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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Lotz, Arthur: Das Ornamentwerk des Radierers Andreas Bretschneider, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0077

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Musterblätter, einer ganz-
seitigen Füllung. Da das
Buch in seinen radierten
Blättern einen ganz einheit-
liehen Eindruck macht, ist
nicht daran zu zweifeln, daß
Bretschneider alledieseVor-
lagen für Stickereien ohne
Ausnahme geschaffen hat.
Aber auch die in Holz ge-
schnittenen Muster dürften
von Bretschneider entwor-
fen sein. Bei ihnen sowohl
wie bei den radierten Vor-
lagen wird das Ornament
aus Ranken, Blättern sowie
Natur- und Phantasieblumen gebildet, bisweilen mit Hinzunahme von Schweifwerk und auch
belebt von Menschen- und Tiergestalten. Bei den Radierungen macht sich w ohl eine leichtere
und freiere Linienführung bemerkbar, ein Gegensatz, der hauptsächlich durch die Verschie-
denheit der Technik bedingt, dann aber auch eine Folge von im Laufe der Zeit weiter erworbener
Kunstfertigkeit sein kann. Auch hat sich im einzelnen gegen früher der Ornamentenschatz auf
den radierten Tafeln vermehrt, aber doch sind sich letztere und die in Holz geschnittenen
Muster so nahe verwandt, daß man bei beiden auf ein und denselben Künstler schließen kann.

Wenn die beiden oben genannten Blätter nicht mit dem Namen bezeichnet und auf den
Mustern nicht hin und wieder Gestalten Bretschneiderscher Prägung zu sehen w ären, w ürde man
kaum auf den Gedanken kommen, diese Ornamente für Arbeiten des Andreas Bretschneider
zu halten, so weit entfernen sie sich in Technik und Inhalt von seinem übrigen graphischen
Werk. Und so stiegen auch dem Herausgeber der Faksimile-Ausgabe Zweifel auf, ob nicht
dem Radierer Anregungen von fremder Hand vorgelegen hätten. Wir haben jedoch Bret-
schneider als phantasievollen und entwicklungsfähigen Künstler kennengelernt und dürfen
ihm auch genug eigene Erfindungsgabe zum Entwerfen dieser Vorlagen zutrauen, die, der
Stickereitechnik angepaßt, als Flachornament anders zu behandeln waren als das dreidimen-
sional gedachte Roll- oder Knorpelwerk. Prüft man aber die in Radierung ausgeführten,
also erst 1619 entstandenen Musterzeichnungen des Modelbuches genauer, so wird
man doch hier und da Anklänge an Formen des Knorpelwerkes entdecken, nur eben nicht
in plastischer Auffassung. Die Richtung war Bretschneider durch die damals herrschende
Mode in solchen Stickereien, die Vorliebe für Ranken und Blumen, gewiesen, die als Vorlagen
in ähnlicher Weise, aber in geringer Zahl, schon von dem weitverbreiteten Sibmacherschen
Modelbuch gebracht worden waren, das erstmalig im Jahre 1601 zu Nürnberg erschien.
Das Bretschneidersche Buch mit seinen zarten, schwungvollen Umrißzeichnungen übertrifft
jedoch letzteres an künstlerischer Feinheit und vornehmer Aufmachung, ganz zu schweigen
von den noch mehr auf das Volkstümliche eingestellten Vorgängern in Deutschland.

Die vorstehend beschriebenen Werke Bretschneiders sind mit Namen bzw. Monogramm be-
zeichnet oder sind zweifellos als seine Arbeiten zu erkennen. Vielleicht ist aber noch ein ohne
Künstlernamen erschienenes Vorlagenbuch mit Bretschneider in Verbindung zu bringen, näm-
lich das 1621 von Godfridt Müller in Braunschweig verlegte ..Compertament Büchlein", ent-
haltend Konsolen, Aufsätze, Randverzierungen und Kartuschen in Knorpelwerk (Abb. 8 u. 9).

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