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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Fleischmann, Benno: Eine deutsche Kleinmeisterzeichnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0095

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BENNO FLEISCH MANN / EINE DEUTSCHE
KLEINMEISTERZEICHNUNG

Als Nachtrag zum Katalog der deutschen Handzeichnungen der Albertina sei hier auf
ein bei dieser Arbeit übersehenes Blatt dieser Sammlung hingewiesen und seine nähere Ein-
ordnung versuchsweise unternommen.

Die Federzeichnung äußerst kleinen Formates (114 : 67 mm) zeigt einen Hieronymus im
Gehäuse (Abb. 1). Der Heilige sitzt in einer Architektur — halb Hof, halb Zelle — vor dem Pult
mit aufgeschlagenem Buch. Italianisierend ist diese Szene nicht nur in ihren Formen. In
der Wiedergabe des Lichtes, seines Einfallens von links in den weiten Raum, erfüllt sich die
Absicht, diesen von einer besonderen, einer eigenartigen Stimmung entsprechenden Beleuch-
tung durchflutet sein zu lassen, und dies in der Art, wie wir es aus venezianischen Bildern des
ausgehenden Quattrocento kennen. (An Cima und im besonderen an Carpaccios Innenräume
sei erinnert.) In den Verhältnissen der einzelnen Raumteile zueinander werden ähnliche Ab-
sichten bemerkbar. Drei Ebenen werden im Bild deutlich und von Bedeutung, eine vorderste
mit dem Hieronymus, eine mittlere mit dem Löwen und dem Alkoven und die letzte, eine
Art Galerie im obersten Bilddrittel. Die verschiedenartigsten Architektur- und Raumelemente
sind hier verschmolzen. Hausrat auf dem Tisch und auf den Regalen über der Bank an der
linken Seitenwand kennzeichnet die engste Umwelt des Heiligen.

Sosehr auch die Elemente des Raumes und seiner Einzelheiten italienischen Charakters
sind, sosehr weist ihre etwas ängstliche Zueinanderstellung. aus der wir einen Hinweis auf
einen höheren Gehalt dieser Teile innerhalb des Blattes wohl entnehmen dürfen, auf einen
deutschen Künstler. Besonders die vorderste Schichte, in der das eng aneinandergepreßte
Mobiliar kaum Platz zu irgendwelcher Bewegung läßt, scheint mir zu vermitteln, wie die rein
beschaulich-geistige Meditation in fernere und offenere Regionen ausstrahlt und dort un-
gehemmt ausschwingen darf. Weiter verrät der Charakter der Zeichnung deutlich ihre
Bestimmung. Aus Linienführung. Format, Ausführung kann erkannt werden, daß wir einer
Vorlage für den Kupferstich gegenüberstehen. Der fertige Kupferstich ist auch vorhanden.
In einem der Klebebände des Dürerwerkes in der Albertina konnte ich ihn finden: gleichen
Formates, gegensinnig mit einem Dürermonogramm und der Unterschrift „de bry sculp: et
excud:". Theodor de Bry, Stecher einer Unzahl kleiner Blätter, kann nicht der Künstler
unserer Zeichnung sein, sondern er hat sich des vorhandenen, aus welchem Grund immer
nicht gestochenen Blattes bedient, um es in den Kupferstich zu übersetzen. Die Zeichnung
gehört einer wesentlich früheren Zeit an als der des Theodor de Bry. Sie entstammt dem
Kreis jener Künstler, die unter dem Namen der Nürnberger Kleinmeister zusammengefaßt
werden, die Dürers Gedanken in verbürgerlichter, ihrem Mikrokosmos angepaßter Art und
Weise weiterführten.

In einem Aufsatz im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1932 33. S. 109 ff.,
hat Edmund Schilling vier stilistisch zusammengehörige Bleigriffel- und Federskizzen aus
dem Kupferstichkabinett des Germanischen Museums veröffentlicht und sie dem Nürnberger
Goldschmied und Kupferstecher Ludwig Krug zugeschrieben; es sind Vorzeichnungen für
Druckgraphiken, zwei durch die erhaltenen Stiche, zwei durch Pausespuren unwidersprechlich
als solche zu belegen. Ihrem Stil nun, besonders dem der Vorzeichnung für die Anbetung der
Heiligen Drei Könige (a. a. 0., S. 110, Abb. 71) scheint mir das in Rede stehende Blatt der
Albertina nahezustehen. Auch hier weist die Architektonik der Zeichnung (stärker noch als
des ausgeführten Stiches) auf italienische Eindrücke hin. mehr als dies bei gleichzeitigen Ste-

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