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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Benesch, Otto: Meisterzeichnungen aus dem oberitalienischen Kunstkreis, [1]
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Lotz, Arthur: Das Ornamentwerk des Radierers Andreas Bretschneider d. J., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0029

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Kreidezeichnung des Meisters erblicke.1 In sicheren Konturen mit leichtem, die plastische
Wölbung steigerndem Pentiment ist der edle, großformige Kopf umrissen. Prachtvolle Schatten-
verdickungen sitzen an linkem Jochbein, Nase, Mund, Kinn und Hals. Man spürt da die an-
schwellende Kraft des Zuges der Hand, die den Stift stärker niederdrückt, in geschmeidigem,
elastischem Schwung die Form greifbarer hervorspringen lassend. Streichelnde Lagen dunkler
und lichter Schraffen modellieren dann in zarter, lichtüberspielter Hebung und Senkung das
Relief des Antlitzes, das den Künstler allein beschäftigte, während alles Übrige in summarischen
Andeutungen verfliegt. In solcher eminent farbigen Art zu zeichnen offenbart sich die malerische
Meisterschaft des Venezianers. Das Blatt ist darin mit dem prachtvollen Prälatenkopf der Münch-
ner Graphischen Sammlung (Hadeln, a. a. O. Taf. 49) vorzüglich vergleichbar, nur daß der Meister
hier schärfer gespitzte Stifte und glatteres Papier verwendete, was im Ganzen größere plastische
Präzision der Modellierung erforderte, während das Münchner Blatt ein Mehr an poröser,
malerischer Breite des Striches sich gestattet. Die Haltung des Kopfes in seiner Verkürzung ist
für Veronese so charakteristisch, daß es sich wohl erübrigt, die Unsumme von Analogien aus
dem gemalten Werk anzuführen. Mit ihrem Sotto in su war sie vielleicht für ein hochangebrach-
tes oder Deckengemälde bestimmt, ähnlich den Evangelisten, die Veronese für S. Niccolö della
Lattuga (heute in der Accademia) malte. — Die Rückseite des Blattes zeigt in flüchtigen,
aber meisterhaften Strichen eine Jünglings- oder Frauengestalt in der für den Veroneseschen
Diagonalenrhythmus so bezeichnenden Schrägneigung mit eingestütztem Arm. Man könnte an
eine Gestalt wie die Tochter des Pharao in der Mosisfindung des Prado denken.

(Schluß folgt in Heft 2)

ARTHUR LÖTZ / DAS ORNAMENTWERK DES RADIERERS
ANDREAS B RETSCHNEI DER D. J.

Als um das Jahr 1600 in der Plastik der Ubergang der strengeren Formen des Rollwerkes
in die weichen und malerisch wirkenden des Knorpelwerkes einsetzt,2 beginnen sich bald darauf
auch im Bilddruck die Ornamentformen zu wandeln. In Süddeutschland arbeitet seit 1607
Lucas Kilian in dieser Stilart. In Mitteldeutschland macht sich Andreas Bretschneider d. J.,
einer Dresdener Malerfamilie entstammend, in seinen Radierungen mit den neuen Formen
vertraut, die wir bei ihm von dem ersten schüchternen Auftreten bis zum bewußten Erfassen
und zur vollen Ausbildung des Knorpelwerkes verfolgen können.

Über Bretschneiders Lebensgang sind wir nur dürftig unterrichtet. In G. W. Geysers Ge-
schichte der Malerei in Leipzig (Archiv für die zeichnenden Künste, Jahrg. 3, 1857), in Gustav
Wustmanns Leipziger Kupferstich im 16., 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig 1907, und im
Künstlerlexikon, herausgegeben von Thieme und Becker, ist das wenige hierüber zu finden;
allen diesen Schriften ist ein mehr oder minder vollständiges Verzeichnis der Werke bei-
gegeben. Bretschneider soll im Jahre 1578 geboren sein, um 1611 siedelt er nach Leipzig über,
wo er 1615 das Bürgerrecht erwirbt. Aus dem Jahre 1631 rühren seine letzten graphischen
Blätter her, dann verliert sich seine Spur.

1 Die Photographien verdanke ich der freundlichen Vermittlung von Herrn Dr. I. Q. van Regteren-Altena.

2 Lotte Pulvermacher, Das Rollwerk in der süddeutschen Skulptur u.id seine Entwicklung his ca. 1620.
Straßburg 1931.

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