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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Tietze-Conrat, Erika: Noch eine unechte Tintoretto-Zeichnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0149

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Palma Giovane. 1. Männerbildnis. Basel, Slg. R. v. Hirsch — 2. Grablegung Christi, Ausschnitt.

Venedig, Oratorio dei Crociferi

E. TIETZE-CONRAT / NOCH EINE UNECHTE
TINTORETTO-ZEICHNUNG

Hadeln, dessen mustergültige Zusammenfassung der Tintoretto-Zeichnungen ich in meinem
im letzten Hefte dieser Zeitschrift erschienenen Aufsatz nur ergänzen konnte, aher nichts
daran auszustellen fand, hat im Pantheon 1929/IV, p. 421, ein Männerhildnis — Kreide,
weiß gehöht, auf blauem Papier. 330 X 210 cm — aus dem Besitz des Herrn R. von Hirsch
(jetzt Basel) als Tintoretto veröffentlicht, das nicht von Tintoretto ist. Hadeln hat es nur
widerstrebend getan; es sei ein Unikum und er glaube auch nicht, daß Tintoretto solche
Präparationsstudien seiner Porträte öfter gemacht habe, und äußere Gründe mögen ihn
ausnahmsweise dazu veranlaßt haben. Was könnte Hadeln zu dieser Vergewaltigung seiner
Uberzeugung verführt haben? Sicher nicht die spätere Aufschrift, die das Blatt rechts
unten trägt. Eher die zeitliche Ubereinstimmung, wie sie in der Barttracht. der geistigen
Erschlossenheit des Dargestellten kenntlich ist, dazu die außerordentliche Qualität der
Zeichnung, die am leichtesten zu einem großen Namen lockt, und schließlich ein Impon-
derabil, das sich schwer formulieren läßt, das aber dasselbe gewesen sein mag, das von der
andern Seite her Lorenzetti (Venezia e il suo Estuario, p. 390) gerade bei Palmas Grab-
legung im Oratorio dei Crociferi in Venedig auf die stärkste Inspiration durch Tintoretto
hinweisen ließ. Denn die Zeichnung der Sammlung von Hirsch hat Palma Giovane als
Präparation für den Stifter in der Mitte links auf dieser Grablegung gezeichnet. Ein durch
Verwendung in einem sicheren Bilde eindeutig gesichertes Blatt! Stellung des Kopfes, jedes
Detail der Züge sind von der Präparation ins Bild (das leider stark übermalt ist) hinüber-
genommen, nur die sprühende Lebhaftigkeit, der Witz des Ausdrucks der heiligen Hand-
lung zuliebe um einige Vierteltöne tiefer gehalten. Es spielt sich diese Regulierung ganz an
der Oberfläche ab und das allein ist schon Palma, der wunderbare Anlagen mitbringt, die
beste Schulung genießt, aber doch nicht zu jener Ausschöpfung aller Möglichkeiten kommt,
die den wirklichen Meister ausmacht.

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