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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Märzheft
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Dresdner, Albert: Hans Gude: zur Erinnerung an seinen 100. Geburtstag, 13. März
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0260

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X wei Ländern gehört Hans Gude an: seinem Vater-
lande Norwegen, dem er immer und mit ganzer
Seele treu geblieben ist, aber doch zugleich aucli
Deutschland, wo er mit kürzeren Unterbrechungen —
besonders dem w.ichtigen Studienaufenthalt in Wales
während der Jahre 1862—1864 — gelebt hat seit jenem
Jahre 1841, da er als blutjunges Bürschlein von 16 Jah-
ren durch seines Landsmanns Tidemand Ruf angelockt
die Düsseldorfer Akademie bezog. In der Kunstge-
schichte beider Länder behauptet er seine Stellung, aber
von höherer Bedeutung als für die deutsche Kunst ist
er zweifelsohne für die Entwicklung der norwegischen
Kunst geworden. Wenn Andreas Aubert ihn als eine
Mittelpunktsgestalt in ihr bezeichnet hat, so rechtfertigt
sich diese rühmliche Einordnung schon dadurch, daß
er ein Menschenalter lang der einflußreiche Lehrmeister
der künstlerischen Jugend seines Volkes gewesen ist
und dadurch auf die Tradition der norwegischen Kunst
Jahrzehnte hindurch bestimmenden Einfluß ausgeübt
hat. Wo Gude war, sammelten sich Norwegens Ta-
lente. Erst in Düsseldorf, wo er, früh gereift und aner-
kannt, den Kameraden ein treuer Helfer und seit seiner
Übernahme der Professur (1853) vielen Landsleuten ein
Lehrer war; manche der besten aus der Düsseldorfer
Schule hervorgegangenen norwegischen Maler, wie
Johan Fredrik Eckersberg, Anders Askevold, Amaldus
Nielsen, verdanken ihm die Grundlagen ihres Könnens
oder doch wertvolle Förderung. Als er dann 1864 eine
Professur an der Karlsruher Akademie übernahm, wur-
de die badische Hauptstadt auf etwa ein Jahrzehnt
Sammelpunkt der jungen Norweger. Gudes Persönlich-
keit war der Magnet, der sie anzog; damals studierten
Frederik Collett. Eilif Peterssen, Otto Sinding, Fritz
Thaulow, Christian Krohg, Nicolai Ulfsten, Kitty Kiel-
land, Fridthjof Smith-Hald und eine ganze Anzahl wei-
terer Norweger in Karlsruhe, und hier ist ein nicht ge-
ringer Teil der neuen Generation, der Generation des
nationalen Durchbruchs in der norwegischen Kunst,
durcli Gudes Werkstatt und Haus gegangen. Und selbst
nachdem er 1880 Karlsruhe mit Berlin vertauscht hatte,
haben ihn noch manche Landsleute (Thorolf Holmboe
z. B.) als Lehrer aufgesucht, obgleich inzwischen bereits
Paris der Pol geworden war, nacli dem die neue norwe-
gische Malerei sich orientierte.
Es war seine ungewöhnliche Persönlichkeit, die
diese Anziehungskraft ausübte. Er war nicht nur eine
liebenswürdige, sondern eine wahrhaft wohlwollende
Natur — und dies ist, wie Fontane einmal lebhaft her-
vorgehoben hat, weit mehr als jenes. Wer aus der
Heimat zu ihm kam, fand ihn wahrhaft hilfsbereit und
sein gastfreies, kunsterfülltes Haus offen. Dazu aber
war er ein Lehrer, der die Cmade hatte. Sein Verhalten

als Lehrer, ebenso klug wie menschlich schön, wird am
besten durch ein paar Sätze gekennzeichnet, die er
seibst einmal darüber geschrieben hat. Meine Schüler,
so sagt er, ,,sind nur von meiner Kritik, nicht von
meinem Pinsel beeinflußt gewesen. Da ich nie versucht
habe den Schülern etwas von dem Meinigen, die Kennt-
nisse ausgenommen, beizubringen, ja sie im Gegenteil
davor gewarnt habe, habe ich erlangt, daß sie selb-
ständige Künstler mit eigener Persönlichkeit geworden
sind, und ich wage es zu glauben, keine Schule in dem
Sinne einer geistlosen Nachahmung meiner persönlichen
Eigenheit gebildet zu liaben. Mein Verhältnis zu den
Schülern war immer das des Kameraden, und die Biider
auf meiner Staffelei standen der Kritik der Schüler
ebenso offen wie ihre Bilder der meinigen. Der Unter-
schied war oft nur der, daß ihr Interesse und ihre Teil-
nahme für meine Arbeiten sehr schwach war oder ganz
fehlte, und zwar oft bei denen, für die ich mich am mei-
sten interessierte. Ich habe nicht wenige Schüler
gehabt, die keinen Blick darauf warfen, was ich in Ar-
beit hatte, . . und zwar waren es dieselben Schüler, die
mit Begierde meine Kritik empfingen und oft die tüch-
tigsten Künstler wurden.“ Bei solchen Anschauungen
und Gepflogenheiten wird es freilich verständlich, daß
Gude ein volles Menschenalter hindurch als der treue
Wardein der norwegischen künstlerischen Jugend
wirken konnte, während doch deren Auffassungen und
Ziele in diesem Zeitraume sich erheblich verschoben und
sich schließlich von Gudes eigenen Wegen mehr und
mehr entfernten.
Das tragische Moment in Gudes Künstlerleben liegt
darin, daß er den Weg zur Heimat nicht mehr zurück-
gefuuden hat. Einmal schien er sich ihm zu öffnen.
Das war, als die norwegische Künstlerkolonie sich vor
dcr 48er Revolution aus Düsseldorf geflüchtet und in
Kristania zusammengefunden hatte. Da gab es be-
geisterte Empfänge und große Pläne, Feste und Ge-
dichte — aber die Begeisterung verrauchte; die nüch-
terne Wirklichkeit, die zurückblieb. war die, daß der
norwegische Kulturboden noch zu wenig durchgepflügt
war, um eiu Kunstleben tragen zu können, und die
Künstler kehrten einer nach dem andern reumütig
wieder an den Rheinstrand zurück — zuletzt Gude, der
sicli von dem niederschlagenden Eindrucke dieses Er-
lebnisses nur langsam hat befreien können. So hat auch
seine Kunst wie die Dahls Emigrantenkunst bleiben
müssen. Daß er immer wieder mit Dahl zusammen ge-
nannt wird, ist darum natürlich, weil er nach und nächst
Dahl auf lange Jahre die stärkste Begabung auf dem Ge-
biete der Laudschaftsmalerei gewesen ist, die Norwe-
gen hervorgebracht hat. So fiel ihm der Beruf zu,
Dahls Werk fortzufiihren, und es war in Dahls Sinne,

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