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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Maiheft
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Rave, Paul Ortwin: Neuerwerbungen der National-Galerie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0350

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„Der Kunstwanderer“ beginnt heute mit der Ver-
öffentlichung der Kunstwerke der Spätzeit des 18. und
Friihzeit des 19. Jahrhunderts, deren Erwerbung der
Nationalgalerie seit Kriegsende gegliickt ist und die
noch nicht veröffentiicht wurden.
/V/l an kann sagen, daß clie Kunst der Frühzeit des 19.
^ * * Jahrhunderts bis zu der großen Jahrhundert-
Ausstellung im Jahre 1906 immer melir in Vergessen-
heit geraten war. Viele uns heute teure Namen waren
damals fast unbekannt. Nur mit Mühe una manchmal
gar nicht lassen sich heute die Liicken ergänzen. Ge-
rade die Sammlung von Werken aus dem Kreise der so-
genannten Romantiker und Nazarener bedurfte des
planvollen Ausbaus. Was seit der 1922 abgeschlosse-
nen Neuordnung der Galerie in ihrem obersten Geschoß
vereinigt ist, zeugt am besten für den Willen, Versäum-
tes nachzuholen, um das Biid der deutschen Kunst des
19. Jahrhunderts so umfassend wie möglicii vorzu-
stellen.
Reichlicher versehen war die Nationalgalerie für
die Spätzeit des 18. Jahrhunderts, was mit der hier
nicht weiter zu erörterndeu Geschichte ihrer Gründung
und ersten Sammelzeit zusammen hängt. Ailein die
zahlreichen Bildnisse der Tischbeins, der Graff, Mengs,
Füger und Weitsch könnten das erhärten.
Auch was die Ausklänge der heroisierenden Land-
schaftsmalerei betrifft, so vertreten hier gewissermaßen
den Anschluß an die Gemälde-Sammiung im Kaiser
Friedrich-Museum die kurz nacli der Jahrhundert-Aus-
stellung angekauften Landschaften Johann Christian
Reinharts und Jacob Philipp Hackerts. Nachdem diese
Gattung durch die große, 1916 erworbene Tiberland-
schaft Josef Anton Kochs (von 1812) eine wesentliche
Ergänzung gefunden liatte, kam nun noch ein in den
letzten Wochen aus süddeutschem Kunsthandel erwor-
benes Oelgemälde von Ferdinand K o b e 11 dazu,
bezeichnet und datiert 1782 (Abb. 1). Die Jahreszahl
weist auf eine Zeit, in der Kobell einer neuen Art der
Landschaftserfassung zu huldigen begann. Bis dahin
waren Vorwurf, Aufbau und Farbgebung noch mehr
oder minder von den Holländern des 17. Jahrliunderts
übernommen worden. Aber in den siebziger Jahren
hatte der Sturm und Drang wie allerorten in Deutsch-
laud so auch in Mannheim die Geister aufgerüttelt. Auch
an den Maler-Akademiel besann man sich auf die
eigene, auf die teutsche Lleimat, Man sah die heimat-
liche Landschaft mit neuem Verständnis an und ent-
deckte ihre arteigenen Besonderheiten. Das wichtig-
ste Zeugnis fiir diesen Umschwung bei Ferdinand Kobell
sind die sechs großen topographisch getreu gesehenen
Landschaften aus der Aschaffenburger Gegend von
1786 in der Neuen Pinakothek. Auf diesen Grad der Na-
turnähe war Kobell freilich auf unserem Bild von 1782

noch nicht angelangt. Jene Malweise ist nocli zu spü-
ren, die mehr auf Stimmung und Ausgewogenheit als
auf Naturtreue ging. Die dunkle Hangkulisse vorn mit
dem Wasserfall und den durch leuchtende Rots und
Weiß hervorgehobenen Staffage-Figuren und der wir-
kungsvolle Wolkenhimmel sprechen am deutlicnsten
dafür. Und doch webt die heimatliche Natur schon in
dem Bild: Es ist offenbar eine Gegend am Neckar, und
die Pracht des süddeutschen sommerlich erfüllten J'als
bedeutet den großen Wert des farbensatten Bildes.
Diese reiche und warme Tonigkeit machte Kobeli bei
seinen Zeitgenossen beliebt und fand vielfaches Lob, in
das Goethe gern einstimmte. Hier sei die Stelle aus
einem Mannheimer Kunstbrief wiederholt (Teutscher
Merkur), die Waldemar Lessing in seinem Buch über
die Kobells mitgeteilt hat: „Mein Herr Kobel! Nehmen
Sie denn Sonnenstrahlen statt Farben zum malen, daß
lhre Bäume so leuchten, ihre Lüfte so brennen? Dies
sagte ihm neulich ein Künstler voll Erstaunen über die
Wahrheit des Sonnenmorgens, den er nun erschafft —
daher komrnt es vielleicht, daß Rußland und England so
streben, die Bilder Kobels sich eigen zu machen — sie
sollen ihre feuchteren, kälteren Gegenden wärmen und
zeigen wie freudig die Sonne ain Rheinstrom glüht.“
Freilich, so leuchtend erscheinen uns aie Farben nun
doch nicht mehr, die wir heute an andere Farbhellig-
keiten gewöhnt sind. Aber tatsächlich müssen die Bilder
älterer Zeiten viel leuchtender ausgesehen haben. Die
angewandten Bindernittei und Firnisschichten erst ha-
ben diese altertümliche Bräune erzeugt.
Nächst diesem ansehnlichen Landschaftsbild wären
zwei aquarellierte Blätter zu erwähnen, die der merk-
würdig gemischten Uebergangszeit der deutschen
Kunst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ange-
liören, wo ein leer gelaufener und trockener Schul-
brauch auf der einen Seite, ungewisse Vorstellungen
von etwas neuem auf der anderen die Kiinstler hierhin
und dahin lenkte. Zwei Musterbeispiele gleichsam für
die befangene Art der akademischen Ueberlieferung
einerseits und die Versuche zu freierer Gestaltung an-
dererseits. Der Zufall will, daß beide Blätter von Leh-
rer und Schüler herrühren, so daß auch im Generations-
Unterschied das Alte und das Neue sich utiserm Blick
deutlich sondert. Es ist eine Waldlandschaft von
F r i e d r i c h A d a m 0 e s e r (Abb. 2) und eine bib-
lisclie Figuren-Gruppe von J o li a n n C h r i s t i a n
Reinhart (Abb. 3). Oeser stand seit 1764 an der
Spitze der Leipziger Akademie und hatte die führende
Stimme in allen Kunstfragen. Goethe schildert später
vergntigt den Alten, wie er den ganzen Tag etwas zu
kramen, anzugeben, zu verändern, zu zeichnen, zu deu-
ten, zu besprechen, zu lehren hatte, so daß keine Minute
leer war. Damit ist das Wichtigste betont: Oesers Be-
deutung beruht vorzüglich in seinem Unterricht und An-

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