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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Lotz, Arthur: Das Ornamentwerk des Radierers Andreas Bretschneider, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0076

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ARTHUR LÖTZ / DAS ORNAMENTWERK DES RADIERERS
ANDREAS BRETSCHNEIDER D. J. II1

Auf dem Titel eines im Jahre 1622 erschienenen Buches „Exempel und Lehr itziger Welt
Lauf" tritt das Ornamentale im Gegensatz zu den bisher besprochenen Arbeiten Bretschneiders
ganz zurück. Der Name Johann Muht als Verleger ist auf einer nur ungenügend abgeschliffenen
Stelle der Platte, an der noch Spuren der früheren Verlegerangabe zu sehen sind, neu ge-
stochen worden. Vielleicht war es Henning Groß d. J., der dieses Buch noch kurz vor seinem
1622 oder 1623 erfolgten Tode herausbrachte, oder der soeben genannte Godfridt Müller.
Ein Abdruck dieser ursprünglichen Ausgabe scheint nicht erhalten geblieben zu sein. Das
Büchlein besteht aus Titel und 20 Blatt und enthält satirische Darstellungen, die allerdings
mit mäßigem Witz vorgetragen werden. Hoffart, Faulheit und andere Untugenden werden
an den Pranger gestellt. Wustmann macht in seiner vorgenannten Schrift auf ein ähnlich
betiteltes Buch des Leipziger Malers Andreas Friedrich aufmerksam: ,,Emblemata, das ist
New Bilderbuch: darinnen durch sonderliche Figuren der jetzigen Welt Lauff und Wesen
verdeckter Weise abgemahlet", Frankfurt 1617. In ihm vermutet Wustmann, der das Buch
nicht gesehen hatte, ein Vorbild für dieses Bretschneidersche Werk. Letzteres hat jedoch
mit den erkünstelten Bildern Friedrichs und ihren allegorischen Spitzfindigkeiten nichts ge-
mein. Dagegen sind die Radierungen Bretschneiders in dieser an Begabungen armen Zeit
doch als beachtenswerte Leistungen nennenswert.2

Das bisher besprochene Ornament Bretschneiders war als Buchschmuck oder ähnliche
Verzierung geschaffen. Es bleibt nun noch übrig, ein Werk zu betrachten, in dem das Ornament
als Vorlage dient, nämlich das 1619 ebenfalls wieder von Henning Groß d. J. verlegte Model-
buch, daß außer Titel und Widmung aus 46 Blatt in Querfolio besteht (Abb. 7). Von dem
Modelbuch ist nur ein einziger ganz vollständiger Abdruck erhalten geblieben, einem zweiten
Exemplar fehlen die ersten drei Blatt. Aber doch hat dieses Buch Bretschneiders Namen
am bekanntesten gemacht, da von dem Werk vor nicht allzu langer Zeit, im Jahre 1892,
eine gute Faksimile-Ausgabe durch Peter Jessen herausgegeben wurde. Auffällig ist, daß
dieses Buch aus radierten und Holzschnitt-Tafeln zusammengesetzt ist. Nun sagt der Verleger
in der Widmung, er habe „vor ungefehr zehen Jahren ein geringes Modelbüchlein in Druck
verfertigen lassen". Von ihm ist jedoch bisher kein Abdruck aufzufinden gewesen, es ist gänz-
lich verschollen, aber die Holzschnitte mögen aus diesem früheren Buche stammen. Und
noch etwas weiter läßt sich sein Inhalt bestimmen. Im Jahre 1607 erschien bei dem Form-
schneider Wilhelm Hoffmann in Frankfurt a. M., der vorher in Leipzig tätig gewesen war,
ein Stickmusterbuch (Faksimile-Ausgabe, Wien 1876, nach dem einzig bekannten Abdruck
im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie). Und hier erweist sich etwa die
Hälfte der Tafeln als Nachschnitte im Gegensinne nach den Mustern der Holzschnitte
des Leipziger Buches. Die übrigen Blätter der Hoffmannschen Nachschnitt-Ausgabe werden
dann dem weiteren Inhalt oder wenigstens einem Teil des ersten Modelbuches von Groß ent-
sprechen, das im Frankfurter Meßkatalog, Fastenmesse 1606, zum ersten Male angezeigt wird.
Nach derselben Quelle ist in diesem Jahre noch eine zweite und 1609 eine weitere Auflage
erschienen.

Bretschneiders Name ist im Text auf dem Titel des Buches von 1619 nicht zu finden, er
ist nur an den Rand der Einfassung gesetzt. Ein zweites Mal steht er auf einem der radierten

1 Schluß des Artikels in Heft 1, S. 20 ff.

2 Elfried Bock, Die deutsche Graphik. München 1922. S. 54, Abb. 215.

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