Joche und
haben im Schildbogen in der Achse des Ge-
wölbes ein rundbogiges Fenster. Dieser Wechsel
in der Höhe der Gewölbe, der durch eine
doppelte Erhöhung des Chorraumes, hinter der
Vierung und vor der Apsis, noch stärker er-
scheint, der rhythmische Wechsel zwischen dem
wuchtigen Mauerpfeiler und der leichteren
Säule, verleihen dem Kirchlein eine ungewöhn-
lich vornehme und geschlossene Raumwirkung
wie man sie bei Bauten so geringer Dimension
nur höchst selten findet. Die Skulpturen der
Kapitelle, die in ihrer eigenartig gedrückten,
fast kubischen Form stark an ähnliche in Sankt
Michael in Hildesheim erinnern, sind ziemlich
roh gearbeitet; man sieht, Vorbilder sind vor-
handen gewesen, dem ausführenden Steinmetzen
fehlte es aber an der nötigen Geschicklichkeit
und dem Formensinn.
 
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