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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juniheft
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Berling, Karl: Ein Meißner Watteauservice in Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0386

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I m Jahre 1738 wurde in Dresden Marie Amalie
Christine, die Tochter des sächsischen Kurfürsten
Friedrich August II., mit Karl IV., dem Könige beider
Sizilien, vermählt. IJa hier zum ersten Male eine
sächsische Prinzessiu einen regierenden König heira-
tete, scheinen die Hochzeitsfeierlichkeiten ganz beson-
ders prächtig, die Mitgift außerordentlich reich ausge-
fallen zu sein. Zu der letzteren gehörte, wie es bei der
damaligen Bedeutung der Meißner Porzellanfabrik nicht
anders zu erwarten ist, auch ein großer Schatz der
dort gefertigten, viel bewunderten Kunstwerke.
Die Akten melden, daß dies 14 Friihstücksservice,
mehrere kleine Gefäße, 2 Trinkbecher, eine Suppen-
terrine und ein Satz von 7 Kaminvasen waren, die am
29. Juni des genannten Jahres (Anfang Mai war die
Vermählungsfeier gewesen) in 17 reich geschmückten
Lederfutteralen verpackt, zur Abseudung in Meißen
bereit standen.
Es ist begreiflich, daß sich die Porzellanmitgift,
bei deren Anfertigung sich die Fabrik sicher alle er-
denkliche Miihe gab, von Anfang an des großten Bei-
falls zu erfreuen hatte. Denn noch vor Absendung der
erwähnten Stücke war für das sizilianische Königspaar
eine Nachlieferung in Auftrag gegeben worden, die aus
folgendem bestehen sollte: aus zwei weiteren Früh-
stücksservicen, 6 Tässen und 6 Chokoladenbechern, die
für „die große Silber-Toilette“ bestimmt waren, 24
weißen und roten Chokoladenbechern und endlich noch
einem — somit dem 17. Frühstücksservice.
Bei dem großen Interesse, das Karl IV. fiir Porzel-
lane gezeigt hat — ist er es doch, dem wir die Grün-
dung der Prozellanfabriken von Capo de Monte und
von Buen Retiro verdanken — glaubte ich annehmen zu
dürfen, daß er, als er 1759 als Karl 111. den spanischen
Thron bestieg und mit seiner Gemahlin nach Madrid
übersiedelte, auch dafür besorgt gewesen zu sein, deren
Porzellanmitgift nach der neuen Residenz hiniiber-
zunehmen.
Infolgedessen habe ich bei einem kurzen Aufenthalt
in Spanien die Gelegenheit benutzt, nach diesem sächsi-
schen Porzellan zu suchen. Und wenn es mir zunächst
auch nur gelungen ist, von einem einzigen und zwar
dem 17ten Frühstücksservice einige Reste aufzufinden
— ich lioffe meine Forschungen bald fortsetzen zu
können —, so halte ich diese doch fiir wichtig genug,
liier über sie einige Mitteilungen zu machen.
Im Königlichen Palast in Madrid, wo man in erster
Linie suchen möchte, habe ich allerdings bis jetzt nur
ein einziges Stiick gefunden und auch dies ist erst vor
einigen Jahren durch Ihre Majestät die Königin Da.
MariaChristina von einemHändler wieder zurückerwor-

ben worden. Es heißt,1) daß bei der Revolution von 1868
zu der Zeit, als der Marschall Serrano im Schloße von
Madrid residierte, ein großer Teil der damals dort im
Ghinero (Porzellankammer) aufbewahrten Porzellan-
service verschenkt oder verkauft worden seien. Hier-
unter sollen sich auch solche vom grüngoldenen Wat-
teauservice befunden liaben, die auf diese Weise an
verschiedene Stellen gekommen sind. Von ihnen ist
es mir geglückt, außer dem oben erwähnten Stück der
Königin noch 19 andere, also insgesamt 20, nachzu-
weisen.
Der dieses Frühstücksservice betreffende Teil der
Bestellung in Meißen hatte folgenden Wortlaut:2)
,,Ein Servis mit goldenen Rändgen und Watteau-
ischen Figuren emaill, bestehend in 12 paar Caffe-
und 12 paar Thee- auch 12 paar Chocolate Tassen,
1 Weißer Spühl Napff, 1 Chocolate- und 1 Caffe auch
1 Milch-Kanne, 1 The pöt samt Unterschale, 1 Zucker-
dose, 1 Credenz-Teller.“
Mit diesen hier aufgeführten Porzellanen ver-
mochte ich bis jetzt mit Sicherheit nur zwei oder drei
zu identifizieren und zwar eine Schokoladentasse mit
Unterschale, die Milchkanne und — vielleicht — den
Sptilnapf, obgleich das Stück, das ich dafür halte, in
seiner geraden Wandung eine von dem Ueblichen ab-
weichende Forrn zeigt. Die liohe, leiclit nach oben sich
erweiternde Schokoladentasse lehnt sich an dem an,
was wir von Meißen kennen. Ihre Untertasse weicht
von dem Prinzip, das sonst bei den Formen des Servi-
ces zur Geltung kommt, insofern ab, daß ihre Grund-
form einfach vierzackig ist, und daß die aus dem
Gold gekratzten Ornamente, die sonst weiß gelassen
wurden, mit grüner Farbe ausgefüllt sind.
Daß man zu einem solchen Frühstücksservice auch
eine Teedose mitgeliefert hat, kann, wenn sie auch
in der Bestellung nicht erwähnt ist, nicht befremden.
Denn Meißen hat damals solche Stücke angefertigt und
zwar in der Gesamtform ganz ähnlich der Teedose, die
ich, mit den sonstigen Merkmalen dieses Services ver-
sehen, in der Sammlung von Klemperer gefunden habe.
Die übrigen 16 Porzellane können indessen mit dem
angeführten Aktenauszug nicht unmittelbar in Zusam-
menhang gebracht werden, so daß man eine Erweite-
rung der ursprünglichen Bestellung annehmen muß,
wobei die Frage, wann eine solche geschehen sein mag,
zunächst offen bleiben muß.
Die 20 von mir bis jetzt gefundenen Stücke befin-
den sicli an folgenden Stellen: eine Schale besitzt Ihre

6 Den Herren VVeißberger und Direktor Dangers in Madrid
danke ich auch an dieser Stelle bestens dafiir, daß sie mich bei
meinen Nachforschungen freundlichst unterstiitzt haben.
2) Hauptstaatsarchiv Dresden. Die Porzelian-Fabrik bet.
1728/9 Loc. 1342 Vol. S. 40.

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