DIE GARTENKUNST
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Letch worth'noch, inmitten vieler Baublöcke große Flächen
aus, die durch besondere Zuwege erreichbar, öffentlichen
Anlagen vorbehalten bleiben (The Garden City Bstate
Letch worth, Herts, Veröffentlichung der First Garden City
Limited, London, W. C. High Holborn 326a). Wenn man
nun bedenkt, daß jedem Einwohner ein gewisser Anteil
an öffentlichen Plätzen zukommt, so wird bei gerechter
Verteilung schon die Bevölkerung eines großen Baublocks
einen Platz aus öffentlichen Mitteln fordern können.
Warum sollte dieser dann keine Innenanlage sein, die
so viel billiger herzustellen wäre als ein freier, von
öffentlichen Straßen umgebener Platz? Also schon vom
Geldstandpunkte aus wäre dies der Gemeinde zu empfehlen
und damit die Öffentlichkeit der Innenanlage zu be-
gründen.
Wie ist die Innenanlage nun zu gestalten?
Die bekanntoste und vornehmste ist die des Parc de
Monceaux in Paris, der von fünfseitiger Grundform an
vier Seiten geschlossen umbaut und nur an einer, der
längsten Seite gegen den Boulevard de Courcelles, mit
einem durchsichtigen Gitter geöffnet ist. Die Bebauung
trennen 10 —13 tiefe Hintergärten mit niedrigen, wenig-
auffallenden Gittern von der öffentlichen Parkanlage, mit
der ^ie jedoch durch Schlupftüren in unmittelbarer Ver-
bindung steht. Die zum oder durch den Park führenden
Straßen sind durch Tore zugänglich Diese Park-
wohnungen sind sehr gesucht. Ganz so wie in Kurorten,
um den Gästen möglichst ruhige, gesunde Wohnungen zu
gewährleisten.
Nach diesem Vorbilde ist auf früherem, von der Ge-
meinde erworbenem Festungsgelände zu Magdeburg der
Königin-Luisegarten entstanden, den jedoch eine landhaus-
artige Bebauung umgibt. Von den Hausgärten führen
auch hier Schlupftüren zur öffentlichen Innenanlage, wofür
eine geringe Anerkennungsgebühr zu entrichten ist
(Zeitschrift „Der Städtebau", Jahrgang I, S. 26).
(Schlufs folgt.)
Landschaftliche Gartengestaltung.
Der „wilde Garten" in England.
Von H. Riebe, z. Zt. Aulnay-Ohätenay (Seine).
,You see, sweet maid, we marry,
A gentler scion to the wildest stock,
And make conceive a bark of baser kind
By bud of nobler race: this is an art
Which does mend nature, change it rather but
,The art itself is nature."
(Shakespeare.)
Ja, die Kunst selbst ist Natur, und was Shakespeare
zu seiner Zeit sagte, das gilt heute noch. In deutschen
Architektenkreisen ist man fortgesetzt bemüht, darauf hin-
zuweisen, daß man in England mit dem landschaftlichen
Gartenstil gebrochen habe. Das ist unzutreffend. Tat-
sache ist, daß man sich heute mehr denn je in England
dem reinen, natürlichen Stil in der Gartengestaltung zu-
wendet, trotzdem es ihm auch dort an Gegnern nicht fehlt.
Aber letzteres ist nicht zum Schaden der Sache, eine gewisse
Opposition ist bekanntlich Lebensbedingung, wenn Gutes
sich Bahn brechen soll. — England ist ein Land der
Gegensätze. Im Gesetzeswesen und im Staat, im täglichen
Leben und in Sitten und Gewohnheiten, wo die modernsten
Errungenschaften der Neuzeit primitivsten, fast mittel-
alterlichen Einrichtungen und Gebräuchen gegenüberstehen;
wo unermeßlicher Reichtum und Luxus wohl denselben
Stadtteil mit geradezu unmenschlicher Armut und er-
schreckendem Elend teilen, und wo sogar das Wetter be-
einflußt zu sein scheint — wenn man sich jene köstlichen,
englischen Sommertage mit ihrer Klarheit und Frische ver-
gegenwärtigt und sie denen des Winters gegenüberstellt,
jenen traurigen, schwarzen Geist und Körper erschlaffenden
Nebeltagen, namentlich in den großen Städten. Gegensätze
allerwegen und auch nicht minder in der Gartenkunst.
Vielleicht mancher Leser dieser Zeilen, der England ein-
mal besuchen sollte, mag beim ersten flüchtigen Einblick
in die Gärten denken: „aber von dem natürlichen Stil sehe
ich nichts," wie es vielleicht auch jenen deutschen
Architekten ergangen sein mag, die behaupten, daß man
in England mit dem natürlichen Stile gebrochen habe,
und die wohl ihr Hauptaugenmerk den Bauten und allen-
falls den diesen am nächsten liegenden Teilen des Gartens
zugewendet hatten. Denn wenn ich vorhin betonte, daß
man sich in England immer mehr dem landschaftlichen
Gartenstil zuwende, so will ich damit keineswegs gesagt
haben, daß man mit den in der Umgebung der Gebäude
vorhandenen regelmäßig gehaltenen Teilen des Gartens
aufräume, oder die uns ja persönlich oder aus Wort und
Bild bekannten sauber geschnittenen Einzäunungen, Einzel-
pflanzen oder sonstigen Gebilde abschaffe oder frei weiter-
wachsen ließe. Dem ist nicht so. Derartige ornamentale
Gebilde sind ja auch in der Umgebung symmetrisch ge-
haltener, größerer Bauten, nicht zu verwerfen, oft sogar
am rechten Platz. Man denke sich z. B. einmal das große
Palmenhaus zu Kew — bekanntlich das größte Gewächs-
haus der Erde unter einem Dach — und seine nächste
Umgebung, den „Palm House Garden". Hier hat jeder
Zweig, jede Blume ihren angewiesenen Platz und das
Ganze wirkt eigenartig, aber durchaus nicht etwa unschön.
Nach wie vor werden hier auf der nach dem See zu ge-
legenen Seite Blumenparterres gepflegt, die Vasen mit
schönblühenden und rankenden Sommerblumen bepflanzt
und auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses werden
alljährlich im August-September die wie Steinmauern
stehenden Taxushecken und die mit den massigen, ge-
rundeten Formen des gewaltigen Baues harmonierenden,
zuckerhutartigen Hollies (Hex) auf das sorgfältigste ge-
formt und geschnitten, Wir brauchen aber von hier gar
nicht weit zu gehen, um dieselben Ilexarten, welche wir
eben in starren wie aus Erz gegossenen Formen be-
wunderten, in freier, ungezwungener Natur, hoch, leicht und
luftig oder kürzer und gedrungen, je nach ihrer Art,
wachsen zu sehen. Immergrün und glänzend, sich im
feuchten, englischen Klima recht wohl fühlend, geben sie
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Letch worth'noch, inmitten vieler Baublöcke große Flächen
aus, die durch besondere Zuwege erreichbar, öffentlichen
Anlagen vorbehalten bleiben (The Garden City Bstate
Letch worth, Herts, Veröffentlichung der First Garden City
Limited, London, W. C. High Holborn 326a). Wenn man
nun bedenkt, daß jedem Einwohner ein gewisser Anteil
an öffentlichen Plätzen zukommt, so wird bei gerechter
Verteilung schon die Bevölkerung eines großen Baublocks
einen Platz aus öffentlichen Mitteln fordern können.
Warum sollte dieser dann keine Innenanlage sein, die
so viel billiger herzustellen wäre als ein freier, von
öffentlichen Straßen umgebener Platz? Also schon vom
Geldstandpunkte aus wäre dies der Gemeinde zu empfehlen
und damit die Öffentlichkeit der Innenanlage zu be-
gründen.
Wie ist die Innenanlage nun zu gestalten?
Die bekanntoste und vornehmste ist die des Parc de
Monceaux in Paris, der von fünfseitiger Grundform an
vier Seiten geschlossen umbaut und nur an einer, der
längsten Seite gegen den Boulevard de Courcelles, mit
einem durchsichtigen Gitter geöffnet ist. Die Bebauung
trennen 10 —13 tiefe Hintergärten mit niedrigen, wenig-
auffallenden Gittern von der öffentlichen Parkanlage, mit
der ^ie jedoch durch Schlupftüren in unmittelbarer Ver-
bindung steht. Die zum oder durch den Park führenden
Straßen sind durch Tore zugänglich Diese Park-
wohnungen sind sehr gesucht. Ganz so wie in Kurorten,
um den Gästen möglichst ruhige, gesunde Wohnungen zu
gewährleisten.
Nach diesem Vorbilde ist auf früherem, von der Ge-
meinde erworbenem Festungsgelände zu Magdeburg der
Königin-Luisegarten entstanden, den jedoch eine landhaus-
artige Bebauung umgibt. Von den Hausgärten führen
auch hier Schlupftüren zur öffentlichen Innenanlage, wofür
eine geringe Anerkennungsgebühr zu entrichten ist
(Zeitschrift „Der Städtebau", Jahrgang I, S. 26).
(Schlufs folgt.)
Landschaftliche Gartengestaltung.
Der „wilde Garten" in England.
Von H. Riebe, z. Zt. Aulnay-Ohätenay (Seine).
,You see, sweet maid, we marry,
A gentler scion to the wildest stock,
And make conceive a bark of baser kind
By bud of nobler race: this is an art
Which does mend nature, change it rather but
,The art itself is nature."
(Shakespeare.)
Ja, die Kunst selbst ist Natur, und was Shakespeare
zu seiner Zeit sagte, das gilt heute noch. In deutschen
Architektenkreisen ist man fortgesetzt bemüht, darauf hin-
zuweisen, daß man in England mit dem landschaftlichen
Gartenstil gebrochen habe. Das ist unzutreffend. Tat-
sache ist, daß man sich heute mehr denn je in England
dem reinen, natürlichen Stil in der Gartengestaltung zu-
wendet, trotzdem es ihm auch dort an Gegnern nicht fehlt.
Aber letzteres ist nicht zum Schaden der Sache, eine gewisse
Opposition ist bekanntlich Lebensbedingung, wenn Gutes
sich Bahn brechen soll. — England ist ein Land der
Gegensätze. Im Gesetzeswesen und im Staat, im täglichen
Leben und in Sitten und Gewohnheiten, wo die modernsten
Errungenschaften der Neuzeit primitivsten, fast mittel-
alterlichen Einrichtungen und Gebräuchen gegenüberstehen;
wo unermeßlicher Reichtum und Luxus wohl denselben
Stadtteil mit geradezu unmenschlicher Armut und er-
schreckendem Elend teilen, und wo sogar das Wetter be-
einflußt zu sein scheint — wenn man sich jene köstlichen,
englischen Sommertage mit ihrer Klarheit und Frische ver-
gegenwärtigt und sie denen des Winters gegenüberstellt,
jenen traurigen, schwarzen Geist und Körper erschlaffenden
Nebeltagen, namentlich in den großen Städten. Gegensätze
allerwegen und auch nicht minder in der Gartenkunst.
Vielleicht mancher Leser dieser Zeilen, der England ein-
mal besuchen sollte, mag beim ersten flüchtigen Einblick
in die Gärten denken: „aber von dem natürlichen Stil sehe
ich nichts," wie es vielleicht auch jenen deutschen
Architekten ergangen sein mag, die behaupten, daß man
in England mit dem natürlichen Stile gebrochen habe,
und die wohl ihr Hauptaugenmerk den Bauten und allen-
falls den diesen am nächsten liegenden Teilen des Gartens
zugewendet hatten. Denn wenn ich vorhin betonte, daß
man sich in England immer mehr dem landschaftlichen
Gartenstil zuwende, so will ich damit keineswegs gesagt
haben, daß man mit den in der Umgebung der Gebäude
vorhandenen regelmäßig gehaltenen Teilen des Gartens
aufräume, oder die uns ja persönlich oder aus Wort und
Bild bekannten sauber geschnittenen Einzäunungen, Einzel-
pflanzen oder sonstigen Gebilde abschaffe oder frei weiter-
wachsen ließe. Dem ist nicht so. Derartige ornamentale
Gebilde sind ja auch in der Umgebung symmetrisch ge-
haltener, größerer Bauten, nicht zu verwerfen, oft sogar
am rechten Platz. Man denke sich z. B. einmal das große
Palmenhaus zu Kew — bekanntlich das größte Gewächs-
haus der Erde unter einem Dach — und seine nächste
Umgebung, den „Palm House Garden". Hier hat jeder
Zweig, jede Blume ihren angewiesenen Platz und das
Ganze wirkt eigenartig, aber durchaus nicht etwa unschön.
Nach wie vor werden hier auf der nach dem See zu ge-
legenen Seite Blumenparterres gepflegt, die Vasen mit
schönblühenden und rankenden Sommerblumen bepflanzt
und auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses werden
alljährlich im August-September die wie Steinmauern
stehenden Taxushecken und die mit den massigen, ge-
rundeten Formen des gewaltigen Baues harmonierenden,
zuckerhutartigen Hollies (Hex) auf das sorgfältigste ge-
formt und geschnitten, Wir brauchen aber von hier gar
nicht weit zu gehen, um dieselben Ilexarten, welche wir
eben in starren wie aus Erz gegossenen Formen be-
wunderten, in freier, ungezwungener Natur, hoch, leicht und
luftig oder kürzer und gedrungen, je nach ihrer Art,
wachsen zu sehen. Immergrün und glänzend, sich im
feuchten, englischen Klima recht wohl fühlend, geben sie