Der ritterschaftliche Adel im Hochstift Osnabrück
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Rang und die Reihenfolge der Wortbeiträge keine
Rolle, Beschlüsse wurden nach Mehrheit gefällt. Und
eher sah man über zweifelhafte Punkte in der
Abstammung eines Beitrittskandidaten großzügig
hinweg, als eine interne Hierarchie zuzulassen: Selbst
den geborenen „Erblanddrosten", den seit dem Mit-
telalter die Familie von Bar stellte, zwang man unter
großen Zerwürfnissen dazu, die Ahnenprobe zu leis-
ten und den Vorsitz im Gremium abzugeben.
Nach außen bestand man aber auch hier auf „Distink-
tion", wie ein aktuell viel verwendeter Begriff lautet:
legte Wert auf die „feinen Unterschiede", wie sie sich
in der Lebensführung, also den Gebäuden, der Klei-
dung, dem Konsumverhalten usw. möglichst sichtbar
manifestierten. 1649 entschuldigte Jobst Heinrich
Vincke gegenüber dem Landesherrn sein Fortbleiben
vom Landtag: „Es fehle ihm an einer adligen Ausrüs-
tung, um vor seinen Standesgenossen ohne Schande
bestehen zu können", er sei verarmt und „besitze
kein festes Haus wie andere Ritter; infolgedessen sei
er mehrfach völlig ausgeplündert und etliche Male mit
Weib und Kind weggeschleppt worden".30 Der
„Rittersitz" musste eben bestimmten Ansprüchen
genügen, die Gräftenanlage behielt man auch später
noch bei, als der Befestigungscharakter wirklich keine
Rolle mehr spielte (Abb. 3 und 4); überkommene
Türme, die auf das Alter des Geschlechts verwiesen,
wurden bei Umbauten gelegentlich stehen gelassen
und in zeitgemäß-repräsentative Anlagen integriert.
So vermittelte das Haus Gesmold, in der Hand der
streitbaren und auf weitreichende Herrschaftsrechte
bedachten Freiherren von Hammerstein, noch im
18. Jahrhundert „den Eindruck einer wehrhaften
Trutzburg".31
Dementsprechend ließen sich Charakteristika der
Osnabrücker Ritterschaft auch aus dem Gebäude-
bestand ermitteln: Spiegeln die Herrenhäuser eher die
korporative Gemeinschaft oder individuell-familiäres
Rangstreben wieder? Den vielen bekannten Informa-
tionen über einzelne Adelssitze zum Trotz ist die Ge-
wichtung dieser Elemente aber noch kaum im Zusam-
menhang erforscht.32 Auch ob die soziale Ungleich-
heit innerhalb des Osnabrücker Adels im Lauf der
3 und 4 Haus Langelage (Amt Hunteburg), altes Herrenhaus von 1575(d) / 1724(d) und Fachwerkstall von 1753 bzw. neues
Herrenhaus von 1724, jeweils mit Gräfte. Aufnahmen vor 1930.
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Rang und die Reihenfolge der Wortbeiträge keine
Rolle, Beschlüsse wurden nach Mehrheit gefällt. Und
eher sah man über zweifelhafte Punkte in der
Abstammung eines Beitrittskandidaten großzügig
hinweg, als eine interne Hierarchie zuzulassen: Selbst
den geborenen „Erblanddrosten", den seit dem Mit-
telalter die Familie von Bar stellte, zwang man unter
großen Zerwürfnissen dazu, die Ahnenprobe zu leis-
ten und den Vorsitz im Gremium abzugeben.
Nach außen bestand man aber auch hier auf „Distink-
tion", wie ein aktuell viel verwendeter Begriff lautet:
legte Wert auf die „feinen Unterschiede", wie sie sich
in der Lebensführung, also den Gebäuden, der Klei-
dung, dem Konsumverhalten usw. möglichst sichtbar
manifestierten. 1649 entschuldigte Jobst Heinrich
Vincke gegenüber dem Landesherrn sein Fortbleiben
vom Landtag: „Es fehle ihm an einer adligen Ausrüs-
tung, um vor seinen Standesgenossen ohne Schande
bestehen zu können", er sei verarmt und „besitze
kein festes Haus wie andere Ritter; infolgedessen sei
er mehrfach völlig ausgeplündert und etliche Male mit
Weib und Kind weggeschleppt worden".30 Der
„Rittersitz" musste eben bestimmten Ansprüchen
genügen, die Gräftenanlage behielt man auch später
noch bei, als der Befestigungscharakter wirklich keine
Rolle mehr spielte (Abb. 3 und 4); überkommene
Türme, die auf das Alter des Geschlechts verwiesen,
wurden bei Umbauten gelegentlich stehen gelassen
und in zeitgemäß-repräsentative Anlagen integriert.
So vermittelte das Haus Gesmold, in der Hand der
streitbaren und auf weitreichende Herrschaftsrechte
bedachten Freiherren von Hammerstein, noch im
18. Jahrhundert „den Eindruck einer wehrhaften
Trutzburg".31
Dementsprechend ließen sich Charakteristika der
Osnabrücker Ritterschaft auch aus dem Gebäude-
bestand ermitteln: Spiegeln die Herrenhäuser eher die
korporative Gemeinschaft oder individuell-familiäres
Rangstreben wieder? Den vielen bekannten Informa-
tionen über einzelne Adelssitze zum Trotz ist die Ge-
wichtung dieser Elemente aber noch kaum im Zusam-
menhang erforscht.32 Auch ob die soziale Ungleich-
heit innerhalb des Osnabrücker Adels im Lauf der
3 und 4 Haus Langelage (Amt Hunteburg), altes Herrenhaus von 1575(d) / 1724(d) und Fachwerkstall von 1753 bzw. neues
Herrenhaus von 1724, jeweils mit Gräfte. Aufnahmen vor 1930.