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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Neuss, Wilhelm: Die Kunst der Nazarener
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0023

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 1

können dem Märchen- und Sagenmaler die Anerkennung nicht versagen. Seine
religiösen Bilder „wiederholen" dagegen nach Muther „nur Dinge im Sinne der
Nazarener, die von den Quattrocentisten schon besser gesagt waren." Damit wird
man Steinle nicht gerecht. Steinle ist im Gegenteil mit Führich ein Beweis dafür,
wie wenig die Nazarener-Richtung die Eigenart der Talente unterdrückte.
Er war Overbecks Liebling und im Ernste seines Wesens und der tiefen Frömmig-
keit ihm innerlich verwandt, doch durch die süddeutsche Wärme der Emp-
findung und Leichtigkeit des Schaffens vor ihm ausgezeichnet.

Fast schuf er zu leicht und daher nicht immer gleichmäßig. Er brauchte nicht
zu ringen, um einem Bildgedanken Gestalt zu geben. So kommt ihm auch zuweilen
nichts darauf an, irgendeinem Vorbilde sich anzuschließen. Wo er aber — und
das ist bei weitem die Regel — frei aus seinem Innern schöpft, vor allem in den
Zeichnungen und Aquarellen, da ist er immer der ganz einzigartige echt-deutsche
Lyriker, auch in religiösen Stoffen. Ich wüßte keinen deutschen oder außerdeut-
schen Maler, in dessen Bildern dieser Duft, dieses Licht, diese Zartheit wäre, wie
etwa in Steinles „Heimsuchung" von 1873 bei Frau Stumpf-Brentano in Rödel-
heim (Abb. 5), oder „Maria vor Bethlehem", einer Sepiazeichnung im Städel-
schen Institut, oder endlich den wunderbaren Franziskusbildern, dem Aquarell
im Städelschen Institut von 1855, Franziskus auf seinem Lager von musizieren-
den Engeln erquickt, und Franziskus im Walde von 1864, im Besitz des Diö-
zesanbaurates Franz Statz. Steinle ist ein echter deutscher Künstler.

Die Nazarener waren Kinder ihrer Zeit, einer Zeit des Suchens, nicht des
sicheren Besitzes, einer Zeit des mühsamen Aufstieges, nicht des stolzen Wandeins
auf sonnigen Höhen. Was von den Werken der Zeit nach ihnen besser ist als ihre
Schöpfungen, wird erst die Zukunft endgültig entscheiden. Ein Verdammungs-
urteil über die Nazarener wird sie nicht bestätigen, sondern ihre Arbeiten über
die manches Künstlers stellen, der geringschätzig auf sie herabblickt. Als die
angeblich realistische Malerei in München das Feld behauptete, von dem sie den
Cornelius verjagt hatte, schrieb Moritz von Schwind auf seine Art dem verehrten
Meister 1865 nach Berlin: „Das Unbegreifliche ist an der Tagesordnung . . .
Das Garstige ist jetzt schön, das Langweilige ernst und das Triviale naiv. Lind,
sollte man's glauben? Das Schöne bleibt doch schön, das Geistreiche bleibt an-
ziehend und das Geschmackvolle nobel! Wahrscheinlich aus demselben Grunde,
aus welchem der Tag hell, die Nacht finster und das Süße nicht bitter ist3S. Das
Wort des ehrlichen Schwind wird nicht nur an den Werken des Cornelius, sondern
noch an manchem anderen der Nazarener wahr werden. Deutschland hat allen
Grund, sie dankbar in Ehren zu halten. W. Neuß.

BÜCHERSCHAU.

Die heilige Katharina von S i - Auch diese in ihrer Art einzige gottbe-

e n a. Ein Zeitbild aus dem italienischen gnadete Erscheinung weiblicher Frömmig-

Mittelalter von Helene Riese h. Mit keit, Einsicht und Kraft, das Licht Italiens

9 Bildern. Herder in Freiburg 1916 im XIV. Jahrh. (1347—1380), gehört in die

1.80 M.; geb. in Leinwand 2.50 M. II. Sammlung der „F r a u e n b i 1 d e r", den

und III. vermehrte Auflage. Höhepunkt des Beschauens und der Betäti-

38 Brief vom 4. Dezember 1865, Förster II, S. 480 81.
 
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