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Die Gartenkunst — 9.1907

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Forsyth Johnson, J.: Die Grundzüge der Landschaftsgestaltung, [1]: Hinweise, wie man die natürlichen Schönheiten von Gebüschen und Waldungen in Erscheinung treten lassen kann
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Lux, Joseph August: Ansichten und Gedanken
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0083

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IX. 4

DIE GARTENKUNST

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Horizontlinien — und sie leben so zusammenvereint, daß
man nicht sagen kann, wo das eine beginnt und das
andere endet. (Fortsetzung folgt.)

Ansichten und Gedanken.

Von Joseph Aug. Lux,^Dresden-Blasewitz.
I.

Gartenarchitektur.

Natur ist Bohstoff. Sie wird Form und Erlebnis durch die
Kunst. Schöne Gärten sind ein Ausdruck des dichterischen
Erlebnisses in der Natur. Mit anderen Mitteln ausgedrückt
kann das Naturerlebnis ein Gedicht, ein Bild, ein Drama
werden; mit Hilfe ihrer eigenen Mittel, als Vegetation, Wasser,
Erde, Stein, wird sie Architektur. Schöne Gärten sind nicht
nur schön durch das Pflanzengrün, die Blumen, Gräser und
Bäume, sie sind künstlerisch schön durch die Anlage. Alte Bäume,
von Stein werk sorgfältig eingefafst, wie ein Heiligtum im
Schrein, sie sind von dem menschlichen Geheimnis der Schön-
heit umgeben Die Huldigung wird Architektur, auch wenn
die festen Linien des Steinvvalls gelöst wären und verschweben
würden, wie der Kinderreigen Francesco Albanis um den von
Genien hevölkerten Baum. Um Francias Madonna bildet der
Bosenhag ein liebliches Gehäuse und der Meister der rheinischen
Schule erschuf eine ähnliche Gartenarchitektur um die Madonna
mit den Erdbeeren; aus Blumen und Früchten erbaut Mantegna
eine herrliche Kuppel über die Anbetung und auch dann,
wenn der Gartengedanke als selbständiges sich von der
frommen Mystik loslöst, tritt er immer wieder als Architektur
in die Erscheinung und sucht ein neues Geheimnis einzu-
schlielsen. Die mittelalterlichen Wasser- und Mauergärten, im
engen Bereich der Stadtmauern erblüht, die strengen Kloster-
gärten in weifsen Arkadenhöfen sind von der architektonischen
Grundlage ebensowenig zu trennen wie die Quelle der Arethusa
in Syrakus. Die Benaissancegärten entwickeln dieses Prinzip mit
dem stärksten Bewufstsein. Nicht die Abhängigkeit des Gartens
vom Hause allein macht es: Es ist vielmehr das autokratische
Walten des künstlerischen Geistes mit den Naturelementen,
denen er die Form geben will. Der Gedanke ist, dafs in keinem
Teil des Gartens das Gefühl der architektonischen Einheit
schwinden soll. Treppen, Balustraden, Fontänen, plastische
Gruppen geben eine immerwährende Orientierung. Nicht nur,
dals Hecken und Bäume geschnitten als Wände und Architektur-
formen erscheinen, sie eröffnen stets die Perspektive auf
einen spezifischen Architekturteil, der nicht vergessen läl'st,
dafs der Garten ein Kunstgebilde ist. Die Barockzeit betont
dasselbe Prinzip, sie stellt an die Laubwände in langen Keinen
Plastiken auf, Musen und Heroen, den olympischen Himmel
doch ist die ganze barocke Gartenplastik im Grunde nichts
anderes als skulptierte Architektur. Die Barockkünstler waren
Dekorateure, aber sie verloren dabei nicht den Blick aufs
Ganze. Die Plastiken als weifse Punkte an den grünen Laub-
wandungen stellen als Stützpunkte für das Auge die archi-
tektonische Zusammenfassung her. End wären es nur weifse
Pfeiler oder weifse Bänke, in einer bestimmten Ordnung auf-
gestellt, so würden sie eine ähnliche zusammenfassende archi-
tektonische Wirkung tun. Konstantin Somoff als feiner Nach-
empfinder der Barockkunst, hat dieses Gefühl gehabt. Die
weifsen Bänke in seinen Gartenbildern erfüllen neben den
Plastiken eine architektonische Funktion. Eine Zeit, die anders
empfindet und die nicht mit solcher Leichtigkeit Dekorations-
stücke hervorbringt wie die Barocke, wird das Sachlichkeits-

moment in den Vordergrund stellen, an Stelle des Teppich-
beetes die Farbe der Blumen in breiten Flächen und an Stelle
der steinernen Ornamente und Allegorien die rein tektonische
Anlage setzen. Die Entwickelung entscheidet heute für die
sachliche Gestaltung.

Diese sachliche Auffassung bringt die Forderung mit, dafs
ein plastisches Werk in diesem Zusammenhang ein einwand-
freies Kunstwerk sein mute. Die architektonische Sachlichkeit
läfst aber auch erkennen, dafs für den Gartenkiinstler wie über-
haupt für den Architekten die Verpflichtung nicht aufhört,
mit seinen sachlichen Mitteln dichterisch zu verfahren. AVenn
Kostbarkeit gestattet ist, dann wird jedes Architekturglied
prächtig und bewundernswert sein können, die steinerne
Quelleneinfassung mag dann ein Wunderwerk sein und der
Weg nach dem Tempel über herrliche Mosaiken führen, Unter
Umständen aber kann auf jede Mithilfe verzichtet werden, denn
der Reichtum macht nicht die Schönheit aus; das tiefste Er-
leben zu gestalten, reicht das Einfachste aus.

II.

Parkpolitik.

Die Parkpolitik ist eine Angelegenheit der Grofsstädte; sie
entspringt der Naturfreude und dem Naturbedürfnisse, die dem
Städter um so stärker zum Bewufstsein kommen, je mehr er
ihrer enthehren muL's. Die Ausbreitung der Grofsstädte, das
Verschwinden der Hausgärten, die rationelle Ausnützung der
Bauflächen haben die Parkpolitik in den Vordergrund der
Stadtinteressen gerückt und zur Tagesfrage gemacht. Alle
gröfseren Städte geben annähernd das gleiche Bild. Drei
Arten von Park- und Gartenkultur sind überall vereinigt.

Die erste Art bilden jene alten barocken Gartenschöpfungen,
einem Palast oder Schlosse zugehörig und der Benutzung des
Publikums freigegeben. Gesundheitlich und baukünstlerisch ge-
hören sie gewöhnlich zu den wertvollsten Gütern einer Stadt,
deren Physiognomie sie wesentlich mitbestimmen. Sie über-
liefern einen Schatz vorbildlicher gartenarchitektonischer Grund-
sätze hinsichtlich der Anlage der Beete, Treppen, Wege und
der geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf einen zen-
tralen Punkt zulaufen, darin sich eine schöne Statue, ein
Brunnen, eine Gartenplastik wie von einem Hain umschlossen
erhebt.

Die zweite Art bodenständiger Gartenkultur liegt an der
Peripherie der Städte in den Vororten, wo städtische und
ländliche Kultur einander begegnen.

Als grüner Gürtel mit einem ungeheuren Komplex an
Wald-, Feld- und Gartengrund 'ziehen sie um die Stadt herum
und geben, sofern sie zur Stadt gehören, derselben eine be-
sondere Schönheit, nicht nur als Naturkranz, sondern auch als
flüter und Bewahrer der älteren heimatlichen Baukunst, die
nun freilich einerseits durch städtische Mietskasernen, ander-
seits durch moderne Cottages täglich mehr verdrängt wird.
Diese halb ländlichen Vororte enthalten jene feinen Beispiele
alter Gartenkunst, die auf einen beschränkten Raum am Hause
angewiesen ist; sie überliefern beachtenswerte Lösungen hei-
mischer Vorgärten und Hausgärten. Mit den kleinen Vorgärten
sehen die Bauern- und Winzerhäuser aus wie schmucke Land-
mädchen, mit einem Blumenstrau te vor die Brust gesteckt.
Ein hölzerner Zauö geht vor der niederen Fensterreihe hin
und läfst einen schmalen Fufsweg zwischen den ebenfalls
schmalen Beeten an Hauswand und Zaun frei, nicht mehr.
Das ganze Vorgärtchen ist ans Haus gedrückt. Aber der
schmale Streifen birgt eine üppige Blumenwildnis. Buchs dient
gewöhnlich zur Einfassung der Beete, am Zaun steht blühender
Phlox in dichten Ständen, die Kapuzinerkresse, die Ringel-
 
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