t)te Kötnec labctaufendausßettung
eon
tuife Stt’auscgtmß
||ie Rheinlande feiern ihre tausendjährige Zugehörig-
keit zum Reich mit zahlreichen Ausstellungen, de-
ren umfassendste und aufschlußreichste die in Köln ver-
anstaltete ist. Hier wird das Leben der Rheinlande im
verflossenen Jahrtausend nacli der künstlerischen, kul-
turellen und wirtschaftlichen Seite hin dargestel.lt. Was
demjenigen, der sicli init der Geschichte rheinischen
Geistes befaßte, längst klar war, wird im Durch-
schreiten der geschickt und weiträumig angeordneten
Sammlungen jedem Denkenden zum Erlebnis: daß es
sich hier nicht um die Entwicklung irgend eines deut-
schen Landstrichs handelt, sondern um ein Gebiet, das
dank seiner besondern geographischen Lage an den
Ufern dieses wechselvollsten Stromes und in der Nähe
des für die Geistesgescliichte so wesentlichen euro-
päischen Westlandes zu einer besonders starken An-
spannung aller geistigen Kräfte vorbestimmt war. Die
so bedeutsame Durchdringung germanischen Wesens
mit einem Schuß leichteren Blutes, die sich in den Rhein-
landen vollzieht, bot die günstigsten Vorbedingungen
zur Schaffung einer eigenen, bodenständigen Kultur.
Und wenn die politischen Vorteile groß waren, die den
Rheinlanden aus ihrer Zugehörigkeit zum Reiche er-
wuchsen, ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, war die
Befruchtung mit rheinischem Geist, die auf diese Weise
dem Reich zuteil wurde, und deren Denkmäler überall
uns in der Geschichte deutscher Kunst und Kultur be-
gegnen.
Dieser Gedanke wird vielleicht am stärksten und
überwältigendsten zum Ausdruck gebracht in dem
Raum des Kunstgewerbes, der vor allem die
Denkmäler der romanischen Goldschmiedekunst enthält.
Die sechzehn großen Reliquienschreine, die zahlreichen
Tragaltäre, Reliquiare und Geräte, die sicli da in leuch-
tendem Kreis um den Sonderraum des Dreikönigen-
schreins gesammelt haben, garnicht zu reden von den
Monstranzen, Patenen, Buchdeckeln, kirchlichen Ge-
wändern, die rings herum in Wandschränken angeord-
net den Raum abschließen, sprechen deutlich von der
Machtstellung der Kirchen und Klöster im Rheinlande.
sprechen vom frommen und starken Sinn des Volkes,
aus dem diese starken Kunstwerke erwachsen konnten,
die uns heute weniger wegen des kostbaren Materials als
vielmehr wegen der großzügigen technischen Behand-
lung und wegen der vollkornmenen Einheit in der künst-
lerischen Gestaltung zur Bewunderung hinreißen. Sie
reden vom Ringen der Künstler jener Zeit um die
menschliche Form, in den gravierten und emaillierten
Figuren der früheren Schreine und Altäre aus Xanten,
M. Gladbach und Siegburg, in den vollplastischen Ge-
stalten der späteren Schreine des Heribertus und der
drei Könige; und sie reden auch von der Heiterkeit
rheinischen Geistes in dem Ornament der Schmelz-
platten, das niemals und nirgendwo anders zu dieser ge-
schwungenen, oft kapriziösen Leichtigkeit der Form und
dieser voraussetzungslosen Helligkeit der Farbe gelangt
ist, wie bei diesen Kölner Meistern des 12. Jahrhunderts.
Die Wirkung dieser Kunstwerke ist noch garnicht ge-
nügend erforscht. Die Ausstellung bietet Gelegenheit,
sie wenigstens in den andern Kunstzweigen der Rhein-
lande zu verfolgen, vor allern in der Buchmalerei,
die außerordentlich reich und übersichtlich in ihren
Denkmälern vorgeftihrt wird und in ihrer vom 10.—16.
Jahrhundert reichenden Reihe die Wechselwirkungen
der Künste untereinander in interessanten Uebergängen
zeigt. Infolge der schweren Zugänglichkeit in den Ar-
chiven sind diese wichtigen Kunstwerke weiten Kreisen
fast gänzlich neu, aber auch der wissenschaftlich Orien-
tierte findet eine Fülle seltenen Materials. Hier wie in
allen andern Abteilungen, ist es unmöglich, aucli nur die
wichtigsten von den durchweg hochwertigen Denk-
mälern vollzählig zu nennen.
Die große Sammlung der Skulpturen gruppiert
sich um den Marienstätter und den Oberweseler Altar.
Aus romanischer und vorromanischer Zeit finden sich,
abgesehen von den Skulpturen an den Goldschmiede-
schreinen, die ja allerdings überragende Bedeutung
haben, nur wenige Stücke, meist die verhältnismäßig
zahlreich erhaltenen Kruzifixe, darunter der frühe Wer-
dener Corpus. Auch aus dem 13. Jahrhundert finden
sich nur wenige Denkmäler; erwähnt sei die Mainzer
Madonna aus der Fuststraße, die im Original aufgestellt
ist. Um so reicher ist dann, dem Gang rheinischer Ent-
wicklung folgend, das 14. und 15. Jahrhundert vertreten.
Neben den schon genannten Altären finden wir u. a.
zwei Beispiele aus der Reihe der Domchorfiguren, dann
eine sehr schöne sitzende Madonna aus Privatbesitz, die
zwischen den Flügeln des Clarenaltars aufgestellt ist
und an der leider, wie an vielen Stücken dieser Gruppe,
die späte Fassung sehr stört. Auch die zahlreichen Re-
liquienbüsten dürfen nicht übersehen werden, darunter
die durch Tracht und Auffassung von der allgemeinen
Norm reizvoll abweichenden aus St. Kunibert in Köln.
Aus der interessanten Reihe der unter dem Einfluß der
Mystik stehenden, herb-realistischen Arbeiten des 14.
Jahrhunderts sind zu sehen ein Kurzifixus aus Ander-
nach, einer aus St. Severin in Köln, die Pietä des Bon-
ner Privinzialmuseums und eine etwas spätere aus
Coblenz. Auch eine Auswahl der mittelalterliclien Ala-
basterskulpturen wird gezeigt, darunter der oft um-
strittene Rimini-Altar des Frankfurter Liebighauses.
Aus der plastischen Produktion des Niederrheins, die um
die Mitte des 15. Jahrhunderts stark einsetzt, finden sicli
zahlreiche Beispiele, so einige Figuren aus der Alde-
gundiskirche zu Emmerich, eine schöne Madonna aus
Gerresheim und eine große Kreuzigungsgruppe aus
383
eon
tuife Stt’auscgtmß
||ie Rheinlande feiern ihre tausendjährige Zugehörig-
keit zum Reich mit zahlreichen Ausstellungen, de-
ren umfassendste und aufschlußreichste die in Köln ver-
anstaltete ist. Hier wird das Leben der Rheinlande im
verflossenen Jahrtausend nacli der künstlerischen, kul-
turellen und wirtschaftlichen Seite hin dargestel.lt. Was
demjenigen, der sicli init der Geschichte rheinischen
Geistes befaßte, längst klar war, wird im Durch-
schreiten der geschickt und weiträumig angeordneten
Sammlungen jedem Denkenden zum Erlebnis: daß es
sich hier nicht um die Entwicklung irgend eines deut-
schen Landstrichs handelt, sondern um ein Gebiet, das
dank seiner besondern geographischen Lage an den
Ufern dieses wechselvollsten Stromes und in der Nähe
des für die Geistesgescliichte so wesentlichen euro-
päischen Westlandes zu einer besonders starken An-
spannung aller geistigen Kräfte vorbestimmt war. Die
so bedeutsame Durchdringung germanischen Wesens
mit einem Schuß leichteren Blutes, die sich in den Rhein-
landen vollzieht, bot die günstigsten Vorbedingungen
zur Schaffung einer eigenen, bodenständigen Kultur.
Und wenn die politischen Vorteile groß waren, die den
Rheinlanden aus ihrer Zugehörigkeit zum Reiche er-
wuchsen, ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, war die
Befruchtung mit rheinischem Geist, die auf diese Weise
dem Reich zuteil wurde, und deren Denkmäler überall
uns in der Geschichte deutscher Kunst und Kultur be-
gegnen.
Dieser Gedanke wird vielleicht am stärksten und
überwältigendsten zum Ausdruck gebracht in dem
Raum des Kunstgewerbes, der vor allem die
Denkmäler der romanischen Goldschmiedekunst enthält.
Die sechzehn großen Reliquienschreine, die zahlreichen
Tragaltäre, Reliquiare und Geräte, die sicli da in leuch-
tendem Kreis um den Sonderraum des Dreikönigen-
schreins gesammelt haben, garnicht zu reden von den
Monstranzen, Patenen, Buchdeckeln, kirchlichen Ge-
wändern, die rings herum in Wandschränken angeord-
net den Raum abschließen, sprechen deutlich von der
Machtstellung der Kirchen und Klöster im Rheinlande.
sprechen vom frommen und starken Sinn des Volkes,
aus dem diese starken Kunstwerke erwachsen konnten,
die uns heute weniger wegen des kostbaren Materials als
vielmehr wegen der großzügigen technischen Behand-
lung und wegen der vollkornmenen Einheit in der künst-
lerischen Gestaltung zur Bewunderung hinreißen. Sie
reden vom Ringen der Künstler jener Zeit um die
menschliche Form, in den gravierten und emaillierten
Figuren der früheren Schreine und Altäre aus Xanten,
M. Gladbach und Siegburg, in den vollplastischen Ge-
stalten der späteren Schreine des Heribertus und der
drei Könige; und sie reden auch von der Heiterkeit
rheinischen Geistes in dem Ornament der Schmelz-
platten, das niemals und nirgendwo anders zu dieser ge-
schwungenen, oft kapriziösen Leichtigkeit der Form und
dieser voraussetzungslosen Helligkeit der Farbe gelangt
ist, wie bei diesen Kölner Meistern des 12. Jahrhunderts.
Die Wirkung dieser Kunstwerke ist noch garnicht ge-
nügend erforscht. Die Ausstellung bietet Gelegenheit,
sie wenigstens in den andern Kunstzweigen der Rhein-
lande zu verfolgen, vor allern in der Buchmalerei,
die außerordentlich reich und übersichtlich in ihren
Denkmälern vorgeftihrt wird und in ihrer vom 10.—16.
Jahrhundert reichenden Reihe die Wechselwirkungen
der Künste untereinander in interessanten Uebergängen
zeigt. Infolge der schweren Zugänglichkeit in den Ar-
chiven sind diese wichtigen Kunstwerke weiten Kreisen
fast gänzlich neu, aber auch der wissenschaftlich Orien-
tierte findet eine Fülle seltenen Materials. Hier wie in
allen andern Abteilungen, ist es unmöglich, aucli nur die
wichtigsten von den durchweg hochwertigen Denk-
mälern vollzählig zu nennen.
Die große Sammlung der Skulpturen gruppiert
sich um den Marienstätter und den Oberweseler Altar.
Aus romanischer und vorromanischer Zeit finden sich,
abgesehen von den Skulpturen an den Goldschmiede-
schreinen, die ja allerdings überragende Bedeutung
haben, nur wenige Stücke, meist die verhältnismäßig
zahlreich erhaltenen Kruzifixe, darunter der frühe Wer-
dener Corpus. Auch aus dem 13. Jahrhundert finden
sich nur wenige Denkmäler; erwähnt sei die Mainzer
Madonna aus der Fuststraße, die im Original aufgestellt
ist. Um so reicher ist dann, dem Gang rheinischer Ent-
wicklung folgend, das 14. und 15. Jahrhundert vertreten.
Neben den schon genannten Altären finden wir u. a.
zwei Beispiele aus der Reihe der Domchorfiguren, dann
eine sehr schöne sitzende Madonna aus Privatbesitz, die
zwischen den Flügeln des Clarenaltars aufgestellt ist
und an der leider, wie an vielen Stücken dieser Gruppe,
die späte Fassung sehr stört. Auch die zahlreichen Re-
liquienbüsten dürfen nicht übersehen werden, darunter
die durch Tracht und Auffassung von der allgemeinen
Norm reizvoll abweichenden aus St. Kunibert in Köln.
Aus der interessanten Reihe der unter dem Einfluß der
Mystik stehenden, herb-realistischen Arbeiten des 14.
Jahrhunderts sind zu sehen ein Kurzifixus aus Ander-
nach, einer aus St. Severin in Köln, die Pietä des Bon-
ner Privinzialmuseums und eine etwas spätere aus
Coblenz. Auch eine Auswahl der mittelalterliclien Ala-
basterskulpturen wird gezeigt, darunter der oft um-
strittene Rimini-Altar des Frankfurter Liebighauses.
Aus der plastischen Produktion des Niederrheins, die um
die Mitte des 15. Jahrhunderts stark einsetzt, finden sicli
zahlreiche Beispiele, so einige Figuren aus der Alde-
gundiskirche zu Emmerich, eine schöne Madonna aus
Gerresheim und eine große Kreuzigungsgruppe aus
383