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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

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Landgüter von Bürgern und Beamten, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Kaspar, Fred: Ein Sommerhaus des 18. Jahrhunderts für Priester aus gutem Hause: die Borg auf dem Hof Lütke Rumphorst bei Telgte (Kr. Warendorf)
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https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0392
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388

Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen

Ein Sommerhaus des 18. Jahrhunderts für Priester aus gutem Hause
Die Borg auf dem Hof Lütke Rumphorst bei Telgte (Kr. Warendorf)1
Fred Kaspar

Der Beitrag geht insbesondere auf die Erschließung
des der Forschung bislang völlig unbekannten Archivs
der 1734 eingerichteten Münsteraner Familienstif-
tung „Exekutorium Scheffer-Boichorst" zurück, des-
sen Existenz an entlegener Stelle dem Autor im Jahre
2009 zufällig bekannt wurde. Es handelt sich um
einen sehr umfangreichen, mehrere hundert Akten-
bände umfassenden Quellenbestand, wobei insbe-
sondere auf die geschlossen überlieferten Jahresrech-
nungen von 1740 bis 1920 einschließlich aller beilie-
genden Quittungen und anderer ergänzender Belege
sowie das 1767 angelegte und bis weit in das
19. Jahrhundert fortgeführte Rentenbuch (das
Hauptkontobuch der Stiftung) hinzuweisen ist.2 Die-
ser bislang nicht bekannte und auch nicht verzeichne-
te Bestand wurde für die folgende Darstellung erst-
mals erschlossen und in Auszügen ausgewertet.3 Da
eine umfassende Dokumentation zur Geschichte der
Stiftung, ihrer Bedeutung in der Geschichte der Stadt
Münster und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen durch
den Autor in Arbeit ist, konnte der Beitrag hier auf
das zum Stiftungsvermögen gehörende Gebäude der
Borg beschränkt werden. Die hierzu erhaltene um-
fangreiche Aktenüberlieferung ermöglicht einen für
das Münsterland bislang einzigartig detaillierten
Einblick in die Nutzungs- und Baugeschichte eines
bürgerlichen Sommerhauses auf dem Lande.
Das von allen Mitgliedern der Familie bis heute stets
als Borg bezeichnete Gebäude bildete über mehrere
Jahrhunderte einen wichtigen Baustein in dem Ver-
mögen der bis heute existierenden Familienstiftung.
Dieses auf dem Hof Lütke Rumphorst südlich von
Telgte stehende, heute allgemein als „Haus Rump-
horst" bezeichnete Gebäude ist in seiner ungewöhn-
lichen Gestalt der baugeschichtlichen Forschung zwar
schon länger bekannt,4 blieb allerdings mangels datie-
render Inschriften und anderer detaillierterer Kennt-
nisse bislang in seiner Baugeschichte, seiner Bedeu-
tung und Nutzungsgeschichte ungeklärt.
Zur Geschichte der Familie Scheffer-Boichorst
und ihrer Stiftung
Das freie und zu Lehen vergebene Bauerngut Kurze
Rumphorst soll Ende des 15. Jahrhunderts durch Ab-
trennung von Teilflächen des unmittelbar benachbar-
ten Hofes Rumphorst (dieser wird seitdem als Große
Rumphorst bezeichnet) entstanden sein, doch sind
nähere Quellen hierzu bislang nicht bekannt. Beide
Höfe galten als grundherrlich frei. Im frühen 17. Jahr-
hundert befanden sich beide Teile in der Hand des in

Groningen geborenen Kaufmanns Johann Lancelot
Witton in Münster,5 wurden aber nach seinem Tod
1626 unter den Erben aufgeteilt. Hierbei fiel das Gut
Kurze Rumphorst an seinen Schwiegersohn Dr. Albert
Boichorst (1600-1665), dessen Nachkommen noch
heute Nießbrauch an dem Besitz haben. Es ist zu ver-
muten, dass der Hof schon zu dieser Zeit nicht nur als
Renditeobjekt diente, sondern auch als sommerlicher
Aufenthaltsort der Besitzer,6 denn das Ehepaar lebte
zu dieser Zeit in Münster in dem von Witton neu er-
richteten Haus Alter Fischmarkt 5. Da alle Söhne vom
Dom-Syndikus Dr. Albert Boichorst in den geistlichen
Stand traten bzw. vor ihm und seiner Frau verstarben,
fiel das Erbe nach seinem Tode 1665 an die beiden
Töchter Katharina Genovefa und Brigitte Elisabeth
Boichorst. Die jüngere der Schwestern verkaufte aller-
dings ihren Teil fünfzehn Jahre später an ihre ältere
Schwester Katharina Genovefa (1635-1692), Witwe
des fürstlichen Hofrates und Notars Dr. Adam von der
Beek (1630-1680). Noch vor ihrem Tode teilten sich
1688 ihre beiden Töchter das Erbe Gut Kurze
Rumphorst, wobei beide ihre mit je 2 000 Rthl. be-
werteten Hälften an Dr. Henning Scheffer (1657-
1734) in Münster verkauften, seit 1684 mit Maria
Anna von der Beek gnt. Boichorst verheiratet. Da
keine Namensträger mehr vorhanden waren und der
Käufer das Familienerbe weiterführte, übernahm er
die Bezeichnung Boichorst als Beinamen. Bis heute
blieb es bei der damit 1688 entstandenen Namens-
gebung Scheffer-Boichorst. Der Hof bei Telgte dürfte
weiterhin als Sommeraufenthalt gedient haben, wozu
man einen möglicherweise zu dieser Zeit schon vor-
handenen Kammeranbau an das dortige Pächter-
wohnhaus nutzen konnte. Der Hofgerichts-Amtsver-
walter bzw. Hofgerichtsrat und spätere Münsteraner
Bürgermeister Dr. Henning Scheffer gnt. Boichorst
begründete zusammen mit seiner Frau durch Testa-
ment vom 31. Januar 1717 eine Familienstiftung. Die-
se wurde mit der Hälfte ihres Gutes Kurze Rumphorst
im Kirchspiel Telgte ausgestattet und mit seinem Tode
eingerichtet. Zweck dieser Stiftung sollte es sein, die
Erträge aus dem Gut männlichen Nachkommen
zukommen zu lassen, sofern sie Priester würden.
Erster Nutznießer war ihr Sohn Dr. jur. Adam Jacob
Scheffer-Boichorst (1687-1744), Kanoniker am Stift
St. Ludgeri in Münster und in Leyden. Er bestimmte
1741 in einem weiteren Testament eine Erweiterung
dieser Stiftung, indem auch seine geerbte Hälfte an
dem Gut Kurze Rumphorst der Stiftung zufallen soll-
te, sodass die Benefizien fortan nicht nur aus einem
 
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