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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Trost, Alois: Neue Briefe Schwinds über das Grillparzer-Album
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0116

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ALOIS TROST / NEUE BRIEFE SCHWINDS
ÜBER DAS GRILLPARZER-ALBUM

Vor einigen Jahren war es dem Schreiber dieser Zeilen gegönnt, in den Mitteilungen der
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst1 einige Briefe Schwinds an Bauernfeld und Frau
Josephine von Wertheimstein zu veröffentlichen, die unsere bis dahin recht kärgliche Kenntnis
seiner letzten, unvollendeten Arbeit und ihrer Geschichte ein gutes Stück gefördert haben
dürften. Als Ergänzung hiezu können jetzt noch drei Briefe an Bauernfeld, die aus demselben
Besitze stammen, bekannt gemacht werden. Zu ihrem Verständnis ist es wohl unvermeid-
lich schon einmal Gesagtes wenigstens in Kürze zu wiederholen.

„Ich soll ein Album aus Grillparzers Werken machen, und nicht für Buchhändler, sondern
für Wiener Damen, die es dem alten Herrn zu seinem 80. Geburtstag [15. Jänner 1871] ver-
ehren wollen." So berichtet Schwind an Mörike am 3. August 1870. Der Plan zu dem Werke
ist jedenfalls ausgegangen von dem Kreise der Frau von Wertheimstein, die eben damals
nach langer, schwerer Erkrankung allmählich genas, insbesondere von ihrer Schwester Ba-
ronin Sophie Todesco, die denn auch in der ersten Zeit die Verhandlungen geführt hat. Im
Juni 1870 hatte Bauernfeld, der alte Hausfreund der Familien Wertheimstein und Todesco,
mit Schwind, der damals zum letzten Mal in seiner Vaterstadt war, die Sache besprochen.
Anfang Juli war dann Schwind zur Kur nach Marienbad gereist und schreibt nun von dorther
an Bauernfeld:

Lieber Freund!

Dient zur Nachricht, daß mir die Kur recht gut anschlagt. Das Gepfeif und Gerassel im
Halse ist so gut wie weg, und ich zweifle nicht, daß auch einige Pfund Bauch sich empfehlen
werden.

Grillparzers Werke habe ich wiederholt und fleißig gelesen, und keineswegs fruchtlos. Jedoch
sind die Stellen, die unmittelbar an das Auge sprechen, selten und allesamt plastischer Natur,
wenig Figuren und so gut wie gar kein Hintergrund, als: Phaon und Melitta, Kreusa und
Medea, Hero und Leander, Jason und Medea etc. Eine größere, malerische Komposition ist
Traum ein Leben, die ganze Traumgeschichte auf einem Blatt vereinigt, Einschlafen und
Erwachen auf Nebenblättern gienge mehr ins Malerische. Desgleichen Rudolf von Habsburg
mit Katharina Fröhlich, vielleicht Grillparzer als Ottokar von Horneck. Will man die Melusina
dazu nehmen und sonst sind wir auch noch nicht zu Ende, für ein Dutzend Zeichnungen kann
ich ziemlich einstehen, aber mehr können auch nicht bis zum Jenner fertig werden. Berufe
also ein Konzil, ob das nicht zu wenig ist. Man kann noch immer auf die silberne Gedenk-
tafel „Gedicht von Bauernfeld" zurückkommen.

Du wirst auch eine schöne Freude haben über den Krieg, der wie vom Himmel herunter-
fällt oder vielmehr aus der Hölle heraufsteigt. Soll man die Kerls nicht massakrieren!

Bäsch2 ist sehr freundlich und hat mir sogar ein Zimmer zum Zeichnen eingeräumt. Heute
ist er bei seiner — sehr schönen — Braut in Franzensbad.

Leb recht wohl, grüße Dessauer3 recht schön.

Dein alter Freund Schwind.

Marienbad bei den drei Fasanen 17. Juli 1870.

1 Jahrgang 1930, S. 8 ff.

2 Dr. Samuel Bäsch, Leibarzt des Kaisers Max von Mexiko, dann Arzt in Wien, im Sommer Brunnenarzt
in Marienbad; zuletzt Universitätsprofessor in Wien.

3 Der Musiker Josef Dessauer, Schwinds und Bauernfelds alter Freund.

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