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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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Zoege von Manteuffel, Kurt: Handzeichnugnen eines vergessenen Deutschrömers
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0162

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Der Direktor des Kupferstichkabinetts Dresden iiber-
gibt dem „Kunstwanderer“ das nachstehende für die
Kunstwissenschaft wichtige Material zur Veröffentlichung.
9 n Andresens „Die Deutschen Maler-Radierer“a) ist
1 mit einigen Blättern ein heute vergessener Maler und
Radierer vertreten: Carl Schumacher. Seine dort mit-
geteilte Lebensgeschichte läßt ein Schicksal, ähnlich
dem der meisten um die Jahrhundertwende geborenen
deutschen Künstler, erkennen. Der 1797 Geborene be-
sucht, nachdem er die Möglichkeit zum Ktinstlerberuf
errungen hat, zwei Jahre lang (1819—1821) die Dres-
dner Akademie, geht, das Herz von Hoffnungen ge-
schwellt, nach Rom (1821) und wird nach der Rück-
kehr in die Heimat (1825) ein gut beschäftigter Fresken-
und Bildermaler.2) Wie die meisten seiner Zeitgenossen
wurde er rasch vergessen. Die großen Freskenreihen
und die mit unzulänglichen malerischen Mitteln ausge-
führten Tafelbilder aus der Mitte des neunzehnten Jahr-
hunderts mußte eine fortschreitende, feinster Ausbil-
dung der Farben- und Lichtmalerei zustrebende Zeit
ablehnen. Nur die größten Künstler jener romantischen
Epoche haben tiber den Impressionismus hinaus ihren
Ruhm bewahrt. Daß Schumacher zu ihnen niclit ge-
hören konnte, nimmt angesichts seiner, meist in seinem
Gebuftslande Mecklenburg zu findenden, Arbeiten nicht
Wunder. Das Urteil der folgenden Generation über ihn
mußte notwendigerweise vor den späten Werken und
vor den umfangreichsten entstehen. Sucht man Schu-
macher einmal von seinen Jugendwerken und besonders
von seinen zeichnerischen Arbeiten her zu würdigen,
so wird sich im Urteil einer Zeit, die der Parteinahme
für diese bereits geschichtlich gewordenen Erschei-
nungen entrückt ist, eine wenn auch bedingte Schätzung
ergeben.
Ein Zufall stellte dem Verfasser ein großes Konvo-
lut Handzeichnungen in den Weg, die als Arbeiten Ju-
lius Sclmorrs von Carolsfeld galten und aus Dresdner
Besitz stammten. Miihsame, vielverzweigte Nachfor-
schuno*en fiihrten auf den 1869 in Dresden verstorbenen
Carl Schumacher, dessen Nachlaß dieses Konvolut of-
fenbar entstammt.3) Die Ordnung der Blätter ergab ge-
schlossene Gruppen, und diese ließen sich zum Teil mit
ausgeführten Werken des Künstlers verbinden. Die
Hauptmasse entfällt auf die in den Jahren 1846 bis 1848
entworfenen und bald darauf von dem Glasmaler Ernst
Gillemeister ausgeführten Fenster mit Bildnissen meck-

D Bancl 2, Leipzig 1867, S. 121 ff.
2) Vgl. F. v. Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts,
Band H, zweite Hälfte (1901) S. 681 f., wo eine Anzahl seiner
Werke aufgezählt ist, sowie Andresen a a. 0.
3) Ein Teil davon gelangte seitdem durch Schenkung in das
Kupferstichkabinett zu Dresden. Der Rest ging in den Dresdner
Kunsthandel iiber,

lenburgischer Herrscher im unteren Saal des Johann-
Albrechtsbaues im Schweriner Schloß.4) Es sind zahl-
reiclie vorbereitende Aktstudien, Entwürfe, ausgeführte
Vorzeichnungen zu den einzelnen Gestalten sowie Stu-
dien zu Gewändern, Händen und sonstigen Einzelheiten.
Eine ganze Reihe ähnlicher Studien weist auf andere
Schweriner Arbeiten Schumachers hin.
Besonders liübsch ist eine Folge Ansichten meck-
lenburgischer Schlösser und Ortschaften und mecklen-
burgischer Trachtenbilder, deren einzelne Blätter meist
mit Ouadratnetzen für die Übertragung versehen sind.
Sie stimmen genau überein mit Steindrucken des 1841
bis 1845 erschienenen Werkes „Mecklenburg in Bildern“
von G. C. F. Lisch.5 6) Von den 100 Jllustrationen dieses
Werkes sind 18 in dem Konvolut enthalten; drei weitere
gleichartige Ansichten kommen bei Lisch nicht vor,
wurden also offenbar verworfen. Man wird nicht fehl-
gehn, wenn man nicht nur für die erwähnten 18 Jllu-
strationen, sondern aucli für die übrigen des Werkes,
die bisher mit keinem Künstlernamen zu verbinden
waren, Schumacher die Autorschaft zuschreibt.
Endlich fand sich in dem Konvolut eine große An-
zahl Kopieen nach italienischen Gemälden. Die Aus-
wahl zeugt deutlich von der präraffaellitischen Gesin-
nung des Künstlers während seines Aufenthalts in Ita-
lien: es sind ausnahmslos Werke des 14. und 15. Jahr-
hunderts. Besonders die giotteken Fresken in der Un-
terkirche zu Assisi und die Arbeiten Fra Angelicos in
Orvieto und Florenz haben es ihm angetan.c) Sorg-
fältig ist auch ein Werk früher nordischer Kunst, der
Stich der Heiligen Katharina von Martin Schongauer
(B. 65), nachgezeichnet.
Interessanter als die genannten Blätter sind einige,
die sich mit den von Andresen beschriebenen Radierun-
gen in Verbindung bringen lassen. Sie zeigen, daß
Schumacher, ehe er zu dem Historienmaler seiner spä-
teren Zeit wurde, ganz in der Anschauungsweise der
süddeutschen Ronrantiker gelebt hat. Eine dieser
Zeichnungen ist die Vorlage zu der „Wacht auf der
Höhe“ (Andresen 6). Sie stimmt bis auf jede Einzelheit
mit der Radierung überein und weicht nur im Ausschnitt
von ihr ab. Durch Weglassen breiter Streifen oben,
nnten und links ist das Bildfeld bei der Ausführung auf
der Kupferplatte auf etwa ein Drittel verkleinert wor-
den (bei gleichem Maßstabe der Darstellung mißt die
4) Vgl. W. Raabe, Mecklenburgische Vaterlandskunde, I (1857)
S. 33 und L. Fromm, Chronik der Haupt- und Residenzstadt
Sc.hwerin. 1862 S. 445. Fiir Auskünfte iiber diese Glasmalereien
bin ich Herrn Direktor Dr. Josephi in Schwerin zu Dank ver-
pflichtet.
5) Rostock, J. G. Tiedemannsche Hof-Steindruckerei, 3 Bän-
de, 1841—1845.
6) Die Kopieen aus Orvieto und Assisi sind zweifelsohne 1823,
die aus Florenz wahrscheinlich 1824 entstanden. Vgl. Andresen
a. a. 0. S. 123,
 
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