Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

DOI article:
Kaspar, Fred: Einleitung: Güter, Pachthöfe und Sommersitze : Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0024
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
20

Einleitung

ger Beispiele beleuchtet werden: Das aus einem Gut
und einer Verwaltung grundherrlicher Einkünfte be-
stehende „Amt Blankenau" bei Beverungen an der
Weser (Kr. Höxter) ließ der Corveyer Abt ab 1703 als
Conduktion verpachten.66 Als Pächter wurde nicht nur
eine in der Führung des großen Betriebes befähigte
Vertrauensperson benötigt, sondern diese musste
auch über ein umfangreiches Eigenkapital verfügen.67
Der Pächter hatte - wie später auch seine Nachfolger
- bei der Übernahme nicht nur eine Kaution zu stel-
len, sondern musste nahezu das gesamte in dem
Amtshof vorhandene bewegliche Inventar überneh-
men und bezahlen. Erster Pächter wurde Ferdinand
Henrich Mertens, bisher kaiserlicher Postmeister zu
Höxter.58 Er erhielt für seinen Wirtschaftsbetrieb wie
üblich das Recht, umfangreiche Hand- und Spann-
dienste zu nutzen69 und zur Verbesserung seiner
Einkünfte darüber hinaus das Recht der Branntwein-
brennerei und des Bierbrauens. Hiermit verbunden
war auch das Monopol zum Handel mit diesen
Produkten und zur Betreibung von Krügen in mehre-
ren Dörfern. Allerdings erwies sich der erste Pächter
dem erkennbar umfangreichen Aufgabenspektrum
einer Conduktion nicht gewachsen. Er kam bald in
erheblichen Zahlungsrückstand und verließ Blankenau
noch vor Ende der Pachtzeit im Winter 1708/09. Erst
der nächste Pächter sollte wirtschaftlich erfolgreich
sein. Insbesondere die Weiterverarbeitung von Ge-
treide wurde als Grundlage einer Ertragssteigerung
des Gutsbetriebes systematisch ausgebaut. Damit
konnte der wirtschaftliche Erfolg der Pachtung gestei-
gert werden, sodass in den nächsten Jahrzehnten
auch stetig die an Corvey abzuführende Pacht über
das Maß der Geldentwertung hinaus angehoben wer-
den konnte: Betrug sie 1703 zunächst 450 Rthl. jähr-
lich, so stieg sie bis 1760/69 auf 1400 Rthl. und 1796
dann bis auf 1650 Rthl. an. Die Einnahmen aus dem
verpachteten Gut und aus den Erträgen des Amtes
Blankenau bildeten im Haushalt der Abtei Corvey
einen wesentlichen Einnahmeposten.70 Schon im
Jahre 1720 zum Beispiel betrugen die Reineinnahmen
des Amtes 4038 Rthl., wobei nach Abzug aller Un-
kosten (insbesondere Löhne für die etwa 20 auf Blan-
kenau arbeitenden Personen) immerhin noch 3033
Rthl. nach Corvey überwiesen werden konnten.7' Das
Amt Blankenau hatte damit im 18. Jahrhundert eine
ähnliche Wirtschaftskraft wie die Ökonomie, die
unmittelbar dem Kloster Corvey angeschlossen war.72
Die ebenfalls zur Abtei Corvey gehörende Thonen-
burg nördlich von Höxter hatte man nach Lösung aus
der Pfandschaft schon ab 1679 verpachtet. Die Pacht-
summe, die die bürgerlichen Pächter zu entrichten
hatten,73 betrug ab 1679 während des ganzen 18.
Jahrhunderts jährlich 500 Rthl. und wurde danach auf
1300 Rthl. erhöht.74
Der hier beispielhaft dargestellte Ausbau von Cor-
veyer Besitzungen und Vorwerken zu ertragreichen

und für die wirtschaftliche Grundlage des Klosters
entscheidenden Pachtgüter während des 18. Jahr-
hunderts entspricht allgemeinen wirtschaftlichen
Entwicklungen dieser Zeit in der Region. Vorausset-
zung hierfür war die Lösung der Ländereien aus
Pfandschaften oder Lehen, um sie dann gegen feste
Einkommen als Gutsbetriebe zu verpachten. Diese
Entwicklung beförderten alle, die Zugriff auf den
Besitz von Grund und Boden hatten. Hierbei entstan-
den in vielen der Dörfer des Wesertales zwischen dem
16. und 18. Jahrhundert vielfach neue, aber zumin-
dest vergrößerte Gutsanlagen. Sie ersetzten kleinere
in Eigenwirtschaft betriebene Adelssitze und eingezo-
gene Höfe. Nicht nur das Bild der bewirtschafteten
Landflächen veränderte sich hierbei einschneidend,
sondern die Ortsbilder wurden durch Anlage großer
Wirtschaftshöfe mit ihren umfangreichen Wirtschafts-
gebäuden und neuen Gutshäusern nachhaltig ge-
prägt.
Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr
die Gruppe der zur Leitung größerer landwirtschaftli-
cher Betriebe geeigneten Rentmeister und Pächter
noch einmal eine erhebliche Stärkung ihrer Stellung
im Gefüge der landwirtschaftlichen Produktion: Im
späteren 18. Jahrhundert gingen in den katholischen
Regionen auch Klöster75 zunehmend dazu über, ihre
landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr in eigener
Regie (unter Leitung eines Rentmeisters) zu bewirt-
schaften, sondern gegen feste Pachtzahlungen an
landwirtschaftliche Unternehmer zu verpachten: Im
Zuge der Umwandlung der Abtei Corvey zum Dom-
stift wurde ab 1796 auch die bislang dort bestehende
umfangreiche Klosterökonomie mit 900 Morgen
Acker- und. Gartenland verpachtet. In der Wahl des
Pächters wird deutlich, dass wegen der Größe des
Betriebes nur wenige „Unternehmer" infrage kamen
und daher diese auch aus fernen Landschaften stam-
men konnten. Als erste Pächter wurden der in Corvey
lebende Amtsrat Anton Rubach zusammen mit dem
Stifts-Hildesheimischen Amtsrat Heinrich Christoph
Kerl auf zwölf Jahre für 6400 Rthl. jährlich angenom-
men. 1806 kam es zu einer Neuverpachtung. Nach-
dem man den Betrieb zunächst interimsweise dem
Ökonom Plather aus Johannisberg im Rheingau über-
tragen hatte, trat 1807 der Kammerrat Barthels die
Pacht für 7995 Rthl. jährlich an.76 Die Ökonomie des
Klosters Gehrden bei Brakei (Kr. Höxter) wurde unter
der Regierung der seit 1797 neu eingesetzten Äbtissin
Maria Victoria von Burchard ab 1798 erstmals auf
zwölf Jahre für jährlich 1907 Rthl. verpachtet.77
Im frühen 19. Jahrhundert nahm durch die Säkulari-
sation der meisten Klöster und Stifte die Zahl und die
Größe staatlicher Domänen in Westfalen schlagartig
zu (in anderen Territorien verliefen diese Entwicklun-
gen aufgrund staatlicher und konfessioneller Bedin-
gungen teilweise auch sehr anders). In der Regel wur-
den nun diese zu den ehemaligen Klöstern gehören-
 
Annotationen