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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Aprilheft
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Kühnel-Kunze, Irene: Venturis neuentdeckte "Correggio"- Madonna in der Sammlung Borromeo auf der Isola Bella
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0307

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Ivene KunEe

A ls eine eiffenhändige Arbeit des Correggio ver-
öffentlicht Adolfo Venturi in der ,,Arte“ (Heft: Ja-
nuar-April 1925, S. 2) ein in der Sammlung Borromeo
auf der Isola Bella befindliches Gemälde, welches eine in
Landschaft sitzende Madonna darstellt, die das Kind
säugt (Abb. 1). Auf Grund stilistischer Vergkiche mit
Correggios ,.Zingarella“ (Neapel), der „Vermählung: der
heiligen Katharina“ (Neapel), den Fresken in S. Gio-
vanni Evangelista zu Parma und anderen Werken des
Meisters kommt Venturi zu dem Schluß, daß jeue Ma-
donna der Sammlung Borromeo gleichzeitig mit den
Parmenser Fresken in S. Giovanni, also zwischen 1520
und 1524, von Correggio gemalt sei. Der Stilvergleich
Venturis ist jedoch nicht überzeugend. Schon ohne
Kenntnis des Qriginals kann Venturis Zuschreibung die-
ses Gemäldes an Correggio nicht angenommen werden
— ebenso wenig wie der von ihm als „Correggio“ be-
stimmte „Johannis“ der Oldenburger Galerie (vgl. Ven-
turi, La Galleria Crespi iu Mi'ano 1900, S. 13) und die
Wiener „Allegorie der Sanftmut“ (vergl. Venturi, L’
Arte 1921, S. 34) als Werke dieses Meisters anerkannt
werden konnten. (vergl. Voss, Kunstchrom'k 1921, Nr.
36/37). Corregeske Madonnen- und Kindertypen wer-
den in der oberitalienischen Kunst das ganze 16. und
17. Jahrhundert hindurch so häufig verwendet, daß sie
kein ausreichender Beweis sein können für die Zuge-
hörigkeit eines Gemäldes zu dem engeren Correggio-
Kreis.
Das in der Sammlung Borromeo befindliche Bild
zeigt jedoch als Eigenart eine Kombination verschie-
dener Stilelemente: eine starke Anlehnung nicht nur
an Correggio, sondern zugleich an Raffael. Diese Syn-
these von oberitalienschen und römisch-florentinischen
Stilelementen läßt aber klar erkennen, daß das Bild
nach B o 1 o g n a zu lokalisieren und ca. 1600 zu datie-
ren ist. Der bolognesische Ursprung des Gemäldes wird
durch einen von Bartsch dem Franzesco Brizio zuge-
schriebenen Kupferstich (BQ bewiesen, dessen Dar-
stellung, abgesehen von dem landschaftliehen Hinter-
grund, völlig mit der des Gemäldes übereinstimmt.
(Abb 2.) Dieser Kupferstich trägt die Signatur A. C. I.
1595 und wird von Malvasia als Arbeit eines unbekann-
ten Stechers nach Entwurf des Annibale oder des
Agostino Carracci angeführt. (Siehe: Malvasia, Ausg.
1841, I. S. 88). An gleicher Stelle nennt Malvasia die
dem Stich zu Grunde liegende Zeichnung, die sich in
der ehemaligen Sammlung des Sig. Coradino Areosti
befand und dort als Arbeit des Agostino Carracci galt.
Ein Vergleich mit den bekannten Werken der beiden
Carracci ergibt ohnc weiteres, daß der Entwurf zu dem
vorhandenen Kupferstich von Agostino, nicht von
Annibale, herrührt. Die Signatur ist demnach als

„Agostino Carracci invenit“ zu lesen. Als Stecher des
Blattes kommt jedoch Agostino selbst nicht in Frage
da er gerade in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre
zu einem großzügigen, freieren Schraffursystem über-
ging und dieses bis zu seinem Tode beibehielt. Dagegen
rpricht die Feinheit der graphischen Ausführung für


Abb. 1. BoloRnesische Schule um 160Ü
Madonna mit Kind in Landschaft

den im Dienste der Carracci arbeitenden boiognesischen
Stecher Francesco Brizio. Die Annahme, daß Fr. Brizio
das Blatt nacli einer Zeichnung Agostino Carraccis ge-
stochen hat, wird durch Malvasias Bericht bestärkt. Er
erzählt, daß Lodovico Carracci nach Agostinos Tod —
gemäß dem Versprechen, daß er diesem gegeben hatte
— dem Brizio Zeiclmungen A g o s t i n o s gab, damit
dieser sie in Kupfer steche. Unter diesen Zeichnungen
seien aber besonders viele M a d o n n e n gewesen !
(Siehe: Malvasia I, S. 380).
Die gleiche Zeichnung des Agostino Carracci, liach
der Brizio den Kupferstich fertigte, liegt auch dem von
Venturi veröffentlichten Gemälde der Sammlung Borro-
meo zu Gruude. Die Qualität des Bildes erscheint mir

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