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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Februarheft
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Friedländer, Max J.: Über die Museen in Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0203

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/ahrgang 1925

Herausgcber: /XClOipt l DonQtfl
1./2. Februarnefr

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Geheimrat Dr. Max J. Friedländer, der soeben von
seiner Amerika-Reise nach Berlin zurückgekehrt ist,
schrieb auf die Bitte des „Kunstwanderers“ den nach-
stehenden Aufsatz iiber die Museen in Amerika.
I n Europa, namentlich in Italien und Frankreich, waren
* die Museen da, ehe daß man auf den Gedanken kam,
sie zu gründen. Als die öffentliche Kunstsamm-
lung ein Erfordernis, eine Verpflichtuns: wurde, liatte
mau an vielen Stellen schon längst überkommene
Bestände an Kunstwerken dem Volke zugänglich
gemacht. Amerika hat es auch hierin besser als
unser Kontinent, das alte. Dort kann man den Mu-
seumsgedanken sich rein auswirken lassen. Man
braucht nicht umzubauen, kann vielmehr aufbauen, hat
sich nicht im Vorhandenen einzurichten, braucht keine
Konzessionen zu machen. Ein reicher Mann kanii
drüben auf leerem Felde verkünden: dies ist die Auf-
gabe des Museums, also muß dieser Inhalt beschafft,
und, um diesen Inhalt aufzunehmen, ein Bauwerk von
dieser Art errichtet werden. So logisch freilich voll-
ziehen sicli die Dinge selbst in der amerikanischen
Praxis nicht.
Der Museumsgedanke hat in Amerika bessere Aus-
sicht, verwirklicht zu werden als anderswo, weil erstens
dort die naive Gläubigkeit, nämlich das Vertrauen in
die Ersprießlichkeit dieser Idee, in blühender Jugend
steht, zweitens, drittens und viertens, weil das Geld da
ist. Man meint in rationalistisch optimistischem Eifer,
wie mit Bibliotheken, so mit Museen das Glück der
Bürger, ja selbst ihre Sittlichkeit zu steigern, glaubt

auch, die Kunstproduktion durcli Muster und Beispiele
hervorrufen und verbessern zu können, also ethisch und
volkswirtschaftlich Nützliches zu leisten. Gelähmt
durch Erfahrungen, denkt die alte Welt skeptischer über
solche Bemühungen. Überdruß und Zweifel hemmen
bei uns die Entwicklung. Was in Deutschland geleistet
worden ist — und es ist nicht wenig — wird liaupt-
sächlich einzelnen Männern, Museumsbeamten, ver-
dankt, die das Feuer ihrer Aktion weniger aus dem
Glauben an das Museumsideal als aus persönlicher Sam-
melleidenschaft schöpften.
Museumsbeamte von entscheidender Initative hat
Amerika noch kaum besessen, und der Boden für Ener-
gieentfaltung des Beamten ist ungünstig. Der Staat,
die Stadt, die Obrigkeit kümmert sich drüben kaum um
die Museen. Alles bleibt reichen und mächtigen Privat-
leuten iiberlassen, die wie für Bibliotheken, Universi-
täten, Krankenhäuser, Theater, so auch fiir die öffent-
liclien Kunstsammlungen nicht nur die Geldmittel spen-
den oder hinterlassen, sondern auch die Verwaltuug in
die Hand nehmen und in der Hand behalten. ln New
York hat die Stadt den Baugrund für das Metropolitan
Museum zur Verfügung gestellt, ist aber sonst nicht
erheblich an der Aufbringung der Mittel und an der
Verwaltung des Instituts beteiligt. Zu den Vorteilen
der wesentlich privaten Organisation gehört eine ge-
steigerte Teilnahme der Bevölkerung an dem Gedeihen
und Wachsen ihres Museums, dem aus einen Kreise be-
güterter und gesellschaftlich hochstehender Männer
Schenkungen und Stiftungen von gewaltigem Ausmaß

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