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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Dyroff, Adolf: Über die Bedeutung des Stuppacher Marienbildes von M. Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0160

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Nr. 11 12 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. ^43

so zu sehen, als ob sie nicht wie die Rosen und die (bei der Aschaffenburger Bevöl-
kerung so beliebten) Gänseblümchen aus dem Innern des Topfes emporstrebten,
sondern aus dem Erdreich vor dem Baume hervorkämen, der hinter Lilien und
Blumentopf sich schlank erhebt. Ob nun die Sage von den drei Lilien zu Grüne-
walds Zeit bereits vorlag oder nicht, jedenfalls konnte sie sich so, wie wir sie jetzt
haben, nicht entwickeln, ohne daß gerade eine Dreizahl von Lilien mit der Sand-
kirche in Beziehung gebracht war. Trotz der eigentümlichen Stellung der Lihen-
stengel dürfte aber Grünewald nicht auf das auch in der Stiftungsurkunde mit
keiner Silbe erwähnte Lilienwunder anspielen; eher könnte die Sage aus seinem
Bilde, häufiger Analogie entsprechend, herausgesponnen sein. Die Lilie ist be-
kanntlich ein altes, beliebtes Symbol der Muttergottes. Der isländische Dichter
Eysteinn A^grimmsson (f 1361) schließt sein Gedicht „Lilja" mit den Worten:
„Ich will, daß es Lilie heiße". Rudolf Meißner erläutert mir das mit den Worten:
„Er weiht es damit der heiligen Jungfrau". Unter ihren unzähligen Vergleichen
Marias mit Blumen und andern köstlichen Dingen (s. Wilhelm Grimms Aus-
gabe der Goldenen Schmiede Konrads von Würzburg, 1840, S. XXXI ff.) kennt
die deutsche Mariendichtung auch den mit der Lilie. Vom „Lilienstengel"
sprechen gerade Konrad von Würzburg (v.858) und Frauenlob, von der „lilje in
dornen" ein Loblied auf die heilige Jungfrau aus dem XII. Jahrh. und Rudolf
von Ems. Auch der „liljengarten" erscheint. Und wegen ihrer Liebe und ihrer
Reinheit wird Maria „rose und lilje" genannt. Außer den Dichtern pflegen die
deutschen Predigten gerne das Gleichnis; in einer Predigtstelle liest Meißner:
„als si selber spricht: ego flos campi et lylium convalhum" (cant.cant.2, 1). Andere
Bibelstellen von der Lilie sind den Theologen ja geläufig.

Aus meiner Vermutung ergäbe sich, daß das Stuppacher Bild um 1517/18,
höchstens einige Jahre später abgefaßt ist. Bei einem Könner wie Grünewald
ist es sehr bedenklich, aus stilkritischen Merkmalen feinster Art solche Schlüsse
auf zeitliche Abstände zu ziehen, wie Schmid tut. Die Verschiedenheit des The-
mas ist bei Kunstwerken doch wahrlich keine Nebensache.

Für möglich halte ich es endlich, obwohl Grünewald eine Phantasiekirche
hingestellt haben könnte, daß die spätgotische Sandkirche von Aschaffenburg
Motive vom Straßburger Münster aufgenommen hatte. Wir hätten dann eine
Parallele zu der Berührung des Aschaffenburger mit dem Straßburger Kultur-
kreise, wie sie durch den Erbauer des Aschaffenburger Schlosses im XVII. Jahrh.
stattfand; auffällig ist ferner, daß der in Straßburg so zahlreiche Familien-
name „Flach" auch in Aschaffenburg später um sich greift.

Nicht unterdrücken kann ich folgende außerhalb dieser Sache liegenden Mit-
teilungen. 1902 zeigte mir Fräulein Thiry in ihrer Wohnung das Grünewaldbild
über Maria-Schnee. Ich sagte ihr sofort: das stammt ja aus der Mana-Schnee-
Kapelle von Aschaffenburg, wie das neu entdeckte Cranachbild (früher Baidung-
Grienbild) im Freiburger Münster auch aus Aschaffenburg kommt. Das be-
stätigte mir Fräulein Thiry sehr gerne und erzählte mir etwas von einem Würz-
burger oder bayrischen Beamten, der die Bilder — ich glaube mich auf die
Jahreszahl 1820—1830 zu entsinnen — nach Baden veräußert haben soll. Auch
von einem Freiburger Domherrn sprach Fräulein Thiry. Ein Studiosus Thiry
aus Walldürn studierte um 1820 auf der eingegangenen Aschaffenburger Uni-
versität und hatte so Beziehungen zu der Stadt Grünewalds. Von anderer Seite
 
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