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Die Gartenkunst — 9.1907

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Ross: Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des niedersächsischen Bauerngartens
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Verschiedene Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0252

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246

DIE GARTENKUNST

IX, 12

der Nähe von Leer ein Segelschiff aus Cornus mas, dem
frühblühenden Hartriegel, mit Takelzeug und Mannschaft
an Bord, und wer gelegentlich von Halberstadt nach
Wernigerode im Harz fährt, der strecke bei der Station
Minsleben den Kopf aus dem Fenster und er findet auf
der dem Stationsgebäude, gegenübergelegenen Seite den
Stationsnamen, dessen einzelne Buchstaben von je einem
Baum des Weifsdorn gebildet werden. Und zu beiden
Seiten ist ein ,.wohlassortiertes" Möbellager sowie ein
reichhaltiger zoologischer Garten, fein säuberlich in Weifs-
dorn ausgeschnitten, zu finden, alles das Werk eines
Bahnwärters bäuerlicher Abkunft. Und ich könnte mehr
Vergleiche anführen!

Es ist eigentümlich, dafs diese Beeinflussung durch
die Manier der Holländer auffälligerweise sich auf die
Bevölkerung niederdeutschen Stammes beschränkt, be-
sonders aber nordwestlich vom Harz in direkter Linie
bis etwa nach Düsseldorf in der Breite des Land-
striches bis zur Nordsee fühlbar wird, und dafs diese Linie
nahezu mit dem Verlaufe der Grenze zwischen dem nieder-
deutschen und dem mittelhochdeutschen Sprachgebiet zu-
sammenfällt. Dadurch wird eine Übereinstimmung des
Geschmackes dokumentiert, die einen interessanten Hin-
weis auf die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider
Volksstämme auch in diesem Punkte bildet.

Die Bauerngärten, welche in weiterem Mal'se solche
Anklänge aufweisen, verschwinden mehr und mehr. Die
Pflege dieser Gärten, besonders der Hecken, verlangt viel
Arbeit, die bei dem heutigen Mangel der Landwirtschaft
an Arbeitskräften nicht so gut geleistet werden kann.
Wie in den alten Trachten, Gewohnheiten, Sitten und
Gebräuchen, so weicht auch hier das Alte dem Neuen.
Läfst auch das Alte in ästhetischer Hinsicht viel zu
wünschen übrig, so hat es doch das Interesse, das die
Geschichte und Vergangenheit erweckt, und den Vorzug,
Abwechslung zu gewähren. Die Anlage der Gärten nach
moderner Art, wie sie heute von den Landwirten, die
sich den Luxus eines Ziergartensleistenkönnen, betätigtwird,
läfst auch meistens sehr zu wünschen übrig, denn
dort wird arg gepfuscht. Und weil eine alte Tracht mit
Würde getragen — mag sie auch an sich nicht schön
sein — mir besser gefällt, als ein tadelloses Modekleid,
das von der Trägerin mit Ungeschick und dem eigenen
Unbehagen des Ungewohntseins spazieren geführt wird,
so gefällt mir ein solcher alter Garten mit all den fremden
Bestandteilen darin besser, als mancher moderne, dessen
Anlage an sich verfehlt ist. Mag jener viel Entlehntes
enthalten, es ist der Duft der Scholle, der Atem des Be-
hagens und der Hauch der Heimat, der ihn adelt. Und
deshalb bedauere ich, dafs er schwindet, der alte typische
Bauerngarten der Niedersachsen.

Verschiedene Mitteilungen.

Grofs-Berlin. Der Gedanke der Berliner Architekten-
Vereine, einen einheitlichen Bebauungsplan für Groß-Berlin mit
einem Wald- und Wiesengürtel zu schaffen (vgl. G artenkunst IX.
Seite 187), rückt anscheinend seiner Verwirklichung näher. Es
sind in Konferenzen zwischen den maßgebenden Persönlich-
keiten, insbesondere in Besprechungen zwischen dem Ober-
bürgermeister Kirschner und Geh. Baurat March, die Be-
dingungen für einen allgemeinen Wettbewerb zur Erlangung
von Bebauungsplänen für Groß-Berlin festgesetzt worden.
Auch an den anderen beteiligten Stellen hat die Angelegenheit
größtes Interesse und Aussicht auf Förderung gefunden. Man
glaubt, in den ersten Monaten nächsten Jahres mit den Be-
dingungen des Wettbewerbes, bei dem mehrere hochdotierte
Preise, unter anderem ein 1. Preis im Betrage von 30000 M.,
ausgeworfen werden sollen, an die Öffentlichkeit treten zu
können. — Für die Durchführung dieses an amerikanische Vor-
bilder gemahnenden großzügigen Wettbewerbs darf die Bereit-
stellung einer Summe von 165000 M. erhofft werden. Die
Vorarbeiten werden in einem besonders gebildeten Bureau be-
trieben.

Im Zusammenhange mit diesen Bestrebungen hielt Herr
Landesbaurat Prof. Th. Goecke kürzlich im Verein für deutsches
Kunstgewerbe einen Vortrag über das Thema: Die bauliche
Ausgestaltung von Groß-Berlin. Wir erhielten darüber von
Herrn Garteninspektor Zahn das nachstehende Referat:

Nachdem einleitend der Aus- und Aufbau von Groß-Berlin
als eine „Aufgabe der Kunst" bezeichnet und hierfür der Beweis
erbracht war, wurden die im Wettbewerbsprogramm gestellten
Forderungen besprochen und Vergleiche von Berlin und Um-
gegend mit Wien und London angestellt. Der Wald- und
Wiesengürtel Wiens fand hierbei eine ganz besondere Be-
achtung und Wertschätzung, ebenso wie die in London aus-
geführten gewaltigen Durchbrüche, um dem Verkehr neue
Bahnen zu schaffen. Den Verkehrsanlagen über und unter
der Erde, als Hoch- und Schwebebahn und der am wenigsten
im Straßenbild auffallenden Untergrundbahn, sowie den leider
noch nicht genügend in Aufnahme gekommenen Verbindungen
zu Wasser auf den Kanälen, Flußläufen und Seen wurde ein
besonderer Abschnitt gewidmet, auch nicht unterlassen, auf
die besonderen Beize der Verkehrsstraßen am Wasser hinzu-
weisen. Es ist bekannte Tatsache, daß gerade in und um
Berlin wenig Wert darauf gelegt wird, die Ufer der Allgemein-
heit zu erhalten, daß sogar Villenkolonien lediglich in Rück-
sicht der höheren Bewertung der angrenzenden Grundstücke
von diesem Fehler nicht freizusprechen sind. Für die Haupt-
straßen und freien Plätze wurde der Wiederaufbau von San
Franzisko als Beispiel angeführt, wo getrennte Gebiete für Ver-
waltung und Erziehung, für Erwerb, für Wohnung vorgesehen
sind. Jedes dieser drei wird einen ganz bestimmt ausgeprägten
Charakter erhalten. Das erste ist bestimmt, die monumentalen
Bauten in Gruppen an Plätzen, an Pracht- und Ringstraßen
aufzunehmen. Das Erwerbsgebiet umfaßt Fabriken und Handels-
häuser und endlich das dritte die Wohnungen; dieses Gebiet
soll durch parkähnliche Plätze, die untereinander in Ver-
bindung stehen, für die Bewohner besonders angenehm aus-
gestaltet werden. Neu, wenigstens für unsere Verhältnisse, ist
der Vorschlag, daß die Hausfronten dem Park, die Rückseiten
der Straße zugekehrt sein sollten. Dieser Vorschlag bringt so
recht klar und deutlich zum Ausdruck, daß Wohngebiet und
Park zusammengehören, die Straße in diesem Falle nur Zugangs-
weg, Wirtschaftsweg bedeutet.
 
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