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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Märzheft
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Schottmüller, Frida: Tierbronzen der italienischen Renaissance in Berliner Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0255

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TieebeonEen dev ttalientfeben Renaiirance
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Unter den italienischen Kleinbronzen des 16. Jahr-
hunderts überwiegen weitaus die mythologischen
Motive. Allegorien, Heiligengestalten und Porträts sind
die Ausnahme neben ihnen. Indessen kommen Tierdar-
stellungen zieinlich häutig vor. Jedes größere Museum,
so Berlin, Florenz, Wien und Paris, besitzen kleine
,,zoologische Gärten“ von Renaissance-Geschöpfen, und
ebenso trifft man bronzene Vierfüßler nicht selten in
privaten Sammlungen an. Der äußere Anlaß waren,
wie bei den heroischen Themata — die Vorbilder aus
dem Altertum, die man variierte oder nachahmte, ge-
legentlich bis zur beabsichtigten Fälschung. Die Ursa-
che aber war die genaue Kenntnis antiker Literatur und
mehr noch, daß die Gesinnung der italienischen Renais-
sance der des Hellenismus und der frühen römischen
Kaiserzeit überaus ähnlich war. —
Schon in vorgeschichtlicher Zeit ist das Tier ver-
bildicht worden; und nur in einzelnen Epochen wird
seine Schilderung vernachlässigt neben der Darstel-
lung des Menschen, wie etwa in Griechenland im 5.
Jahrhundert. Dem Primitiven flößte es Schrecken ein;
er hat es als Gott oder Ahnherrn verehrt, oder min-
destens sich gleicli geachtet. In Wappen und Alegorien,
wie in den Fabelwesen des Mittelalters lebt noch etwas
von dieser Gesinnung. Die wachsende Zivilisation än-
aerte solch Verhältnis. Immer mehr kam der Mensch
dazu, herabzublicken auf den verdrängten oder ge-
zähmten Mitbewohner ohne Vernunft und Sprache. So
wurden die Tiere seit dem Hellenismus zu einem schö-
nen Schaustück — oder gleich den untersten Volks-
klassen — zur komischen Figur. Verbildlichte man sie,
geschah es aus ästhetischer Freude an ihrer Gestalt
oder als Burleske mit einem Anflug von Humor.
Eine älmliche Auffassung spricht aus den Bildwer-
ken der Renaissance. Große Denkmäler und Klein-
bronzen, antike Schöpfungen und mittelalterliche Fa-
belwesen boten sich als Vorbilder oder Anregungen an.
Aber dem Menschen jener Zeit war das Rationelle, Ver-
nünftige näher als das Dämonische und Unheimliche.
So tritt die Chimäre zurück neben der naturalistischen
Gestaltung, wenn gleich sie — nicht ganz überwunden
— im Geheimen, besonders im Ornament weiterlebt.
Gotteshaus und Wohnzimmer galt es zu schmük-
ken. In jenem war von jeher der Dämon heimisch; aber
die Renaissance nahrn ihm das Unheimliche der mittel-
alterlichen Gestaltungsweise und kleidete ihn in anti-
kische Form. Riccio umgab 1507—1516 seinen berühm-
ten Osterleuchter im Santo zu Padua mit Greifen, Ken-
tauren und schlanken Sphinxen und brachte Adler,
Bocksköpfe und Pansgestalten an ihm an. Auch Andrea
di Allessandro Bresciano hat etwa sechzig Jahre später
seinen Leuchter für S. Spirito — heute in S. Maria della

Salute — zu Venedig mit ähnlichen, aufrecht hocken-
den Sphinxen, Bocksköpfen und allerlei Fabelwesen ge-
schmückt, wenn auch bei dem jüngeren Werk die
menschliche Gestalt viel reichere Verwendung fand.
Inzwischen war die Ghimäre auch ins Privathaus
eingedrungen. Denn — war im Altertum nur die natu-
ralistische Tierfigur genrehaft ansgedeutet worden,
jetzt verfiel auch das Fabelwesen solcher Interpretation.
Durchaus nicht schreckhaft wirkt der Drache, mit auf-
blickendem Menschenantlitz, der seines geschuppten
Körpers wegen nicht zu Unrecht in altem Inventar von
1695 :) „cocodrillo“ genannt wird. Er kommt zusain-
men mit Neptun, wie einzeln vor, mitunter trägt er eine
Muschel und wird so zum Gerät. Andere schwerfällige
oder schlangenhafte Drachen mit breiten Tatzen oder
Klauen bilden die Eüße prächtiger Feuerböcke; solche
von Tacca besitzt der Bargello, venezianische aus dem
späten Cinquecento befinden sich u. a. in der Estensi-
schen Kunstsammlung zu Wien und im Berliner Schloß-
Museum. Als Fackelhalter hocken Greifen an mancher
italienischen Palastfassade. Ja selbst der Lyraform des
JTirklopfers müssen sich Sirenen und Löwen, Hähne
und Schlangen gefällig anschmiegen.
Die anmutige Phantastik solcher Bildungen hat
Pietro Tacca zu grotesker Großartigkeit gesteigert in
seinem Brunnen vor der Santissima Annunziata zu Flo-
renz. Als prachtvollen Kontrast zu Gian Bolognas ge-
lialtenem Reiterbildnis Ferdinands I. formte er beide aus
je zwei ovalen Becken, die in malerischer Schwingung
halb Muschel und halb Plattfisch sind. Aus hochgereck-
ten Mäulern speien sie schlanke Strahlen in die von
ihnen selbst gebildeten Schalen, während weiter oben
je zwei phantastische Ungeheuer — teils Mensch, teils
Seeperdchen, teils Schlange — hocken und gleiche Ar-
beit leisten.
Man ist versucht, das Fabelwesen der Sammlung
Geheimrat Dr. Weiler in Berlin-Westend (Abb. 1)2),
das seinen Muschelpanzer auf hohen Stelzen trägt und
seinen knorpligen Flals und kleinen Kopf mit Fühlhör-
nern und aufgerissenem Maule zornig vorreckt, auch
Pietro Tacca zuzuweisen. Freilich, das kleine Untier
erinnert auch an nordische Kunst, an Bosch’s Teufel
und deutsche Schnitzereien, etwa jenes einzigartige
Paar an Syrlius Ghorgestühl im Ulmer Münster, wo ein
Pudelkopf auf schuppigem Hals aus einer Muschel

*) Vergl. Planiscig: Die Bronze-Plastiken des Kunsthistori-
schen Museums in Wien Nr. 21/22. Drei Exemplare in der einstigen
Sammlung Pierpont Morgan und auclr sonst häufig.
-) Eine Wiederholung mit Gegensttick ohne Fiihlhörner, aber
mit stärker geknickten Füßen in der Sammlung Dr. Eisler in Wien.
Ein weiteres Exemplar mit rcitendem Putto vor mehrcren Jahren
im Berliner hfandel.
 
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