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Die Gartenkunst — 9.1907

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Riebe, H.: Der "wilde Garten" in England
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Linne, Otto: Unsere Stellung zur heutigen Gartenkunstbewegung: Vortrag, gehalten in der Sitzung der Gruppe "Sachsen-Thüringen" der Deutschen Gesellschaft für Gartenbau in Leipzig am 3. März 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0103

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IX, 5

DIE GARTENKUNST

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gestattet sein. — Rasenwege sind in England im wilden
Garten sehr beliebt. Sie sind nicht Wege im eigentlichen
Sinne des Wortes, sondern wegartige, mit der Sense oder
Maschine kurzgehaltene Pfade durch Gras und Blumen-
gründe. Diese „Pfade" sind oft, namentlich in großen,
öffentlichen Gärten von ansehnlicher Breite (bis zu 6 m)
und werden vom Publikum viel lieber als die Kieswege
benutzt. Besonders entlang der farbenprächtigen, in Eng-
land so beliebten „Herbaceous Borders" sind sie sehr an-
gebracht und tragen dazu bei, den Effekt solcher „Stauden-
einfassungen" zu erhöhen und den Genuß derselben vom
weichen Rasenteppich aus zu vergrößern. Es gibt in Eng-
land wohl kaum einen Garten, und sei er noch so klein
oder groß, in welchem nicht solch ein „Herbaceous Border"
anzutreffen wäre. Wer jemals die wohl einen halben
Kilometer lange Staudeneinfassung zu beiden Seiten der
Parkfront des Schlosses zu Hampton Court in voller Blüte
gesehen hat, wird diesen Anblick nie vergessen! Diese
„Borders" kann man äußerst vielseitig und fast überall
anwenden. Sie sind gleichsam ein Bindeglied zwischen
dem ornamentalen und dem wilden Garten. — Um noch-
mals auf die Wege zurückzukommen, möchte ich noch be-
tonen, daß sie natürlich im wilden Garten durchaus zu-
lässig sind. Daß man jedoch auch in seinem Eifer Natur-
gärten zu schaffen, zu weit gehen kann, bewies ein enthu-
siastischer Verehrer des natürlichen Stils, der es nicht
duldete, daß im Herbst das Laub von den Wegen gebracht
wuide, damit dieselben natürlicher erscheinen sollten! —
Größere Rasenflächen, wenn sie auch mitten im wilden
Garten, doch unmittelbar vor Gebäuden liegen, kann man
ruhig kurz halten, ohne damit die Harmonie des Ganzen
zu stören. Derartige Beispiele kann man in England zur
Genüge beoachten. Geht doch während des Sommers
regelmäßig der Motorgrasmäher über die enorme Fläche
des „Kingof Hannover Lawn" vordem „KewPalace", während
in nächster Nähe die „wilden" Teile des Gartens beginnen.

Ich betone nun nochmals, daß man in England keines-
wegs mit dem natürlichen Stil gebrochen hat, sondern sich
immer mehr demselben zuwendet, jenem Stile, der ohne
große Nachhilfe und ohne Romantik oder Atike, die reine,
einfache Landschaft, den „wilden Garten-' zum Vorbilde
hat und dem Fürst Pückler mit seiner Schöpfung Muskau
bei uns die Bahn brach. Männer wie Walther Robinson
in England sind für jenes Land, was Pückler für die
deutsche Gartengestaltung war. Wem es vergönnt ist,
englisch zu lesen und zu verstehen, und wer Interesse
am reinen, natürlichen Stil hat, der lese W. Robinsons,
„The wild Garden", es wird ihm viel Freude bereiten.

Zeit- und Streitfragen.

Unsere Stellung zur heutigen Gartenkunstbewegung.

Vortrag, gehalten in der Sitzung der Gruppe „Sachsen-
Thüringen" der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst in
Leipzig am 3. März 1907, von Linne-Erfurt.

Meine Herren! Sie alle wissen, daß seit Jahren ein
heftiger Kampf entbrannt ist über „Gartenkunst", ein

Kampf, der nach der Art, wie er im wesentlichen geführt
wurde, sich konnzeichnet als Kampf zwischen Garten-
künstlern und anderen Künstlern — Malern, Architekten,
Bildhauern.

Die Namen Lichtwark, Muthesius, Schultze-Naumburg
sind Ihnen allen bekannt. Und ich hoffe, daß auch die
Schriften dieser Herren Ihnen bekannt sind, und ich kann
denen von Ihnen, die sie nicht keimen, nur dringend
raten, sie recht eingehend und recht oft zu studieren.
Diese Künstler sind zuerst aufgetreten gegen die Garten-
kunst, wie sie nach ihrer Anschauung, nach den Werken,
die sie sahen, war.

Sie wissen auch, meine Herren, zu welch lebhaften
Kontroversen unter den Gartenkünstlern die Schriften dieser
Herren führten!

Dann kam die Düsseldorfer Gartenbauausstellung, die
in dem Garten des Professor Behrens die erste öffentliche
praktische Ausführung eines Gartens durch einen Nicht-
fachmann brachte und der Behrensche Garten erregte
wiederum einen lebhaften Streit der Ansichten unter den
Fachkollegen.

In viel stärkerem Maße aber entstand solch ein Wider-
streit der Meinungen über die Künstlergärten in Darmstadt
1905, über die Farbengärten des Professor Olbrich, den
Sondergarten des Maler Leipheimer und die Sondergärten
der Architekten Fuchs und Koch. Ihre Gärten und
mehr noch die Ideen, die sie in ihren Vorträgen ge-
legentlich der Hauptversammlung unserer Gesellschaft in
Darmstadt erläuterten, wurden in unseren Fachkreisen
lebhaft besprochen, viel bekämpft und wenig verteidigt.

Die weitere Folge der einzelnen Kampfosphasen
brauhe ich Ihnen nicht weiter aufzuführen. Sie kennen
die Streitschrift von Camillo Karl Schneider; Sie haben
gehört und gelosen von den Sondergärten in Köln, den
Gärten der Nürnberger und Dresdener Ausstellung im
letzten Jahre und heute erst ist Ihnen berichtet worden
über die neuesten literarischen Erscheinungen, nachdem in
der vorigen Sitzung über das Buch von Willy Lange und
Stahn berichtet war.

Der Kampf ist da! — er ist auf der ganzen Linie,
in allen Lagern entbrannt und es handelt sich für uns
nur darum, welche Stellung in diesem Kampf wir ein-
nehmen,

Meine Herren! Ihnen die Stellung zu kennzeichnen,
die wir nach meiner Auffassung und nach den Er-
fahrungen, die ich in diesem Kampf bisher gemacht habe,
einnehmen müssen und meines Erachtens nur einnehmen
können, ist der Zweck meiner Ausführungen.

Ich will mich kurz fassen!

Ich halte die Vorwürfe, die die Architekten und Maler
gegen die Gartenkunst, wie sie seit Jahrzehnten fast über-
all geübt wird, erheben, im wesentlichen für durchaus
begründet — für durchaus berechtigt!

Sehen Sie sich doch einmal um in unserem deutschen
Vaterlande! Reisen Sie einmal, wie ich es in den letzten
Jahren in jedem Sommer ein paar Wochen lang gemacht
habe, von Stadt zu Stadt und sehen sich die „städtischen",
die „königlichen", die „herzoglichen" Gärten an. : Be-
 
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