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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Arntz, Ludwig: Burg- und Schlosskapellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0192

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172

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 11/12

Wohnbauten kann für den Unterschied sprachlichen Ausdruckes nicht allein
entscheidend sein; manche alten Schloßbauten zeigen noch heute [inmitten des
stark [erweiterten Gebietes die Grenz- und Wehrlinien einer mittelalterlichen
Burganlage. Man muß sich dabei die kulturgeschichtliche Tatsache vor Augen
halten, daß Burg oder Schloß aus dem Hofbezirk eines Grundherrn hervor-
ging, der seinen Besitz und seine damit verbundene Wirtschaft gegen feind-
liche Angriffe zu sichern und wirksam zu schützen suchte. Bauherr des „festen
Hauses" war der weltliche oder geistliche Grundherr. So sind unter dem
Zwange der Not Pfalz- und Adelshöfe, Stifts- und Klosterhöfe zu widerstands-
fähigen Burgen ausgebaut worden; auch alleinstehende Pfarrhöfe des frühen
Mittelalters, falls sie nicht unter unmittelbarem Schutz und Schirm einer Herren-
burg standen, müssen wir uns entsprechend befestigt denken. Im Laufe einer
langen Bauentwicklung tritt dabei deutlich zutage, wie das unabweisbare Bedürfnis,
einen gesicherten Andachtsraum innerhalb des Burgfriedens oder der Schloß-
freiheit zu erhalten und fortzuführen, nach künstlerischem Ausdruck ringt und
dabei unendlich mannigfaltige Gebilde zeitigt, die in rührender Schlichtheit, wie
in reichster Ausbildung, von starker, unverwüstlicher Baugesinnung zeugen. Ist
auch vieles von den Stätten der Andacht in Kriegs- und Fnedenszeiten dahin-
gesunken, es lohnt sich immerhin, diesen Schöpfungen auf ihrem Werdegang nach-
zugehen. Als zugehöriger, unveräußerlicher Bestandteil des Burghofes nimmt die
Kapelle auch teil an den Schicksalen desselben, in guten wie bösen Tagen. Sie
erscheint als das baugeschichthche Ergebnis bestimmter Unterlagen und Bezie-
hungen zu dem Grund- und Bauherrn, der das Werk seines Vorgängers über-
nahm. Veränderte Bedingungen und wechselndes Bedürfnis beeinflussen ganz
wesentlich die baukünstlensche Gestaltung, nicht minder aber die bauliche Ver-
änderung und zeitgemäße Verwertung. Zunächst wird daher Bedingung und Be-
dürfnis, allgemeine Anlage und Gestaltung der Burg- und Schloßkapellen zu er-
örtern und alsdann, in einem zweiten Abschnitt, die Gestaltung im einzelnen zu
besprechen sein. Ein dritter Abschnitt wird einem Rückblick auf die baugeschicht-
lichen Wandlungen gewidmet. Ein Teil der Abbildungen konnte dank der freund-
lichen Genehmigung des Geheimrats Prof. Dr. Clemen und des Provinzialkon-
servators Prof. Dr. Renard, den Kunstdenkmälern der Rheinprovinz und den Be-
richten der Provinzialkommission entnommen werden.

A. Grundbedingung und Raumbedürfnis.

Allgemeine Anlage und Gestaltung.

Die erste Vorbedingung war stets bei Burg- und Festungsbau die ver-
ständige Anpassung an das gegebene Baugelände oder, mit anderen Worten, die
denkbar beste Ausnutzung der natürlichen Lage des Platzes (des Geländes, Ge-
birges oder Wasserlaufes) für die Zwecke einer möglichst vollkommenen, den ver-
fügbaren Angriffs- und Verteidigungsmitteln entsprechenden Wehrfähigkeit. Gegen-
über diesem zu verfolgenden Ziel, von dem die Sicherheit des Burgbesitzes und
der damit verknüpften Eigenwirtschaft wesentlich abhing, mußten selbstverständ-
lich andere Forderungen des Lebens zurücktreten, wie denn auch das zu be-
friedigende Wohnbedürfnis begreiflicherweise sich oft mit recht bescheidenen An-
sprüchen behelfen mußte. Um so achtenswerter ist es, wie manche der über-


 
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