Koftbace Tifcbut)cen in Qotdemait
oon
Cavl jvtaTfets
Carl Marfels, der in den internationalen Kunstkreisen
geschätzte Uhrensammler, dessen erste Sammlung sei-
nerzeit von Pierpont Morgan erworben worden ist, be-
geht in Neckargemünd bei Heidelberg am 6. Dezember
seinen 70. Geburtstag. Der „Kunstwanderer“ wünscht
seinem Mitarbeiter, der das Sammeln seltener Uhren
nicht aufgegeben hat, noch viele Jahre erfolgreichen
Wirkens.
I Toldemail! Welches Zauberwort für den Sammler
alter Goldschmiedearbeiten! Welch’ berauschende
Bilder, schönen Traumgeschichten vergleichbar, löst
es in demjenigen aus, der Gelegenheit hatte, sich in die
wunderbaren Werke zu versenken, die uns von den
ältesten Zeiten an von meistens unbekannten Meistern
der Goldschmiedekunst erhalten sind! Ob es sich da-
bei um Funde aus Pharaonengräbern handelt, wie das
herrliche, nur wenige Zentimeter große goldemaillierte
Onyxköpfchen des museo municipale in Turin und die
edelsteinbesetzten Prunkstücke des Tutanchamons; ob
man dabei an die ruhig wirkenden altgriechischen Aus-
grabungen denkt, oder an die in Feuerglut leuchtenden
byzantinischen Emailplaquettes des Louvre; ob wir
uns des sogenannten Subskriptions-Pokals im British-
Museum in London erinnern, oder der wunderbaren
Kelche und Monstranzen der deutschen Kirchenschätze;
ob wir in Erinnerungen an die goldemaillierten Trink-
gefäße und Bijoux der Renaissance schwelgen, die im
Hofmuseum in Wien, im Grünen Gewölbe in Dresden,
im Schloßmuseum in Berlin, in der Reichen-Kapelle in
München und im Louvre in Paris unser Entzücken er-
regen, oder an die feinen Tabatieren, die wir an so vie-
len Gottgeweihten Kunststätten antreffen: stets hat man
das Gefiihl, als ob ihre Verfertiger nur von dem e i n e n
Gedanken, dem einen Triebe erfüllt gewesen seien,
etwas Großes und Schönes zu schaffen, an dem sich
noch die spätesten Geschlechter erheben könnten. Und
doch waren die Schöpfer jener Kunstwerke in Rasse,
Religion, Bildung und Weltanschauung zweifellos so
verschieden, wie es nnr Menschen sein können, die
durch so weite Länderstrecken und so lange Zeiträume
getrennt sind. Mag doch auf viele von ihnen, wie bei-
spielsweise die altägyptischen Künstler, das Wort By-
rons zutreffen:
Dust long ontlasts the storied stone,
But Thou — Thy very dust is gone.
Ja, von ihnen ist selbst der Staub nicht mehr, so
lang er auch den Gedächtnisstein überdauern mag!
Wenn der Neuling im Sammeln zum ersten Male
die Preise von alten Goldschmiedearbeiten nennen hört,
staunt er gewöhnlich über den großen Wertunterschied
zwischen Objekten der gleichen Art, je nachdem sie in
B r o n z e , S i 1 b e r oder G o 1 d gefertigt sind. Er
meint gewöhnlich, der Preisunterschied könne doch bei
annähernd gleicher Arbeit nur soviel betragen, als der
Melirwert des aufgewendeten Silbers oder Goldes ge-
genüber der Bronze ausmache. Bei Verwendung von
Edelsteinen und Perlen könne höchstens noch deren
Wert dazu kommen. Diese Meinung ist aber grund-
falsch! Nehmen wir einmal an — um bei dem Fache
zu bleiben, das mir am nächsten liegt, d e r U h r -
m a c h e r e i, es handle sich um drei Ei-Uhren des
sechzehnten Jahrhundert in ungefähr gleicher künstle-
rischer Ausstattung. Die eine habe ein Bronzegehäuse,
die zweite ein silbernes und die dritte ein Gehäuse von
Gold. Die Bronze-Uhr soll einen Materialwert von
1 Goldmark, die silberne einen solchen von 5 Mark
und die goldene von 200 Mark. Unter Zugrundelegung
eines Marktpreises von 500 Goldmark für die Bronze-
Uhr dürfte die silberne Uhr nach Ansicht unseres Neu-
lings somit 504 Mark und die goldene etwa 700 Mark
kosten. Davon kann aber in Wahrheit gar keine Rede
sein, sondern die silberne würde in diesem Falle wahr-
scheinlich einige Tausend Mark und die goldene gar
10 000 Mark kosten. Der Grund ist bei näherem Nach-
denken auch unschwer einzusehen. Ein goldener Ge-
genstand ist von vornherein meistens mit viel mehr
Sorgfalt gearbeitet, als ein solcher in Silber oder gar
in unedlem Metall. Dann aber läßt sich Gold auch viel
feiner ziselieren und gravieren und vor allen Dingen
viel feiner emaihieren. Man denke nur an den Unter-
schied zwischen Kupfer- und Silberemail einerseits,
und Gofdemail andererseits. Wie hart und kalt sind
doch die beiden ersteren, und um wieviel feinere Wir-
kungen lassen sich dagegen mit Malereien in Goldemail
erzielen! Nimmt man dazu noch die diskrete Wirkung
der tafelförmigen Edelsteine an alten Werken der Gold-
schmiedekunst, die im Gegensatz zu unseren modernen
Arbeiten niemals aufdringlich aus dem Ganzen „heraus-
knallen“. dann wird man verstehen, warum alte Arbei-
ten in Goldemail so außerordentlich stark begehrt und
infolgedessen auch so viel höher bezahlt werden, als
ähnliche Arbeiten in unedlem Metall oder Silber.
Die Verwendung des Goldes zu kunstgewerblichen
Arbeiten ist im allgemeinen von jeher auf nicht zu große
Gegenstände beschränkt gewesen, wie Pokale, Dosen,
Taschenuhren, Anhänger, Ringe, Ketten, Beschläge von
Gefäßen und dergl., denn bei voluminösen Gegenstän-
den spielt der Preis des Goldes eine zu große Rolle.
Während man in Silber noch gigantischen Kunstwerken
begegnet — man denke nur an das 80 Zentner schwere
silberne Grabmal des Heil. Nepomuk im Dom des
Hradschin Prag — bilden schon Kunstwerke in der
Größe der Pala d’oro in der Markuskmche in Venedig
oder die goldene Schmuckkasette des Louvre in Paris
große Ausnahmen. Immerhin wissen wir. daß im Alter-
tum vereinzelt auch riesige Werke in G o 1 d herge-
stellt wurden: ich erinnere nur an das 12 Meter hohe
Standbild der Pallas Athene im Parthenon zu Athen,
eine Arbeit von Phidias, für das nicht weniger als 44
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Cavl jvtaTfets
Carl Marfels, der in den internationalen Kunstkreisen
geschätzte Uhrensammler, dessen erste Sammlung sei-
nerzeit von Pierpont Morgan erworben worden ist, be-
geht in Neckargemünd bei Heidelberg am 6. Dezember
seinen 70. Geburtstag. Der „Kunstwanderer“ wünscht
seinem Mitarbeiter, der das Sammeln seltener Uhren
nicht aufgegeben hat, noch viele Jahre erfolgreichen
Wirkens.
I Toldemail! Welches Zauberwort für den Sammler
alter Goldschmiedearbeiten! Welch’ berauschende
Bilder, schönen Traumgeschichten vergleichbar, löst
es in demjenigen aus, der Gelegenheit hatte, sich in die
wunderbaren Werke zu versenken, die uns von den
ältesten Zeiten an von meistens unbekannten Meistern
der Goldschmiedekunst erhalten sind! Ob es sich da-
bei um Funde aus Pharaonengräbern handelt, wie das
herrliche, nur wenige Zentimeter große goldemaillierte
Onyxköpfchen des museo municipale in Turin und die
edelsteinbesetzten Prunkstücke des Tutanchamons; ob
man dabei an die ruhig wirkenden altgriechischen Aus-
grabungen denkt, oder an die in Feuerglut leuchtenden
byzantinischen Emailplaquettes des Louvre; ob wir
uns des sogenannten Subskriptions-Pokals im British-
Museum in London erinnern, oder der wunderbaren
Kelche und Monstranzen der deutschen Kirchenschätze;
ob wir in Erinnerungen an die goldemaillierten Trink-
gefäße und Bijoux der Renaissance schwelgen, die im
Hofmuseum in Wien, im Grünen Gewölbe in Dresden,
im Schloßmuseum in Berlin, in der Reichen-Kapelle in
München und im Louvre in Paris unser Entzücken er-
regen, oder an die feinen Tabatieren, die wir an so vie-
len Gottgeweihten Kunststätten antreffen: stets hat man
das Gefiihl, als ob ihre Verfertiger nur von dem e i n e n
Gedanken, dem einen Triebe erfüllt gewesen seien,
etwas Großes und Schönes zu schaffen, an dem sich
noch die spätesten Geschlechter erheben könnten. Und
doch waren die Schöpfer jener Kunstwerke in Rasse,
Religion, Bildung und Weltanschauung zweifellos so
verschieden, wie es nnr Menschen sein können, die
durch so weite Länderstrecken und so lange Zeiträume
getrennt sind. Mag doch auf viele von ihnen, wie bei-
spielsweise die altägyptischen Künstler, das Wort By-
rons zutreffen:
Dust long ontlasts the storied stone,
But Thou — Thy very dust is gone.
Ja, von ihnen ist selbst der Staub nicht mehr, so
lang er auch den Gedächtnisstein überdauern mag!
Wenn der Neuling im Sammeln zum ersten Male
die Preise von alten Goldschmiedearbeiten nennen hört,
staunt er gewöhnlich über den großen Wertunterschied
zwischen Objekten der gleichen Art, je nachdem sie in
B r o n z e , S i 1 b e r oder G o 1 d gefertigt sind. Er
meint gewöhnlich, der Preisunterschied könne doch bei
annähernd gleicher Arbeit nur soviel betragen, als der
Melirwert des aufgewendeten Silbers oder Goldes ge-
genüber der Bronze ausmache. Bei Verwendung von
Edelsteinen und Perlen könne höchstens noch deren
Wert dazu kommen. Diese Meinung ist aber grund-
falsch! Nehmen wir einmal an — um bei dem Fache
zu bleiben, das mir am nächsten liegt, d e r U h r -
m a c h e r e i, es handle sich um drei Ei-Uhren des
sechzehnten Jahrhundert in ungefähr gleicher künstle-
rischer Ausstattung. Die eine habe ein Bronzegehäuse,
die zweite ein silbernes und die dritte ein Gehäuse von
Gold. Die Bronze-Uhr soll einen Materialwert von
1 Goldmark, die silberne einen solchen von 5 Mark
und die goldene von 200 Mark. Unter Zugrundelegung
eines Marktpreises von 500 Goldmark für die Bronze-
Uhr dürfte die silberne Uhr nach Ansicht unseres Neu-
lings somit 504 Mark und die goldene etwa 700 Mark
kosten. Davon kann aber in Wahrheit gar keine Rede
sein, sondern die silberne würde in diesem Falle wahr-
scheinlich einige Tausend Mark und die goldene gar
10 000 Mark kosten. Der Grund ist bei näherem Nach-
denken auch unschwer einzusehen. Ein goldener Ge-
genstand ist von vornherein meistens mit viel mehr
Sorgfalt gearbeitet, als ein solcher in Silber oder gar
in unedlem Metall. Dann aber läßt sich Gold auch viel
feiner ziselieren und gravieren und vor allen Dingen
viel feiner emaihieren. Man denke nur an den Unter-
schied zwischen Kupfer- und Silberemail einerseits,
und Gofdemail andererseits. Wie hart und kalt sind
doch die beiden ersteren, und um wieviel feinere Wir-
kungen lassen sich dagegen mit Malereien in Goldemail
erzielen! Nimmt man dazu noch die diskrete Wirkung
der tafelförmigen Edelsteine an alten Werken der Gold-
schmiedekunst, die im Gegensatz zu unseren modernen
Arbeiten niemals aufdringlich aus dem Ganzen „heraus-
knallen“. dann wird man verstehen, warum alte Arbei-
ten in Goldemail so außerordentlich stark begehrt und
infolgedessen auch so viel höher bezahlt werden, als
ähnliche Arbeiten in unedlem Metall oder Silber.
Die Verwendung des Goldes zu kunstgewerblichen
Arbeiten ist im allgemeinen von jeher auf nicht zu große
Gegenstände beschränkt gewesen, wie Pokale, Dosen,
Taschenuhren, Anhänger, Ringe, Ketten, Beschläge von
Gefäßen und dergl., denn bei voluminösen Gegenstän-
den spielt der Preis des Goldes eine zu große Rolle.
Während man in Silber noch gigantischen Kunstwerken
begegnet — man denke nur an das 80 Zentner schwere
silberne Grabmal des Heil. Nepomuk im Dom des
Hradschin Prag — bilden schon Kunstwerke in der
Größe der Pala d’oro in der Markuskmche in Venedig
oder die goldene Schmuckkasette des Louvre in Paris
große Ausnahmen. Immerhin wissen wir. daß im Alter-
tum vereinzelt auch riesige Werke in G o 1 d herge-
stellt wurden: ich erinnere nur an das 12 Meter hohe
Standbild der Pallas Athene im Parthenon zu Athen,
eine Arbeit von Phidias, für das nicht weniger als 44
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