Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

DOI Heft:
1./2. Januarheft
DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Behne, Adolf: Der Film und die Bildkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0427

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
v^V.


Herausgeber: Aciolph Donaffi
7ahrgang iQ2S 172. J7uliheti

Dev ftlm und die BUdkunß
oon
Adolf ßebtie

Der „Kunstwanderer“, der sich mit allen Gebieten
und Problemen der Kunst beschäftigt, wird von Zeit zu
Zeit auch die künstlerische Wirksamkeit des Films
beobachten. Heute geben wir zu diesem Thema dem
Kunsthistoriker Dr. Adolf Behne das Wort.
tn inwirkungen des Films auf die bildende Kunst?
Man denkt zunächst, daß der Film als eine unerbitt-
liche Wahrheitskontrolle alle gegenständlichen Darstel-
lungen zu einer erhöhten Authentizität zwingen könnte
. . . und sicherlich ist das der Fall.
Den Menschen vor 60 Jahren erschien die bekannte
Darstellung des Absturzes am Mont Cervin, die jetzt
Alfred Steinitzer in seiner Geschichte des Alpinismus
wieder abbildet, bestimmt als unerhört realistische
Schilderung und als Inbegriff des Grauenhaften. Uns
erscheint sie als mittelmäßig gestellter Absturz in die
Wolfsschlucht. Tatsächlich nehmen alle Abstürzenden
die Haltung von Heldentenören an. Es ist spaßig zu
sehen, wie schön komponiert dieser Absturz ist, wie
rollende Steine, fliegende Hüte und die Schlingen des
zerrissenen Seiles eine feine und geduldige Harmonie
bilden. Der zweite der Männer jongliert . . . stürzend
und singend . . . sehr geschickt mit seinem Hütchen.
Das wirkt auf Augen, die den ,,Berg des Schick-
sals“, die den „Gipfel der Welt“, die „Nanuk“ gesehen
haben, sehr drollig.
Es ist unbestreitbar, daß der Film das Auge für
Inkonsequenzen, Halbheiten und Schiefheiten realisti-
scher Darstellungen schärft, und eine p o s i t i v e Ein-
wirkung dieser Art sehen wir nicht selten in der über-
raschenden, scharf akzentuierten Bewegungs-Kühnheit

der Personen auf Bildern gewisser Neo-Naturalisten
(z. B. Gert Wollheim), die ohne die Erweiterung unserer
Bewegungs-Vorstellung und Bewegungs-Erkenntnis
durch die Zeitlupen-Filme kaum verständlich wäre.
Nun sind aber diese Einflüsse durch den Film nicht
die einzigen und aucli nicht die wichtigsten. Denn es
läßt sich schon heute erkennen, daß der Film selbst aus
der realistischen Gebundenheit hinausstrebt zu einer
eigenen schöpferischen Freiheit. Gewiß wird der Film
als dokumentarischer Berichterstatter der Begleiter
aller modernen Expeditionen und der Zuschauer aller
Haupt- und Staatsaktionen bleiben, aber er wird sich
darin nicht erschöpfen. Im Uebrigen wirkt das Streben,
aus der Banalität der üblichen Reportage hinauszu-
kommen, auch schon auf die filmischen Wochen-Be-
richte ein. Es ist ganz erstaunlich, wie instinktsicher
das Fox-Journal Ereignisse auswählt und registriert, die
ganz anders als die offiziellen Paraden in allen Ländern.
an denen Pathe-Journal und Deulig-Woche nocli immer
hängen, in ihrer Tatsächlichkeit phantastisch sind:
Rauchwolken einer Explosion, raffiniert aufgenommene
Sensationen amerikanischer Vergnügungsparks, das
Zusammentreiben von 25000 Hasen. Solche Dinge gehen
durch die Art, wie sie aufgenommen sind, schon zum
abstrakten Film hinüber.
Der Vorstoß in das Gebiet eigener schöpferischer
Gestaltung ist natürlich am klarsten ausgedrückt in den
Bemühungen um den „absoluten Film“, d. h. um das
wesentlich neugeartete Kunstwerk, das die spezifischen
Mittel des Films, Licht und Bewegung, nicht mehr re-
produktiv, sondern elementar-gestaltend benutzt. Um

377
 
Annotationen