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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Benesch, Otto: Meisterzeichnungen aus dem oberitalienischen Kunstkreis, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0075

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Blatt (Nr. 501), das sich deutlich als stilistische Analogie zu dem Wiener zu erkennen gibt.1 Es
enthält 6 Studien zu einem mit dem Bogen spielenden Cupido (die 3 rechten zusammengeklebt).
Die Wiener Federzeichnung vereinigt eine eigenartige Naivität des Ausdrucks, die etwas
Kindliches, fast Linkisches hat. mit einer inneren Größe und Monumentalität der Form-
erfassung, die den Genius erster Größe erkennen läßt. Dieses Ausdruckhafte gewinnt in den
verschiedenen Stellungen des büßenden Hieronymus eine bezwingende Intensität, die sich
vor allem in Haltung und Gestus äußert. Das Lineament ist unklar, tastend, bröckelig, ja
scheinbar fast unsicher neben der Klarheit der Florentiner, farbigen Treffsicherheit der Vene-
zianer. Hier ist eben alles seelischer Ausdruck, der sich in Rhythmus, Bewegung und Gebärde
äußert. Ausdruckhaft ist auch das Spiel der Linien, das Handschriftliche an sich, abseits von
aller Formbedeutung. Darin steht Correggio unter allen großen Cinquecentisten einzig da.
Er nimmt vieles von der nordischen Barockkunst vorweg (ging doch das Blatt in der alten
Albertinapublikation als Studien eines Rembrandtschülers nach italienischen Meistern!).
Das Würzburger Blatt gleicht darin dem Wiener. Köstlich, wie mit wenigen Linien das lässige
Tändeln, das Verspielte in den Bewegungen des Kinderkörpers gegeben ist. Wir können schwer
sagen, ob wirkliche Naturstudien vorliegen. Jedenfalls eine Unmittelbarkeit der Beobachtung,
die den Atem des Lebens selbst in die Linien zu bannen vermag.

11. Parmigianino, Die hl. Familie. Feder in graubraunem Bister auf hellgraubraunem
Papier. 300x205 mm. Brünn, Sammlung Dr. Otto Feldmann (Abb. 18).

Das Blatt, das sich mit keinem der bekannten Werke des Meisters in Verbindung bringen
läßt, behandelt ein von ihm oft variiertes Thema. Unter Verzicht auf Assistenzfiguren faßt
es die drei heiligen Gestalten zu einer großzügigen, diagonal den Raum füllenden Gruppe
zusammen. Machtvoll, reich an Kontraposten ist ihr Bau. Die Reife der Erfindung, der zu
höchster Freiheit und Meisterschaft entwickelte Federzug lassen auf ein Werk späterer Jahre
schließen. Die meisten Analogien dürften wir bezüglich der zeichnerischen Struktur in den
Vorstudien für die Steccatafresken finden. Die spröden, flirrenden Lagen von Parallelen sehen
wir z. B. im Deckenentwurf des British Museum und der Prophetenstudie der Pinakothek
in Parma.2 Die bei allem Schweben, allem fliegenden Schwung fast marmorne Festigkeit
und splitternde Härte der Draperie ist dem Entwurf für die Marienkrönung der Steccata3
geläufig. Eine Vielfalt von Pentimenten löst die langfingrigen Hände der Madonna zu flim-
mernden Gebilden von lässiger Grazie der Bewegung auf (vgl. die Londoner Federstudien
für die Madonna del collo lungo).4 Eilende Bewegtheit und spröde Festigkeit in Einem sind
für den graphischen Charakter der Zeichnung bestimmend. Das Schäumende, Gelockte von
Parmigianinos Federzug findet sich hinwider in Bäumen und Büschen, die zur Fensteröffnung
hereinblicken, ganz verwandt wie auf dem Nymphenbad der Uffizien.5 Die Verankerung der
Zeichnung im Werk des Meisters ist so vielfach, daß ihrer Eingliederung kaum Zweifel
begegnen werden.

1 Die Photographie verdanke ich der liebenswürdigen Vermitthing von Herrn Dr. Kieser.

2 Lili Fröhlich-B um. Parmigianino. Wien 1921 Abb. 52. u. 62.

3 Ib. Abb. 63.

4 Ib. Abb. 49/50,

5 Ib. Abb. 89.

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