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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Schneider, Franz: Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0162

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144

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 8/9.

Abb. 19.

Kapelle in Kollbach bei Petershausen i. Bayern.

auf allen künst-
lerischen Gebieten
führte, womit auch
zugleich die letzte
Epoche eines or-
ganischen einheit-
lichen Kunstschaf-
fens zu Ende ging.
Nachdem meh-
rere Jahrzehnte hin-
durchjegliche künst-
lerische Betätigung
vollständig darnie-
dergelegen hatte,be-
gannman allmählich
einzusehen, daß eine
Wiederbelebung der
deutschen Kunst nur durch den Anschluß an die überlieferte Kunst unserer
Vorfahren fruchtbringend sein könnte, während gleichzeitig führende Männer
auftraten, welche den Kunstjüngern sagten, daß namentlich eine neue deutsche
Volkskunst nicht nach dem Schema der Neugriechen ä Ia Winkelmann, Schinkel
u. a., welche die Kunst in Deutschland insbesondere die Architektur in starre
antike Gesetze einzwängen wollten, erblühen könne, sondern daß intensivstes
Studium der alten deutschen Kunst und ihrer Entstehungsbedingungen uner-
läßlich sei und daß nur daraus ein neues lebendiges Kunstschaffen wieder
erstehen könne. In die erste Zeit dieser gesunden Bestrebungen und des Suchens
nach neuen Ausdrucksformen fiel der wirtschaftliche Aufschwung infolge der Grün-
dung des Neuen Deutschen Reiches und damit setzte eine sehr starke Bautätigkeit
ein, welche, da das gründliche Studium der alten deutschen Kunst erst nur von
wenigen Einsichtigen begonnen worden war, zu den größten Verirrungen führte.
Diese sind so verzweigt und umfänglich, daß es zu weit führen würde, hier auf
dieselben näher einzugehen. Jedenfalls leidet das Verständnis im Volke wie auch
das Kunstschaffen selbst, welches durch jenes gestützt werden muß, noch so stark
unter den vielen Entgleisungen und den daraus gebildeten Meinungen, daß es noch
geraume Zeit dauern wird, bis von einer Einheitlichkeit und Festigung der Kunst-
anschauungen die Rede sein kann. Neben dem noch immer herrschenden Wirr-
warr von Kunstrichtungen gehen die auf dem rechten Wege befindlichen weiter
im Studium und in der Übung des Wesens der wahren deutschen Kunst, von der
Überzeugung geleitet, auf diesem Wege den lange ersehnten neuen Stil zu finden,
über die Anlage der alten Dörfer und insbesondere ihrer Kirchen wie über
Wahl des Baupatzes und des Stiles derselben sei noch folgendes gesagt:

In keinem anderen Lande sind die Dörfer zu solch selbständigen, in sich ab-
geschlossenen Einheiten entwickelt worden wie in Deutschland; sie zeugen von
einem außerordentlich gesunden, starken Bürgertum, das sich neben der zielbe-
wußten Erfüllung seiner Aufgaben: der Pflege der Landwirtschaft, des Handwerkes
und Kleingewerbes, bei Anlage seiner Wohnstätten immer von einem bewunde-
rungswürdigen Schönheitssinn leiten ließ. Fast alle deutschen Dörfer, namentlich
 
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