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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Schneider, Franz: Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0158

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140

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 8.9.

Spitzbogen an Stelle des Rundbogens getreten. Der ursprüngliche Turmhelm
wurde im XVIII. Jahrh. durch die sehr schön beschieferte barocke Turmhaube
ersetzt, aus welcher Zeit auch der Dachreiter stammt. Leider hat der alte Putz
des Turmes einer sehr häßlichen Ausfugung des roh geschichteten Bruchstein-
mauerwerks weichen müssen, und wird hierdurch das sonst so schöne Ortsbild
erheblich beeinträchtigt, während das Kirchlein zu Kirchhundem in Westfalen
(Abb. 14), dessen Chor in späterer Zeit (nicht ohne Verständnis) vergrößert worden
ist, noch in ursprünglichem Kleid dasteht und durch seine geschickte Stellung an
der Straßenkurve, wo sich an den Chor sehr schöne niedersächsische Holzhäuser
anlehnen, dem zwischen hohe Berge eingekeilten Ortchen eine sehr malerische Wir-
kung verleiht. Obwohl diese Kirche aus dem XIV. Jahrh. stammt, so hat der Bau-
meister derselben sowohl bei Gestaltung des Grundrisses wie des Aufbaues sich noch
ganz an die romanischen Vorbilder gehalten und nur die alleräußerhchsten Merk-
male des gotischen Stiles: den Spitzbogen und die steileren Turm- und Dach-
formen verwendet und die Funktion der gotischen Strebepfeiler durch sehr dicke
Mauern ersetzt. Der Turm dieser Kirche erinnert durch seine schlanke Helmform
an manche Kirchtürme der Alpendörfer, welche wohl ebenso wie der Turm zu
Kirchhundem ihre schlanke Form der Rücksicht auf die Wirkung der Kirche in

den hohen Bergen, welche
die betreffenden Orte ein-
schließen, verdanken.

Ein sprechendes Bei-
spiel für die Möglichkeit
einer vorzüglich wirken-
den Verquickung von
Bauformen verschiedener
Epochen bietet uns die so-
genannte Wernerkapelle
zu Oberwesel (Abb. 15),
die Ruine einer frühgoti-
schen Kirche. In dem er-
halten gebliebenen poly-
gonen Chorschluß ist das
oben geschilderte gotische
Gewölbeprinzip beson-
ders prägnant ausgespro-
chen. Das alte zerstörte
Dach hat man äußerst
geschickt durch einen ba-
rocken zwiebeiförmigen
polygonen Aufsatz ersetzt
und gehen die Massen und
Linien der beiden ihrer
Entstehung nach etwa 450
Jahre auseinander liegen-

Abb. 15. Sogenannte Wernerkapelle zu Oberwesel a. Rh. Mit Ge- ^|e" Bauteile ganz vorzug-
nehmigung der Kunstanstalt Stengel u. Co. in Dresden. lieh zusammen. Der fein
 
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