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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Witte, Fritz: Romanische Dekoration in der Kilianskirche zu Lügde bei Pyrmont
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0201

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359

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

360

absetzung in graublau, ockergelb und rot, welche
Farben sich rhythmisch wiederholen und durch
weiße Fugenstriche getrennt sind. Wo Gurt-
bogen und Gewölbekappe znsammenstoßen,
ist die Linie durch einen breiteren und einen
schmalen Kontur mit reizvollen romanischen
Omamentmotiven hervorgehoben.

Die beiden Seitenwände des Chorquadrates
haben in der Mitte je ein Fenster (Figur 3).
Der Maler flankierte die-
selben mit Säulen, die
einen in Haustein abge-
setzten Rundbogen als
obere Umrahmung des
Fensters tragen. Auf
den Flächen neben den
Fenstern steht unter

reichem architektoni-
schem Baldachin, der
von zwei Säulchen ge-
tragen wird, jedesmal
ein Apostel. Auf diese
Weise wird die Zahl
der Begleiter Christi in
der Apsis auf zwölf ge-
bracht. Die Wandfläche
unterhalb der Fenster
ist in Hausteinquadern
mit weißen Linien ab-
gesetzt, nur unmittelbar
unter den Öffnungen

ist in dreifacher Breite
des Fensters ein Teppich
gemalt mit Zeichnun-
gen aus dem Tier- und
Pflanzenreiche. Der Tep-
pich macht den Ein-
druck, als sei er zur Dekoration der Wand-
fläche aus dem Fenster herausgehängt. Diese
Teppichmalerei verdient höchste Beachtung ;
in Zeichnung und im Kolorit kann sie als
mustergültig bezeichnet werden. Abgesehen
von den braunen Konturen kommen nur die
drei Farben rot, gelb und grün zur Anwendung.
Breite Streifen in erdig gelber Farbe schließen
die rot gehaltenen reizvollen Tier- und Pflanzen-
ornamente ein, die auf dem warm weißgelben
Grundton der Wand stehen. Der zwischen je
vier Kreisen liegende Raum wird durch ein
einfacher und straffer gezeichnetes Pflanzen -

motiv in leichtem Grün ausgefüllt (vgl. Fig. 3).
Auch für einen romanischen Fußbodenbelag
würden diese Teppiche in ihrer flotten Zeich-
nung mit der wirklich trefflichen Raumfüllung
ein vorzügliches Vorbild abgeben. Sehr einfach
ist die farbige Behandlung des Langhauses. Die
Gewölbe haben in rot aufgemalte Schlußstücke
und ebensolche Rippen, die auf einem rot ge-
haltenen Steine im Zwickel aufruhen. Diese an-
spruchslose Dekoration
derGewölbe wirkt außer-
ordentlich vornehm.

Die einfache Tönung
der Ornamente hat
durchaus nichts Nüch-
ternes und Langweiliges,
im Gegenteil, hier, in
diesem Kirchlein er-
scheint sie als die einzig
richtige und selbstver-
ständliche. Gerade dieser
Umstand, daß selbst die
Dekoration des Kirchen-
inneren sich den lokalen
Bedürfnissen durchaus
anpaßt, läßt das Gottes-
haus so heimisch er-
scheinen. Wenn unsere
Kirchen heutzutage mit
Recht so oft getadelt
werden, so liegt das in
erster Linie daran, daß
man kein Maß gehalten
"bei der Bemalung, daß
man die einzelnenRäume
nicht gegeneinander ab-

Fig. 3. J -V

gewogen und ihrer
Bedeutung entsprechend ausgeschmückt hat.
Non multa sed multum, dieser Grundsatz



sollte für jeden Pfarrer der erste sein, wenn
er an die Dekoration seiner Kirche heran-
treten muß.

Wir geben Aufrißzeichnungen nach dem
heutigen Zustande, raten aber jedem Kunstfreund
und Künstler, führt ihn sein Weg einmal in die
Nähe des Städtchens Liigde, den kleinen
Aufenthalt nicht zu scheuen und die Male-
reien und das Schatzkästlein selbst in Augen-
schein zu nehmen.

Münster i. W. Fr. Witte.
 
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