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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juliheft
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Rave, Paul Ortwin: Neuerwerbungen der National-Galerie, [2]
DOI Artikel:
Wegener, Hans: Deutsche Illustration im XV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0441

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die beiden seltsamen Gemälde Friedrich Georg Ker-
stings erwähnt, die er als Denkmal anf seine in den
Freiheitskriegen gefallenen Freunde Friesen, Körner
und Hartmann 1815 gemalt hat. Doch gdeichzeitig sei

auf die aufschlußreiche Studie Eberleins verwiesen
(Cicerone XVI, 1924 S. 846), wo über Ursprung, Sinn
und Beziehungen gerade dieser zwei Bildchen Er-
schöpfendes berichtet worden ist.

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Im Verlage des Volksverbandes der Bücherfreunde er-
1 schien vor kurzem eine Ausgabe des Nibelungen-
liedes in der Simrockschen Uebersetzung und mit den
Bildern der einzigen illustrierten Nibelungenhandschrift.
Hermann Degering, der diese Ausgabe besorgte und
mit einem Vorwort versah, hat das große Verdienst, im
Rahmen eines Buches, das in Type und Textanordnung
den Charakter einer Handschrift aufs glücklichste wie-
dergibt, zum ersten Male das gesamte Bildmaterial
einer deutschen Handschrift des XV. Jahrhunderts in
farbigem Offsetdruck zu veröffentlichen.
Es erscheint merkwürdig, daß sich die Kunstge-
schichte mit der deutschen Illustration des späten Mit-
telalters noch nicht allzuviel beschäftigt hat, ist doch
gerade das XV. Jahrhundert illustrationsgeschichtlich
besonders interessant. Das mag nun daher kommen,
daß das Gros der illustrierten Handschriften dieser Zeit
flüchtige, rohe und künstlerisch nicht sehr hochstehende
Arbeiten sind. Um aber die Biologie des Kunstschaffens
einer Zeit zu verstehen, muß jede ästhetische Wertung
ausgeschaltet werden. Eine plumpe Handwerksarbeit
ist ebenso Aeußerung formschaffender Kräfte wie das
Werk eines Genies, und die Möglichkeiten der Entwick-
lung und Wegweiser neuer Richtungen liegen durchaus
nicht immer in der großen Kunst. Gerade im XV. Jahr-
hundert birgt die handwerklich rolie Illustration der
Handschriften die entwicklungsgeschichtlich bedeut-
samsten Faktoren. Die Fülle neuer Stoffe, die zu illu-
strieren waren, boten eine Erweiterung des Darstel-
lungskreises, der die an ihre religiöse Bestimmung ge-
bundene Tafelmalerei erst viel später folgen konnte,
und die jahrzelmtelange Uebung der Federzeichnung in
den Handschriften wurde zum Ausgangspunkt einer
ganz neuen Kunstgattung, der Graphik. Auf diese viel-
fach verknüpften Zusammenhänge möchte ich hier nun
etwas näher eingehen.
Die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung des
XV. Jahrhunderts liegt in dem Weg von der Handschrift
zum Buch, von der Handschriftenillustration zur Gra-
phik. Dieser Weg ist bedingt durch die steigende Nach-
frage eine interessierten Schicht des Bürgertums nach
Buch und Bild.
Der immer größer werdende Schriftverkehr der
Kaufmannschaft und Behörden rnachte das Lesen- und
Schreibenkönnen zur Notwendigkeit, und die überall
errichteten Stadtschulen sorgten dafür, daß die Zahl

der Lesekundigen in stetem Wachsen begriffen war.
Dadurch wurde die Einführung und rasche Verbreitung
der Papierindustrie ermöglicht, und mit dem Papier erst
konnten Handschriften in Massen und wesentlich billiger
als auf Pergament hergestellt werden. Seit 1400 finden
wir die Handschriftenproduktion in starkem Auf-
schwung. Das Interesse war reichlich vorhanden. Das
reformatorische Jahrhundert warf genug Fragen und
Probleme auf, die beschäftigten, und viele reiche Kauf-
leute konnten sicli den Luxus von Handschriften leisten.
Die ersten Privatsammlungen und die ersten Stadtbi-
bliotheken entstanden, und die Nachfrage war groß ge-
nug, daß sich ein ausgedehnter Handschriftenhandel
entwickeln konnte. Dasselbe Bildungsbedürfnis, das zu
der starken Handschriftenproduktion geführt hat, ver-
langte ein Anschaulichmachen des Stoffes durch das
Bild. Der Sinn der Illustration war ein anderer gewor-
den, an die Stelle des Schmückens und Verzierens trat
nun als Hauptaufgabe des Bildes das Erläutern, und von
da bis zur freien Interpretation des Textes durch den
Künstler ist kein weiter Schritt. Diese veränderte Bild-
funktion hat einen Hauptanteil an der Wandlung von
symbolischer Flächenkunst zu naturalistisch-perspek-
tivischer Darstellung, die sicli im XV. Jahrhundert voll-
zieht. Die Technik der Illustrationen war die kolorierte
Federzeichnung, wobei die Kolorierung nur eine unter-
geordnete Rolle spielte. Von Klosterarbeiten sehe ich
liier ab, sie waren meist in Deckfarbentechnik ausge-
fülirt und von geringem Umfang der außerdem noch
ikonographisch festgelegten Motive. Die stilistische
Entwicklung vollzieht sich innerhalb der Zeichnung.
Auf die Einzelheiten des Werdeganges einzugehen,
wurde zu weit fülren. Ich muß mich damit begnügen,
die Stellung zu zeigen, welche die Illustratoren inner-
halb der Kunsttätigkeit des XV. Jahrhunderts einge-
nommen haben.
Bis zum Ende des XIV. Jahrhnnderts gehörten
Schreiber und Illustrator eng zusammen, waren wohl
oft dieselbe Person, und das Illustrieren war ein Teil-
gebiet der Kailigraphie. Mit der Verbreitung des Pa-
piers fand ein Teil der Illustratoren ein neues Betäti-
gungsfeld im Zeichnen und Kolorieren von Einzelblät-
tern, Heiligenbildern, Kalendern, Spieikarten usw. für
den Handel; sie wurden Briefmaler, und ilire Zalil ist
sert dein Beginn des XV. Jahrhunderts in ständigem
Wachsen begriffen. Was sie fabrizierten waren billige

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