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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Lotz, Arthur: Das Ornamentwerk des Radierers Andreas Bretschneider, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0078

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8. Compertament-Büchlein 1621. 134:164 mm 9. Compertament-Büchlein 1621. 149:192 mm

Die Blätter sind radiert, der erste Teil besteht aus Titel und 12 Blatt, der zweite aus Titel
und wahrscheinlich 24 Blatt.1 Außer dem Abdruck der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin
scheint kein leidlich vollständiger erhalten geblieben zu sein. Im zweiten Teil fehlen dort
3 Blatt, und er schließt mit Blatt 23. Dieses Compertament-Büchlein ist dasjenige Werk, das
die besondere Abart des Knorpelstils, den Ohrmuschelstil, ausgereift in der reinsten Form bringt,
der zu den bisherigen Elementen des Knorpelwerkes noch die einseitig umgeschlagenen, auf-
fallend ohrmuschelartigen Schwünge in seinem Ornament verwendet unter Ausschaltung aller
nicht stilisierten naturhaften Gebilde. Die Ornamentgestaltungen des Compertament-Büchleins
sind trotz übersprudelnder Fülle doch beherrscht von ernstem Formwillen und halten sich fern
von den bisweilen maßlosen Übertreibungen der Nachfolger, die oft unbeholfen in der Zeichnung
und unsicher im Geschmack dem Knorpelstil den üblen Buf zugezogen haben, unter dem er
* später gelitten hat.

Lucas Kilians Bedeutung für die Entstehung des Knorpelstils in Deutschland, wenigstens
für eine seiner Bichtungen, ist bekannt. Zum ersten Male treten in seinem Vorlagenwerk von
1607 „Newes Gradesca Büchlein" hin und wieder Verdickungen und zerfließende Bildungen
an den Schweifgrotesken auf, nachdem schon an niederländischen und deutschen Ornament-
stichendes 16. Jahrhundertes Ansätze hierzu beobachtet werden konnten. Jedoch erst in Kilians
nächstem Vorlagenwerk „Newes Schildtbyhlin 1610" kommt in den ruhigen, langzügigen
Schwüngen des Kartuschornamentes, das sehr oft mit naturalistisch aufgefaßtem figürlichen
Beiwerk verbunden ist, die neue Stilart voll zur Entfaltung. Und in dem „Newe Gradisco
Buech" von 1624 wendet Kilian die verknorpelten Schwünge bewußt in demselben Sinne auf
die Schweifgrotesken an. Diese Kiliansche Art des Knorpelwerkes läßt sich auf italienische
Vorbilder zurückführen. Die Umrahmungen Francesco Villamenas, die er für ein Schreibvor-
lagenbuch des Ludovico Curione „il Cancelliere", Bom, um 1602, schuf, bewegen sich in gleichen
Formen, wenn auch die Erweichung der Masse noch nicht so stark wie bei Kilian zum Aus-

1 Nachstiche des ersten Teiles unter dem Titel: Compertamenti. Argentinae. Typis Jacobi ab Heyden, ferner
unter dem Titel: Neues Compertimentbüchlein für Schreiner ... zu finden in Nürnberg, bey Paulus Fürsten.

"Wiedergaben einzelner Blätter in: W. K. Zülch, Entstehung des Ohrmuschelstils. Heidelberg 1932. Abb. 127-144;
ferner in: Herbert Rudolph, Die Beziehungen der deutschen Plastik zum Ornamentstich in der Frühzeit des sieb-
zehnten Jahrhunderts. Berlin 1935. Abb. 35, 36, 38—43, 45.

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