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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0020

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Nr. 1/2.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

vornehme Blüten der Metallkunst. Formen für Kelche, Ziborien, Rehquiare und
Leuchter, wie sie das XIV. Jahrhundert hervorgebracht hat, schmucklos fast, aber
reich doch in der wundersamen Abgeklärtheit der Verhältnisse, hat die Schmiede-
kunst kaum je wieder hervorgebracht. Die Eleganz des Aufbaues in Abb. 6 hat
etwas Klassisches, die Zweckmäßigkeit ist augenfällig, der Schmuck ist zurück-
haltend, aber vornehm. Solche Grundformen könnten auch für uns heute recht
wohl Ausgangspunkt sein für ein „Zur-Raison-bringen" unserer eigenen kirch-
lichen Metallkunst.

Auch die mit Gußform, Feile und Schrauben arbeitende Richtung hatte vor
1500 bereits ihr Ende. Wie
überall, so taucht auch in den
liturgischen Geräten um diese
Zeit ein neuer Hang zu einem,
wenn auch vielfach bomba-
stischen, so doch der Metall-
kunst weit entgegenkommen-
den Dekor auf. Was wir an
Kelchen, Ziborien, Monstran-
zen gleichwie an profanen
Bechern und Tafelaufsätzen
um jene Zeit finden, das nutzt
mit vollem Bewußtsein wie-
der die Effekte aus, derer das
Metall fähig ist. Nur bleibt
der Grund vielfach illusorisch,
er ist vollkommen überspon-
nen mit sich biegendem, krie-
chendem Laubwerk, das in
seiner krausen, krabbeligen
Gestaltung mit dem Lichte
Fangball spielt und auf Buk-
keln und Graten und perlen-
den Knöpfen in hellstem
Lichte brilliert, in den lap-
pigen Blattumschlägen aber
und in den Tiefen strotzender
getriebener Rosetten in sattem
Schatten dunkelt (Abb. 7).
So entsteht der unruhige,
tändelnde Metallglanz, wie einst im romanischen Stil durch farbige Zäsuren in
Edelgestein unterbrochen und im ganzen prunkhafter gestimmt.

Eines ist festzunageln nach einer vergleichenden Übersicht über die Stile ver-
gangener Zeiten: Niemals wohl ist die Technik bestimmender Ausgangspunkt für
die Form gewesen, diese selbst schaltete Techniken aus und stellte sie ein in ihr
Repertoire, so wie sie ihrer bedurfte oder entraten konnte. Es ist beispielsweise
kein Zufall, daß gerade der spätgotische Stil und die Anfänge der Renaissance in
der Goldschmiedekunst die Verwendung des doch stets in der Fläche wirkenden
Emails ausschalteten und in erster Linie dem plastisch gestaltenden Treiben

Abb. 8. Keldi in Treibarbeit. Um 1300. Slg. Sdinütgen, Köln.
 
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